Lange stand die CDU im Schatten der omnipräsenten Wormser SPD und wurde eher als kleiner Juniorpartner in der seit fast drei Jahrzehnten bestehenden „punktuellen Zusammenarbeit“ der „Wormser GroKo“ wahrgenommen. Doch dann kam die OB-Wahl 2011, in der Herausforderer Klaus Karlin in der Stichwahl nur knapp gegen Amtsinhaber Kissel unterlag. Es folgte Jan Metzlers Überraschungscoup bei der Bundestagswahl im letzten Jahr, als es ihm nach mehr als 60 Jahren erstmals gelungen war, den Wahlkreis 207 von den Sozialdemokraten zurückzuerobern. Im Zuge der Kommunalwahl am 25. Mai kommt nun sogar die Kanzlerin Angela Merkel nach Worms, um hier den einzigen Wahlkampfauftritt in Rheinland Pfalz durchzuführen. Eine bessere Rückendeckung könnte es für die Wormser CDU im Hinblick auf die Stadtratswahl also gar nicht geben. Über ihre daraus ableitenden Ziele haben wir uns mit den Spitzenkandidaten Adolf Kessel, Klaus Karlin und Petra Graen unterhalten.
WO! Sogar die Kanzlerin kommt zur Unterstützung nach Worms. Wie haben Sie das denn geschafft?
ADOLF KESSEL: Dass sich die Kanzlerin und Bundesvorsitzende der CDU für Worms entschied, um hier ihre deutschlandweite Abschlusskundgebung zur Europawahl zu veranstalten, ist in erster Linie unserem direkt gewählten Bundestagsabgeordneten Jan Metzler zu verdanken. Das außerordentliche Wahlergebnis „unseres Jan“ hat bis nach Berlin große Beachtung gefunden.
WO! Seit Sie beinahe „unplanmäßig“ OB geworden wären, hat sich der aktuelle Amtsinhaber noch ein Stück weit mehr zum Sonnenkönig gewandelt und sich nur wenige Freunde gemacht. Wann ist die CDU denn endlich zur „Machtübernahme“ bereit? Lautet das Ziel diesmal „stärkste Partei im Wormser Stadtrat“? Beim letzten Mal lagen Sie 5% hinter der SPD…
KLAUS KARLIN: Der Wähler hat 2011 den Oberbürgermeister für die Stadt bestimmt und die Bürgerinnen und Bürger, aber auch die Fraktionen im Rat der Stadt müssen mit diesem demokratischen Ergebnis leben, ob sie nun darüber begeistert sind oder nicht. Sie erhalten aber 2019 wieder die Gelegenheit, endlich eine Änderung für Worms zu erreichen. Die CDU war und ist in Worms bereit, auch die höchste Verantwortung zu übernehmen und will daher wieder stärkste Fraktion im Stadtrat werden.
WO! Hauptthema des Wahlkampfes wird die Debatte um das „Haus am Dom“ sein, das immerhin 12.000 Wormser ablehnen. Würden Sie dieses Bauprojekt im Sinne einer positiven Stadtentwicklung begrüßen? Wie stark wird das Thema Ihrer Meinung nach den Ausgang der Wahl beeinflussen?
PETRA GRAEN: Das „Haus am Dom“ ist insofern kein Thema des Wahlkampfs, da es nicht Sache der Politik ist, über dieses Bauvorhaben zu befinden. Die verantwortungsbewusst denkenden und handelnden Bürger und Parteien haben dies mittlerweile verstanden. Als Wormser kann ich, wie die meisten unserer Mitbürger, mit der aktuellen Gestaltung des geplanten Gemeindehauses leben. Die Lehre, die wir alle aus dieser Debatte ziehen müssen, lautet: früher, offener und sorgsamer derartige Veränderungen zu diskutieren.
WO! Den Shitstorm der Wähler im Zuge der „Haus am Dom“-Debatte dürfte wohl eher die SPD abbekommen, weil sich die Wut vieler Wähler auf den OB konzentriert. Dabei sitzt die CDU im gleichen Boot. Hat sich der Stadtrat mit den Stimmen von Rot-Schwarz am 2. April vor einer Entscheidung hinsichtlich des Bürgerbegehrens gedrückt, weil man einen Denkzettel bei der Kommunalwahl befürchtet hat?
KLAUS KARLIN: Verschoben wurde die Abstimmung aus Respekt vor der Demokratie, dem Rechtsstaat und der zu erwartenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Die Unzulässigkeit hat das Verwaltungsgericht jetzt auch auf Antrag der BI auf Seite 4 des Beschlusses festgestellt: „Selbst wenn der Bürgerentscheid durchgeführt und im Sinne der Antragsteller (Bürgerinitiative) ausgehen würde, könnte und dürfte dies auf das Baugenehmigungsverfahren keinen Einfluss haben.“ Da ein Bürgerentscheid nur zulässig ist, soweit er Rechtswirkung entfalten kann, ist er hier nicht zulässig. Für die Union wäre es wesentlich einfacher, die Populismuswelle mit zureiten, statt Verantwortung für die ganze Stadt zu übernehmen.
WO! Da es vielen Wählern oftmals schwer fällt, in Worms zwischen der CDU und der SPD zu unterscheiden, können Sie mir sicherlich fünf konkrete Punkte bzw. Themen nennen, die Ihrer Meinung nach den Unterschied zwischen den beiden Großen ausmachen…
ADOLF KESSEL: Viele wichtige Themen gehen nur mit breiter Mehrheit. In einzelnen Sachfragen gibt es aber immer unterschiedliche Meinungen.
- Die neue Schulsporthalle des Eleonoren Gymnasiums soll – wie von den Schülern, der Elternvertretung und der Schulleitung gefordert – am Standort der alten Halle errichtet werden.
- Mit dem Bau der Sporthallen für die Westend Realschule Plus und das Eleonoren Gymnasium hängt auch der Fortbestand der städtischen Anzuchtgärtnerei zusammen. Die Aufträge lassen sich problemlos und kostengünstiger bei privaten Gärtnereien umsetzen. Damit kann das Gelände der Anzuchtgärtnerei für andere Zwecke genutzt werden.
- Die Weiterführung der Krankenhaustangente zur B 47 neu wird in den kommenden Jahren aus städtischen Mitteln nicht zu finanzieren sein. Nach dem Anschluss der B 47 neu an die B 9 wird die Erforderlichkeit dieses Teiles des sogenannten äußeren Ringes erneut zu prüfen sein.
- In der Bewirtschaftung der städtischen Gebäude sind durch ein aufgabenorientierte Zusammenlegungen einzelner Bereiche im Konzern Stadt, einschließlich seiner Töchter, erhebliche Einsparungen zu erzielen.
- Wir brauchen mehr Personal in den Bereichen Bildung sowie Sicherheit und Ordnung, um durch frühzeitige Intervention die Folgekosten zu verringern. Das benötigte Personal soll durch Umstrukturierung und nicht durch zusätzliche Neueinstellungen generiert werden.
WO! Was ist das dringendste Problem, das Sie gerne in nächster Zeit in Worms anpacken wollen?
PETRA GRAEN: Unser dringendstes Problem ist die Überschuldung unseres Haushalts. Jeder private Haushalt hätte längst Insolvenz anmelden müssen. Der Löwenanteil unserer Ausgaben fließt in die Sozialleistungen und Personalkosten. Hier werden wir jeden Euro zweimal umdrehen, das fängt beim kostenlosen Mittagessen für die Ganztagsschüler an und hört bei der Nachbesetzung von freiwerdenden Stellen in der Verwaltung auf.
WO! In unserer April-Ausgabe haben die Spitzenkandidaten der kleinen Parteien im Stadtrat Ihrer Partei und der SPD vorgeworfen, sinnlos Geld aus dem Rathausfenster zu werfen. Wie wollen Sie denn die exorbitante Stadtverschuldung konkret in den Griff bekommen, ohne auf Mogelpackungen wie den Kommunalen Entschuldungsfonds zurückgreifen zu müssen?
KLAUS KARLIN: Die kleinen Parteien haben wohl wegen der Komplexität des Gesamthaushaltes bislang vornehm darauf verzichtet, Einsparvorschläge für den Haushalt zu unterbreiten. Eine Veränderung wird nur langfristig erfolgen können. Zunächst durch eigene Einsparungen im Sinne struktureller Veränderungen des Verwaltungsaufbaus und der Verwaltungsstruktur. Das aber ist ohne den Oberbürgermeister aufgrund der rheinlandpfälzischen Kommunalverfassung nicht umsetzbar. Der mit Abstand größte Haushaltsposten stellt sich im Bereich der Sozialleistungen. Hier müssen die Ausgaben umgeschichtet werden in Ausgaben, die dafür Sorge tragen, künftige Transferleistungen durch verstärkte Bildung, Ausbildung und Unterstützung auf diesem Weg zu verhindern. Letztlich bedarf es auch der Erkenntnis der Bürgerinnen und Bürger, dass jede von der Stadt abgeforderte Leistung letztlich durch die Bürgerinnen und Bürger auch bezahlt werden muss. Die Stärkung der Eigenverantwortung, wie in den Vereinen und Organisationen erfolgt, ist daher in verstärktem Maße gefordert.
WO! Ein Vorwurf an SPD und CDU lautet, dass man sich – trotz leerer Kassen – nach der letzten Kommunalwahl im Zuge der „Koalitionsverhandlungen“ einen zusätzlichen Dezernenten gegönnt hatte. Welches Geschenk würde denn diesmal auf Ihre Wähler warten?
PETRA GRAEN: Natürlich ist jeder zusätzliche Dezernent mit weiteren Kosten verbunden, aber hoffentlich auch mit mehr Effizienz in seinem Verantwortungsbereich. Die Bürger sollten die Dezernenten und ihre Bereiche an den geplanten und tatsächlichen Einsparungen messen. Hier brauchen wir dringend mehr Transparenz. Geschenke, und seien es noch so kleine Nebenjobs bei der Stadt oder einer ihrer Beteiligungen, wird es mit uns nicht geben.
WO! Sie haben massive Kritik an der Landes-SPD geübt, u.a. stammt das Zitat von Ihnen: „Die Verurteilung von Ex-Finanzminister Deubel ist eine Verurteilung der ganzen SPD-Bosse.“ Wenn in Rheinland Pfalz die Zeichen auf Ablösung der rot-grünen Regierung stehen, wie offen wären Sie in Worms tatsächlich für andere Mehrheiten – z. B. wenn rein rechnerisch eine Jamaika-Koalition möglich wäre?
ADOLF KESSEL: Bei der Kommunalwahl ist es wie bei jeder anderen Wahl: wenn das Ergebnis feststeht, wird geschaut, mit wem was geht. Dann werden Gespräche mit allen möglichen Partnern geführt – die NPD und die Linken scheiden für uns als mögliche Partner aus. Bei den Gesprächen geht es ausschließlich um Sachfragen. Wir werden eine Zusammenarbeit mit denjenigen vereinbaren, bei denen sich die größten inhaltlichen Übereinstimmungen ergeben.
WO! Abschließend die Frage an alle Drei (mit der Bitte um eine kurze Antwort/„ein Satz“):
„Was sagen Sie Wählern, die befürchten, wenn sie schwarz wählen, erhalten sie am Ende doch nur rot? Warum sollte man unbedingt die CDU wählen?“
Es geht in Worms nicht darum, sich als schwarz zu profilieren, es geht uns immer um das Wohl unserer Stadt und da sind die Entscheidungsspielräume häufig eng begrenzt und Kompromisse unumgänglich. Unsere Ziele für die nächsten Jahre in drei Schlagworten: ehrlich. sorgsam. gemeinsam. Soll heißen: wir sagen den Bürgern offen, was geht und was nicht. Wir respektieren ihre Anliegen und unsere knappen Ressourcen und jeder muss mit anpacken, um sich wohl zu fühlen.
Das Gespräch führte: Frank Fischer