SPD gewinnt Bundestagswahl, muss aber um Regierungsbeteiligung bangen

Während DIE LINKE und Armin Laschets CDU/CSU massive Verluste erleiden, heißt der Sieger der Bundestagswahl 2021, zumindest auf dem Papier, Olaf Scholz von der SPD. Wieviel dieser Sieg tatsächlich wert ist, wird sich bei den anstehenden Koalitionsverhandlungen zeigen, bei denen die Grünen und die FDP das Zünglein an der Waage spielen.

Mit 25,7 % wurde die SPD stärkste Partei und legte damit gegenüber 2017 um 5,2 % zu. Spätestens nach den „TV-Triellen“, die in Umfragen regelmäßig Olaf Scholz als Sieger auswiesen, war absehbar, dass es am 26.09. zu einer Überraschung kommen würde. Jedoch fiel der Sieg der SPD nicht so deutlich aus, wie dies zuvor in Umfragen prognostiziert wurde. Naturgemäß sieht der Kanzlerkandidat der Sozialdemokraten trotz des knappen Vorsprungs einen Regierungsauftrag bei der SPD: „Die Bürger wollen, dass der Kanzler Olaf Scholz heißt.“ Tatsächlich kann sich die SPD als Sieger des Abends fühlen und könnte doch noch zum großen Verlierer werden. Denn der Spitzenkandidat einer Partei, die die meisten Zweitstimmen erhält, besitzt nicht automatisch das Anrecht, auch der nächste Bundeskanzler zu werden. Speziell die SPD sollte das wissen, denn bereits fünf Mal nach dem Zweiten Weltkrieg stellte man den Bundeskanzler, obwohl man nur die zweitmeisten Stimmen erhalten hatte. Davon profitierten Willy Brandt, Helmut Schmidt und schließlich auch noch Gerhard Schröder. Über die Kanzlerfrage entscheiden einzig und alleine die Mehrheiten von Koalitionen. Von daher hat die SPD am 26.09. allenfalls einen Etappensieg erreicht, aber noch nicht das Kanzleramt.

EIN DEBAKEL FÜR DIE CDU

Während die Sozialdemokraten frohlockten, gab es in den Reihen der CDU/CSU lange Gesichter. Mit einem Stimmenverlust von 8,9 % gegenüber der letzten Bundestagswahl straften die Wähler/innen nicht nur den farblosen Spitzenkandidaten Armin Laschet ab, sondern ebenso die Politik seiner Partei in den letzten vier Jahren. Mit 24,1 % erreichte die Partei das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Am Abend der Wahlniederlage versuchte Laschet, trotz seines schlechten Abschneidens, seinen Regierungsanspruch zu retten und brachte das Zauberwort „Zukunftskoalition“ ins Spiel. Denn trotz schwerer Stimmenverluste der Union sieht CDU-Kanzlerkandidat Laschet eine von ihm geführte Regierung und traut sich selbst wohl eher zu, eine regierungsfähige Koalition zu bilden, als dem eigentlichen Wahlsieger Olaf Scholz. Auch wenn es nur schwer vorstellbar erscheint, dass die CDU unter einem SPD-Kanzler eine Große Koalition eingehen würde, so sei zumindest darauf hingewiesen, dass diese Möglichkeit auch diesmal wieder bestünde. Im Übrigen haben die beiden Großen Parteien auch bei dieser Bundestagswahl sehr schlecht abgeschnitten, im Vergleich zu früheren Jahren. Während die CDU/CSU ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, holte der große Sieger dieser Wahl, Olaf Scholz, so viele Stimmen wie im Jahr 2013 der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück, der seinerzeit – mit 16 % weniger als die CDU – haushoch gegen Angela Merkel verlor. Wirklich Grund zum Jubeln gibt es also bei beiden Parteien nicht.

DIE KANZLERMACHER

Derweil blieben auch die Grünen hinter den Erwartungen zurück, erzielten aber mit 14,8 % ein deutlich besseres Ergebnis als 2017 (8,9 %). Das reichte zwar, um drittstärkste Kraft vor der FDP zu werden, aber nach den Umfragen der letzten Wochen war mit etwas mehr zu rechnen. Vor knapp einem halben Jahr bewegten sich die Grüne in Umfragen noch nahe der 20-Prozent-Marke. Während die grüne Kanzlerkandidatin zu Beginn ihres Wahlkampfes schwer unter medialem Beschuss stand und die Umfragewerte sanken, so hat sich Annalena Baerbock in der Schlussphase ganz ordentlich geschlagen. Was den Grünen Hoffnung machen dürfte, ist die Tatsache, dass sie erneut bei der jungen Generation vorne lagen, während die älteren Generationen eher zur SPD oder CDU neigten. Der Partei, die sich den Klimaschutz auf die Fahne geschrieben hat, gehört also die Zukunft. Zu einer Regierungsbeteiligung sollte es aber auch diesmal schon reichen. Zusammen mit der FDP sind die Grünen das Zünglein an der Waage. Wenn SPD oder CDU eine Regierungskoalition bilden wollen, brauchen sie dazu die Grünen sowie eine wiedererstarkte FDP, die sicherlich auch von der Schwäche der CDU profitieren konnte und um 0,8 % gegenüber der letzten Bundestagswahl zulegte. Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner rief dementsprechend nach der Wahl zu einem „politischen Aufbruch“ in Deutschland auf. Es ist sicher kein Geheimnis, dass Lindner eher eine Koalition mit der CDU anstrebt, als ein Bündnis mit der SPD. Noch am Wahlabend kündigte der Liberale Gespräche mit den Grünen an und betonte Gemeinsamkeiten mit der Ökopartei. „Und deshalb kann es in Deutschland kein „Weiter so“ geben. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch“, betonte Lindner.

VERLIERER AM LINKEN UND RECHTEN RAND

Wie die Bundestagswahl gezeigt hat, verliert die AfD nicht nur zunehmend an Bedeutung, sondern ebenso an Stimmen. Bei der letzten Bundestagswahl 2017 war die AfD noch drittstärkste Kraft im Bundestag, jetzt nur noch fünfstärkste. Da das Flüchtlingsthema bei dieser Wahl kaum eine Rolle gespielt hat, fehlte der AfD ein wenig das große Thema, mit dem sich Protestwähler einfangen lassen. Zwar betonte die Parteispitze, dass man ein sehr solides Ergebnis erreicht hätte; gleichwohl wissen auch die AfD-Funktionäre, dass die große Zeit der Partei wohl vorbei ist. Und während die AfD am rechten Rand Wähler einbüßte, konnte auch die Linkspartei so wenig Wähler wie noch nie – seit Gründung der Partei 2007 – im linken Spektrum für ihre Politik begeistern. DIE LINKE scheiterte mit 4,9 % zwar hauchdünn an der 5-Prozent-Hürde, konnte sich aber über drei Direktmandate doch noch den Einzug in den Bundestag sichern. Schwer wiegt jedoch, dass es den Linken aufgrund des schlechten Ergebnisses nicht gelungen ist, sich als Mehrheitsbeschaffer für eine Rot-Rot-Grüne Koalition zu empfehlen. Gegenüber 2017 (9,2 %) haben die Linken einen massiven Wählerverlust erlitten. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen, dass Sarah Wagenknecht, eine der wenigen wirklich kompetenten Politikerinnen dieses Landes, bei der Linkspartei zuletzt parteiintern kaum noch eine Rolle spielte.

UND DIE SONSTIGEN PARTEIEN?

Einen deutlichen Stimmenzuwachs von 3,7 % verzeichneten im Übrigen auch die „Sonstigen Parteien“. Die Freien Wähler, die in Bayern Teil der Landesregierung sind und in vielen Kommunen durchaus eine gewichtige Rolle spielen, konnten diese Erfolge auf Bundesebene nicht wiederholen. Zwar erreichten die Freien Wähler mit 2,4 % die meisten Stimmen der kleinen Parteien, jedoch reicht dies nicht für den Einzug in den Bundestag. Die erst seit Juli 2020 bestehende Partei DIE BASIS, die im Umfeld der Proteste gegen die Corona-Maßnahmen der Bundesregierung gegründet wurde, erzielte 1,4 % der Zweitstimmen. DIE PARTEI, die Satirepartei des ehemaligen Titanic-Chefredakteurs Martin Sonnenborn, die in den Sozialen Netzwerken die meisten Follower für sich begeistern kann, kam dagegen nur auf 1 % der Wählerstimmen.

FÜNF KOALITIONEN SIND NUN THEORETISCH MÖGLICH

Nach der Bundestagswahl gibt es nun die theoretische Möglichkeit für fünf verschiedene Regierungskoalitionen (wenn man die AfD ausklammert, mit der keine Partei koalieren will). Eher unwahrscheinlich dürften die Bildung einer Kenia-Koalition (schwarz-rot-grün) oder einer Deutschland-Koalition (schwarz-rot-gelb) sein, da CDU und SPD auch ohne die Beteiligung der Grünen und der FDP eine Große Koalition (schwarz-rot) bilden könnten, wobei die CDU eine Regierungsbeteiligung unter einem Kanzler Scholz bisher ablehnt. Somit bleiben als wahrscheinlichste Varianten eine Ampelkoalition (rot-gelb-grün) oder eine Jamaika-Koalition (schwarz-gelb-grün). Nun wird es darauf ankommen, wer die FDP und die Grünen eher überzeugen kann – die SPD oder die CDU? Christian Lindner (FDP), der sich bereits als kommender Finanzminister ins Gespräch gebracht hat, hat bereits seine Präferenzen für ein Bündnis mit der CDU offengelegt, während sich die Grünen in den letzten Wochen beiden Parteien angenähert haben. Also doch eher Jamaika? Die derzeit wahrscheinlichste Variante würde für Wahlsieger Olaf Scholz bedeuten, dass sein Erfolg vom 26.09. keine Früchte trägt und jemand von der unterlegenen Union Bundeskanzler wird. Ob das der gestrauchelte Armin Laschet sein wird, bleibt abzuwarten. Es bleibt also auch nach der Wahl spannend, wenn nun die Koalitionsverhandlungen anstehen.

Anmerkungen:
Der Wahlkreis 206, zu dem die Stadt Worms gehört, wird in der kommenden Legislaturperiode von Jan Metzler von der Partei CDU im Deutschen Bundestag vertreten. Metzler konnte sich damit zum dritten Mal in Folge das Direktmandat für seinen Wahlkreis gewinnen. Für Dr. David Maier (SPD) reichte das starke Ergebnis leider nicht für den Einzug über die Landesliste seiner Partei.