Als Monatsmagazin hat man es nicht einfach, die Geschehnisse rund um das Thema „Haus am Dom“ zusammenzufassen. Nahezu täglich erreichten uns Pressemeldungen von der BI, von der Pressestelle der Stadt oder der Domgemeinde. Es ging wahrlich rund in den letzten Wochen und fast konnte man den Eindruck gewinnen, dass alle Seiten die meiste Zeit über damit beschäftigt waren, auf Statements der anderen Seite zu reagieren. Im Moment erleben wir eine merkwürdige Situation. Während auf der einen Seite die Bevölkerung für jeden hörbar ruft: „Der Dom geht uns alle an!!“, steht auf der anderen Seite ein hilfl oser OB, der mit dem Gesetzbuch wedelt und damit ausdrücken will, dass die Kirche auf ihrem privaten Grundstück machen kann, was sie will. Genau über diese Frage werden schon bald Gerichte zu entscheiden haben, wenn über die Zulassung des Bürgerbegehrens verhandelt wird. Bis dahin bleibt es spannend.
Es gibt in dieser ganzen Angelegenheit um die Frage „Haus am Dom – ja oder nein?“ vor allem ein Phänomen, das Architekten, Kirchenvertreter, aber auch ganz viele Lokalpolitiker brutal unterschätzt haben: die Wichtigkeit des Themas, obwohl es sich doch „nur“ um ein Bauwerk handelt. Ein historisches zwar, aber anscheinend liegt dieses Wahrzeichen den Wormsern so am Herzen, dass sie bereit sind, dafür zu kämpfen. Und das tun sie, seit Ende Januar 2013 erstmals Pläne für ein Haus am Dom publik wurden und ein nie gekannter Aufschrei durch die Bevölkerung ging. Von Seiten der Domgemeinde ging man noch einmal in sich, besserte nach, ließ ein bisschen Luft aus der Sache und präsentierte Anfang November Entwurf Nr. 2. Mit dem festen Vorsatz, sich diesmal nicht schon wieder von der Bevölkerung überrumpeln zu lassen. Selbst als der Umschwung seinerzeit, auch durch den Verzicht auf gewisse grafische Darstellungen und dank der Berichterstattung regionaler Zeitungen, beinahe tatsächlich geklappt hätte, waren es die Kirchenvertreter selbst, die den ersten Stein warfen und unnötige Schärfe in die Angelegenheit brachten. Bei der Präsentation gab es öffentliche Betrugsvorwürfe an die BI, als der Aufsichtsrat der Domgemeinde die knapp 16.000 gesammelten Unterschriften der Bürgerinitiative anzweifelte. Und der dann, als ein Notar nachgezählt und die korrekte Anzahl beglaubigt hat, kleinlaut zugeben musste, dass wohl doch alles korrekt gelaufen war. Man kann auch auf Augenhöhe miteinander diskutieren, ohne den anderen herabzuwürdigen. Doch leider ist das in der Folgezeit noch einmal passiert, dass von Seiten der bauwilligen Kirche zu unsauberen Methoden gegriffen wurde. Ende Februar diesen Jahres, als das Pendel durch die Unterschriftenaktion der BI umzuschlagen schien und sich immer mehr öffentliche Gegner formierten, um ihre Meinung auf den in Geschäften ausliegenden Listen mittels Unterschrift zu bekunden, wussten vereinzelt Geschäftsleute zu berichten, dass diese Sache nicht ganz geräuschlos ablief. So wäre das Auslegen der unliebsamen Listen in einzelnen Fällen mit der Drohung durch Gemeindemitglieder verbunden gewesen, dass man diese Geschäfte zukünftig meiden würde. Hinzu kam, dass dem verständlichen Wunsch der beiden Gemeinden St. Peter und St. Martin nach einem neuen Gemeindehaus ein öffentlicher Wind entgegenschlug, der heftig aus Limburg herüber wehte. Natürlich kann die Domgemeinde nichts dafür, dass der werte Kollege Tebartz van-Elst, der nahezu zur gleichen Zeit wie das Bauvorhaben der Domgemeinde durch die Medien geisterte, der Institution Kirche einen derartigen Bärendienst erweisen würde. Aber natürlich ist Limburg nicht Worms, auch wenn Papst Franziskus mit seiner „Kirche für die Armen“ einen Nerv der Zeit getroffen hat. Das kann man in Worms weder von Bauwerk Nr. 1 noch Entwurf Nr. 2 sagen, sonst hätten sich in kürzester Zeit nicht derart viele Gegner formiert.
Der Stadtrat schaltet sich ein
Als der Stadtrat Anfang Dezember zu entscheiden hatte über die strittige Frage, ob der aktuelle Entwurf für ein Haus am Dom seine Zustimmung findet, war man sogar bereit, die Gemeindeordnung zu missachten, nur um ein Projekt durchzuboxen, von dessen Notwendigkeit hauptsächlich Mitglieder von SPD und CDU überzeugt waren. Einige wenige Abweichler bestätigten die Regel. Alle anderen Parteien im Wormser Stadtrat entschieden sich dagegen. Hätte nicht die FWG Bürgerforum mit dem Verwaltungsgericht Mainz gedroht, damit ein rechtswirksamer Beschluss des Stadtrates zu Stande kam, wären die treuen rot-schwarzen Vasallen nur allzu bereit gewesen, der Marschroute ihres Oberbürgermeisters zu folgen, der das unliebsame Thema möglichst schnell durch winken wollte. Bevor sich jemand daran erinnert, was der Stadtrat im Jahr 2003 beschlossen hat, als bekanntlich ein Ramada-Hotel gegenüber vom Wormser Dom gebaut werden sollte. Seinerzeit hatte der Stadtrat dafür gestimmt, dass der Blick vom Andreasstift auf die Südseite des Doms frei und unbebaut bleiben soll. Diesen Beschluss hat man nie revidiert. Einer, der sich nur zu gut daran erinnern müsste, weil er damals schon OB war, ist übrigens Michael Kissel.
Alternativen geprüft?
Den politischen Beschluss vom Dezember 2013 wollte wiederum die Bürgerinitiative nicht hinnehmen, die in der Zwischenzeit fleißig regelmäßige Lichterketten vorm Dom organisiert hatte und auch immer wieder Alternativvorschläge unterbreitete (siehe Alternativvorschlag auf dieser Seite). Jedoch wollte man von Seiten der Domgemeinde durch eine Machbarkeitsstudie erfahren haben, dass die Alternativvorschläge (z.B. Sanierung des Liobahauses) nicht möglich seien. Genau das hat aber zuletzt die Wormser FDP angezweifelt. „Wir sind nicht gegen eine lebendige Gemeinde – und wissen, dass sie Raum braucht. Erforderlich hierfür ist aber eine saubere und nicht überstürzte Planung. Dazu gehört auch, die immer wieder zitierte und der Bürgerinitiative entgegengehaltene Machbarkeitsstudie zu hinterfragen. Für Fachleute ist die abgelieferte Studie eher ein „Technischer Stimmungsbericht“ als ein präzises Aufzeigen von Alternativen. Eine Machbarkeitsstudie hat per definitionem Lösungsansätze mit Kosten und Risiken (natürlich auch Risiken der Akzeptanz) aufzuzeigen. Die vorliegende Studie erfüllt diese Forderungen nicht!“ erklärten übereinstimmend der FDP-Kreisvorsitzende Dr. Jürgen Neureuther und das BI-Gründungsmitglied Heinrich Hofmann.
Die BI macht mobil für ein Bürgerbegehren
Derweil suchte sich die Bürgerinitiative, die mittlerweile als Verein arbeitet (u.a. wegen Spendenquittungen) und sich anfangs „Kein Haus am Dom“, später „Freier Blick auf den Dom zu Worms“ und mittlerweile „Bürgerverein Dom-Umfeld e. V.“ nennt, um jeweils ihre Ziele zu bekräftigen, rechtlichen Beistand. Schon bald landete man bei der Möglichkeit eines Bürgerbegehrens, für das man 6.000 Unterschriften von wahlberechtigten Wormsern benötigen würde. Wer schon einmal 16.000 Unterschriften, zugegeben auch von Touristen und nicht wahlberechtigten Wormsern, gesammelt hat, der könnte das schaffen. Vorausgesetzt, die Zeit läuft nicht allzu sehr davon, denn gleichzeitig sickerte durch, dass bereits Bauantrag gestellt sei und schon bald die ersten Bäume gefällt würden. Von daher war Eile geboten. Trotzdem hätte wohl kaum jemand der BI-Vertreter damit gerechnet, wie schnell sie die erforderlichen Unterschriften zusammen bekommen sollten. Am 25. Januar wurde mit dem Sammeln begonnen für das Bürgerbegehren „Freier Blick auf den Dom zu Worms“. Am 8. Februar, also nur 2 Wochen später, lagen bereits 7.200 Unterschriften vor, die an Oberbürgermeister Kissel überreicht wurden, mit der Ankündigung, die Unterschriftensammlung weiter fortzuführen und zur Stadtratssitzung Ende Februar die bis dahin gesammelten zusätzlichen Unterschriften zu übergeben. Kissel versprach, die Unterschriften von der Stadtverwaltung auf ihre Gültigkeit hin überprüfen zu lassen.
Die Kirche macht mobil
Zwischenzeitlich hatten auch die beiden Domgemeinden erkannt, dass man ein bisschen Werbung in eigener Sache betreiben muss, wenn man die Leute überzeugen will. Den wöchentlich stattfindenden Lichterketten vorm Wormser Dom durch die BI, setzte man einen Stand entgegen, an dem man sich darüber informieren konnte, warum ein „Haus am Dom“ richtig und wichtig ist. Zudem verteilte man „Zehn gute Gründe für das Haus am Dom“, die, auf einem Flugblatt zusammengefasst, in einer Auflage von 30.000 Exemplaren gedruckt, von Gemeindemitgliedern an alle Haushalte in Worms verteilt wurden (kann auf der Internetseite www.haus-am-dom-worms.de als pdf-Datei heruntergeladen werden). Man ist also nach wie vor davon überzeugt, das richtige Haus am richtigen Standort entworfen zu haben, auch wenn am 20. Februar 2014 eine Pressemeldung die Runde machte, auf die viele gewartet hatten. Die Pfarreien St. Peter und St. Martin in Worms hatten sich nach Beratungen mit dem Bistum Mainz dazu entschlossen, den Baubeginn für das Haus am Dom in Worms zu verschieben. „Es ist uns wichtig, zunächst einmal die Entwicklung um das mögliche Bürgerbegehren abzuwarten“, betonte Propst Engelbert Prieß. „Unser Anliegen war es immer, die Diskussion um das Haus am Dom mit Sachargumenten zu führen. Wir hoffen, dass wir mit der Verschiebung des Baubeginns einen Beitrag dazu leisten. Gerade in den letzten Wochen haben wir in der Pfarrei erleben dürfen, wie groß die Unterstützung für das neue Gemeindehaus ist. Auf dieser Grundlage wollen wir die kommenden Wochen dazu nutzen, die Menschen in Worms davon zu überzeugen, dass das Haus am Dom wirklich ein Gewinn für Worms wird. Denn davon sind wir überzeugt und dafür werden wir uns auch weiterhin stark machen.“
Das Wort haben die Gerichte
Während man sich von Seiten der Domgemeinde lange Zeit sicher wähnte, dass man den zweiten Entwurf für ein Haus am Dom umsetzen wird, musste man nun doch vorläufig vor Volkes Willen kapitulieren. Ob das Volk am 25. Mai, im Zusammenhang mit der Kommunalwahl, tatsächlich nach seiner Meinung gefragt wird, hängt nun von Gerichten ab, die über die Zulassung des Bürgerbegehrens zu entscheiden haben. Zur grundsätzlichen Gültigkeit des Bürgerbegehrens, d.h. ob die dort aufgeführten Fragen zum Bürgerentscheid zulässig sind, bestanden bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe unterschiedliche Auffassungen. Der Bürgerverein – juristisch unterstützt von der Frankfurter Rechtsanwaltskanzlei Möller – ist der Auffassung, dass das Bürgerbegehren und der damit beantragte Bürgerentscheid rechtsgültig sind. OB Kissel, der sich auf ein Rechtsgutachten der Uni Düsseldorf stützt, vertritt eine gegenteilige Auffassung. Wie der Vereinssprecher, Dr. Hilmar Kienzl angekündigt hat, will man nun eine Einstweilige Verfügung beim Verwaltungsgericht beantragen. Damit will man die Stadt zwingen, den Bauantrag zunächst nicht zu bearbeiten.
Bürgerbegehren beste Lösung
Als Außenstehender denkt man schon seit längerem, dass eine Volksbefragung in dieser Sache wohl tatsächlich die beste Lösung wäre, denn anscheinend ist den Wormsern dieses Thema sehr wichtig. Zwischen allen Fronten stehen derzeit die Politiker, überwiegend von SPD und CDU, die für den Bau gestimmt haben, aber im anstehenden Kommunalwahlkampf vermutlich lieber mit dem Wählerstrom schwimmen würden. Kommt es am 25. Mai tatsächlich zu einem Bürgerbegehren, hätten beiden Seiten genügend Zeit, um bis dahin noch einmal ihre Argumente dafür und dagegen auf den Tisch zu legen. Die Tatsache, dass mehr als 9.000 dagegen sind, heißt nicht zwangsläufig, dass der Rest dafür ist. Es gibt allenfalls ein eindrucksvolles Stimmungsbild wider. Um mit dem Bürgerbegehren, sofern es denn dazu kommt, erfolgreich zu sein, müssten übrigens nur 20 Prozent der wahlberechtigten Wormser GEGEN ein „Haus am Dom“ stimmen. Bei dem Bürgerbegehren zum Thema Nibelungenmuseum lag die Hürde noch bei 30% und wurde nur hauchdünn verpasst. Jedoch hat man diese in den letzten Jahren den aktuellen Gegebenheiten angepasst, die so aussehen, dass nur noch jeder Zweite überhaupt wählen geht. Von daher müsste man in Worms „nur“ knapp 12.400 Stimmen (bei ca. 62.000 Wahlberechtigten) erreichen, um das „Haus am Dom“ zu verhindern. Da müsste die Domgemeinde schon richtig gute Marketingarbeit im Vorfeld des Bürgerbegehrens leisten, um die fehlenden 3.400 dazu zu bewegen, nicht dagegen zu stimmen.
Innerhalb von nur zwei Wochen sammelte die BI 7.200 Gegenstimmen
für den 2. Entwurf. Für das Bürgerbegehren „Freier Blick auf den Wormser Dom“
werden 16.000 Stimmen benötigt.