Die Bundestagswahl 2021 und vier Direktkandidaten für Worms
Am 26. September 2021 haben Wahlberechtigte die Möglichkeit, über den neuen Bundestag abzustimmen. Damit endet nach 16 Jahren die Ära Merkel. Wer ihr Nachfolger wird, bleibt spannend. Oder wird es eine Nachfolgerin?
ANNALENA BAERBOCK (Bündnis 90/Die Grünen) möchte als einzige weibliche Bewerberin das Erbe von Angela Merkel antreten. Nach einem fulminanten Start sieht sich die derzeitige Parteivorsitzende (gemeinsam mit Robert Habeck) zunehmend mit einem Wahlkampf konfrontiert, bei dem politische Inhalte kaum eine Rolle spielen und die Grenze des guten Geschmacks immer wieder überschritten wird. Man muss Frau Baerbock nicht mögen, allerdings sollte man erwarten können, dass sich Menschen mit Inhalten auseinandersetzen und nicht der Polemik verfallen. Auch der derzeitige Favorit für das Kanzleramt, ARMIN LASCHET (CDU), musste in diesen Tagen erfahren, dass Bilder schwerer wiegen können als ein Wahlprogramm. Der herzhaft lachende Laschet am Rande einer Rede des Bundespräsidenten Steinmeier in Erftstadt, einer Gemeinde, die gerade von der Flutkatastrophe schwer getroffen wurde, sorgte für bundesweite Fassungslosigkeit. Der Dritte im Bunde der Kanzleramtsbewerber, OLAF SCHOLZ (SPD), wirkt angesichts dieser Wahlkampfgrotesken wie der lachende Dritte. Ob dies seine Chancen erhöht, steht indes in den Sternen. Nur wenige Chancen auf das Kanzleramt dürfte CHRISTIAN LINDNER (FDP) besitzen. Allerdings hat sich dieser bereits als potentieller Finanzminister eines neuen Regierungskabinetts ins Gespräch gebracht.
Die Situation im Wahlkreis 206 Alzey-Worms
Derweil geht es im Wahlkreis 206 deutlich friedlicher zu. 20 Parteien sind in Rheinland-Pfalz, also auch in unserem Wahlkreis, zugelassen. Darunter erstmals Volt Deutschland, das Team Todenhöfer (gegründet von dem bekannten Journalisten Jürgen Todenhöfer) sowie Die Basis, eine Partei, die vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Politik entstand. In dieser Ausgabe stellen wir indes die uns bekannten Direktkandidaten für den Wahlkreis vor. Dabei erheben wir nicht den Anspruch auf Vollständigkeit und haben uns zunächst auf die Wormser Kandidaten beschränkt. Nicht jede Partei hat für jeden Wahlkreis einen Kandidaten aufgestellt. Andere Kandidaten sind uns wiederum nicht bekannt, da sie bisher nicht den Kontakt zu lokalen Medien gesucht haben. In unserer September-Ausgabe konfrontieren wir die Bewerber mit wichtigen Themen wie Klimapolitik oder Corona. Am Abend des 26. September 2021 wird sich schließlich zeigen, wem der Einzug in den Berliner Bundestag gelungen ist.
Jan Metzler (CDU)
Als Favorit im Rennen um den Direkteinzug gilt der in Dittelsheim-Hessloch aufgewachsene Winzersohn Jan Metzler. Metzler gewann vor acht Jahren erstmals das Direktmandat. Der studierte Diplom Betriebswirt ist seitdem in mehreren Ausschüssen vertreten, darunter dem wichtigen Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Auf der Landesliste hat er zwar einen guten sechsten Platz bekommen, dennoch betont Metzler im Gespräch mit WO!, dass dies keine Garantie sei, um erneut in den Bundestag einzuziehen. Das möchte der 40-Jährige aber auf jeden Fall, weshalb er ein drittes Mal das Vertrauen der Wähler gewinnen will, um mit einem Direktmandat seine Arbeit fortsetzen zu können. Angesprochen darauf, was er in den vergangenen Jahren als außergewöhnlichen Erfolg für sich verbuchen kann, führt er zunächst an, dass politische Erfolge selten die eines Einzelnen sind, sondern stets auf der Zusammenarbeit eines funktionierenden Teams beruhen. Dennoch merkt er an, dass zumindest die Entscheidung, dass der Wormser Dom St. Peter zwischenzeitlich eine eigene Kostenstelle im Bundeshaushalt habe, maßgeblich seinem Engagement zu verdanken sei. Stolz ist er auch darauf, stets ein offenes Ohr für die Bürgerinnen und Bürger seines Wahlkreises zu haben. Insbesondere in den letzten anderthalb Jahren hätte er zahlreiche Menschen in unserer Region bei den Herausforderungen der Corona-Politik unterstützen können. Ganz in diesem Sinne erklärt der bürgernahe Politiker, dass er sich als Dienstleister verstehe und ergänzt: „Man darf sich selbst nicht so wichtig nehmen“. Für die kommenden Jahre sieht er insbesondere die Herausforderung, eine Klimapolitik voranzutreiben, bei der die gesellschaftliche Balance gewahrt bleibt. Überzeugt davon, dass das möglich ist, erklärt er: „Man kann Industrienationen in eine emissionsreduzierte Zukunft führen, ohne den Einzelnen zu überfordern.“
David Maier (SPD)
Vielen Leserinnen und Lesern dürfte der Name David Maier seit einigen Jahren in Verbindung mit Kultur ein Begriff sein. Seit vielen Jahren ist er der musikalische Leiter des beliebten Festivals Jazz & Joy. Nachdem er sich zunächst die Stelle des Kulturkoordinators mit Volker Gallé im Wormser Rathaus teilte, ist er seit Mai dieses Jahres der allein verantwortliche Kulturkoordinator dieser Stadt. Doch Maier möchte nicht nur die Kultur in Rheinhessen voranbringen, sondern sich auch darüber hinaus den gesellschaftlichen Herausforderungen stellen. „Ich versuche, jeden Tag etwas zu bewegen, mehr Teilhabe zu schaffen, mich für Demokratie einzusetzen“, erklärt er auf Nachfrage von WO! seine Motivation und ergänzt: „Aber ich gebe zu: Es war ursprünglich nicht meine Vorstellung, in die Bundespolitik gehen zu wollen, ich sehe aber, dass ich so noch mehr Möglichkeiten habe, etwas für die Region zu machen.“ Ganz in diesem Sinne sieht er sich als Vermittler zwischen Politik und Bürger: „Ich glaube, dass es derzeit Menschen braucht, die eine Brücke zwischen Politik und Bürger bauen können. In den vergangenen anderthalb Jahren habe ich beobachtet, dass diese Brücke oftmals brüchig war.“ Zudem betont er, für bezahlbaren Wohnraum zu kämpfen und den Mindestlohn zu erhöhen. Dazu benötige es einer starken SPD, die nach wie vor sich besonders für die Belange des durchschnittlichen Bürgers einsetze. Dementsprechend spart er auch nicht mit der Kritik an den anderen Parteien: „Wenn wir uns die Wahlprogramme der anderen Parteien ansehen, wird schnell klar, dass die Kosten der Pandemie von gerade jenen gezahlt werden müssen, die ohnehin nur wenig haben.“
Christian Engelke (Bündnis 90/Die Grünen)
Christian Engelke dürfte den an Kommunalpolitik interessierten Wormserinnen und Wormsern seit 2019 ein Begriff sein. Damals zog er erstmals in den Stadtrat ein. Zudem vertritt er seine Partei in den Ausschüssen für Umwelt, Bau, Mobilität und ist im Gesellschafterausschuss der Entsorgungsbetriebe (Ebwo AöR) und der städtischen Wohnungsbaugesellschaft. Nun möchte der 33-Jährige studierte ökologische Landwirt sich auch in der Bundespolitik engagieren. Auf die Frage, was ihn persönlich antreibe, antwortet Engelke unserem Magazin gegenüber, dass viele Dinge nicht so laufen, wie er sich das für unsere Gesellschaft vorstelle und nennt gleich ein konkretes Beispiel: „Es herrscht große Armut, besonders unter Kindern, obwohl wir in einem der reichsten Länder leben.“ Zudem kritisiert er, dass die großen etablierten Volksparteien immer noch die Klimakrise ignorieren. Dennoch glaubt er: „Es ist möglich, das zu verändern und gute Politik zu machen. Diesen Veränderungswillen sehe ich derzeit nur bei den Grünen.“ Gerade in Bezug auf die Klimapolitik weiß er auch um die Angst vieler Bürger, finanziell überfordert zu werden, weshalb es ihm wichtig sei, diese sozial-verträglich und nicht zu Gunsten großer Unternehmen zu gestalten. Konkret verweist er auf das Wahlprogramm der Grünen. Das sieht vor, Haushalten mit wenig Einkommen die Mehrbelastung bei den Energiekosten auszugleichen. Wichtig ist ihm auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro, sowie das Einführen einer Kindergrundsicherung, um etwas gegen Kinderarmut zu unternehmen. Ein Thema, was ihm ebenfalls am Herzen liegt, und für das er auch in Worms immer wieder einsteht, ist zudem der Kampf für bezahlbaren Wohnraum.
David Hess (Die Basis)
David Hess geht als Außenseiter ins Rennen. Der in Worms lebende gelernte Dachdeckermeister erlebte sein politisches Erwachen während der Einschränkungen der letzten Monate in Verbindung mit Corona. Da bisher die etablierten Parteien den Kurs der Regierung weitestgehend kritiklos mittragen, ist es für ihn wichtig, zu betonen, dass es eine Partei braucht, die einen kritischen Diskurs eröffnet. Diese Partei hat er mit „Die Basis“ gefunden. Der Name bezieht sich auf den basisdemokratischen Unterbau der noch jungen Partei, die erstmals zu einem Bundestagswahlkampf antritt. Die elementare Forderung dieser neuen Partei bezieht sich insbesondere darauf, alle Maßnahmen im Zusammenhang mit der Corona-Politik sofort zu beenden. Dem 33-jährigen Wormser ist es allerdings wichtig, dass man Corona nicht leugne, aber nicht die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen erkennen könne. In eigenen Worten heißt das: „Ich stecke meine Energie in das Ziel, dass die Grundrechte uneingeschränkt wiederhergestellt werden“. Hess weiß, dass die Kritik an der Corona-Politik polarisiert und in diesen Tagen eine ernsthafte Diskussion kaum möglich ist, weshalb er mit massivem Widerstand rechnet. Angesprochen auf die zu erwartende Kritik, zitiert Hess, der zwischenzeitlich nicht mehr als Dachdecker arbeitet und 2017 einen Bestseller zu dem Thema Kryptowährungen und Bitcoins schrieb („Geld verdienen mit Kryptowährungen: Grundlagen und praktische Leitfäden zum Investieren in Bitcoin und Co.“) den Philosophen Sokrates: „Wenn die Debatte vorbei ist, wird Verleumdung zum Werkzeug des Verlierers.“ Dennoch hofft Hess, die Stimmen vieler Bürgerinnen und Bürger für sich zu gewinnen, um sich in Berlin dafür einzusetzen, dass der Panikmodus endlich beendet wird.