Eine Pressemitteilung des Helferkreis Asyl Worms e.V.

Am Sonntag, 2. Oktober 2022 stürzte der 32jährige Abdirashid H.A. aus seinem Fenster im 4. Stock einer Wormser Flüchtlingsunterkunft. Der Notarzt stellte seinen Tod fest. Der Helferkreis Asyl Worms hatte den somalischen Flüchtling seit 2018 beraten und unterstützt, ist tief bestürzt und möchte zur Aufklärung dieses tragischen Unglücks beitragen: In der Nacht vom 1. auf den 2. Oktober stand Abdirashid – nach Aussagen von Mitbewohnern – unter Alkoholeinfluss und randalierte. Die Polizei wurde alarmiert und nahm Abdirashid in Gewahrsam.

Am 2. Oktober wurde Abdirashid bei seiner Rückkehr in die Flüchtlingsunterkunft mitgeteilt, dass er Hausverbot hätte. Nach Aussagen von zwei Zeugen war ihm nicht bekannt, wer, mit welcher Begründung und auf welcher Rechtsgrundlage dieses Hausverbot erteilt hatte, in welche alternative Unterkunft er umziehen sollte. Ein schriftlicher Bescheid der Stadtverwaltung Worms oder dem ASB oder der Stadtverwaltung Worms lag höchst wahrscheinlich nicht vor. Da in seinem Ausweis eine Wohnsitz-Verpflichtung ausschließlich für die Klosterstraße 34 vermerkt ist, musste Abdirashid eine traumatische Obdachlosigkeit befürchten, die er während seiner Flucht aus Somalia monatelang hatte ertragen müssen.

Auf telefonischen Rat eines Freundes akzeptierte er dennoch das Hausverbot, ging in sein Zimmer, um seinen Ausweis, sein Portemonnaie und seine Tasche mit persönlichen Habseligkeiten zu holen. Möglicherweise hatte ein Mitarbeiter des Sicherheitsdienstes in der Zwischenzeit die Polizei informiert, die darauf mit 4 Beamten in die Klosterstraße kam. Drei Beamte wären nach Aussagen des somalischen Mitbewohners in den 4. Stock geeilt, zwei hätten sich vor Abdirashids Zimmer postiert, ein Beamter wäre im Zimmer gewesen und hätte den anwesenden Mitbewohner unsanft aus dem Zimmer geführt. Wir gehen davon aus, dass nach den polizeilichen Vorschriften die Zimmertür offen blieb und drei Polizeibeamte in unmittelbarer Nähe von Abdirashid waren.

Unter welchen Umständen Abdirashid aus dem Fenster stürzte und wieso dies nicht verhindert werden konnte, ist kaum nachvollziehbar und muss sorgfältig aufgeklärt werden. Ob es Video-Aufzeichnungen gibt, die die Polizeibeamten evtl. mit der Bodycam machten, ist nicht bekannt. Als Mitglieder des Helferkreises Asyl Worms vor dem Eingang der Klosterstraße 34 eintrafen, erklärte ihnen ein Polizist, dass es „dumm gelaufen“ sei.

Bis zum heutigen Tag wurden Zeugen und Freunde zum Vorfall und zur Vorgeschichte nicht von der ermittelnden Polizei befragt. Diesem tragischen Ereignis gingen zwei Strafanzeigen von Abdirashid voraus, die er in Begleitung von einem Freund stellte. Bei der ersten Strafanzeige am 31. Mai 2022 gab Abdirashid an, man habe ihn in seinem Zimmer überfallen und ihm Geld weggenommen. Vor der zweiten Strafanzeige (17.09.2022) wurde ihm ein Zahn ausgeschlagen.

Es ist dem Helferkreis Asyl Worms nicht bekannt, ob und welche Folgen diese Strafanzeigen hatten. Es ist auch nicht bekannt, ob und welche Maßnahmen der ASB als Betreiber der Unterkunft ergriff, um die Konflikte gemeinsam mit den involvierten Bewohnern aufzuarbeiten. Der Helferkreis Asyl Worms fordert eine umfassende Aufklärung durch die ermittelnden Behörden. Familienangehörige und Freunde von Abdirashid haben einen Fachanwalt beauftragt, Ermittlungen zu veranlassen und abschließende klärende Informationen ihnen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Vorzeitige Erklärungen oder gar Schuldzuweisungen sind fehl am Platz, doch stellt sich gegenwärtig der Tod Abdirashids als tragisches Ende eines Polizeieinsatzes dar. Dies bedarf einer öffentlichen Aufklärung. Es sollten darüber hinaus präventive Maßnahmen mit Wohlfahrtsverbänden, ehrenamtlichen Flüchtlingsinitiativen, Bewohner*innen und Betreiber der Flüchtlingsunterkünfte, Stadtverwaltung sowie demokratischen Parteien gründlich beraten und entwickelt werden, um Konflikte, bedingt nicht zuletzt durch die höchst problematischen Wohnverhältnisse und den langjährigen Verbleib von Geflüchteten in Sammelunterkünften, zukünftig zu reduzieren und partizipative Lösungen zu finden. Eine unabhängige Beschwerdestelle – wie sie u.a. vom Bundesministerium für Familie, Frauen, Senioren und Jugend sei Jahren vorgeschlagen wird – sollte auch in Worms geschaffen werden