Folgt ab Mitte Februar der Mega-Lockdown?
„Uns ist das Ding entglitten!“ wurde Merkel kürzlich nach einer internen Corona Krisensitzung zitiert. Streng genommen hatte man die Sache nie im Griff. Die erste Welle im Frühjahr 2020 verlief nur deshalb so glimpflich, weil uns allen das milde Wetter zu Hilfe kam. Im Herbst hat die Regierung dagegen gnadenlos versagt und das Leben vieler älterer Menschen auf dem Gewissen. Ausgerechnet diejenigen, die am Lautesten vor der zweiten Welle gewarnt hatten, waren selbst am Wenigsten darauf vorbereitet.
Dabei sollte sich doch nach der ersten Welle die Erkenntnis durchgesetzt haben, dass Covid-19 vor allem für Risikopatienten und ältere Leute eine lebensbedrohliche Gefahr darstellt. Umso größer war die Überraschung, als man nun feststellen musste, dass vier von fünf Toten im Zusammenhang mit Covid-19 aus Altenheimen oder Pflegeeinrichtungen stammten. Boris Palmer (Grüne) kritisierte kürzlich Bund und Länder dafür, dass sie viel zu spät Tests in Altenheimen verpflichtend angeordnet hätten. Ausgerechnet Tübingens Oberbürgermeister, der aufgrund seiner unkonventionellen Herangehensweise im Laufe der Corona-Pandemie gerne mal in die Ecke der Verschwörer geschoben wurde, scheint ziemlich viel richtig gemacht zu haben. Denn Tübingen gehört zu einer Handvoll Städte in Deutschland, deren Inzidenzwert in den letzten Wochen dauerhaft unter 50 lag. Bereits Anfang September wurden dort flächendeckende, kostenlose Schnelltests für Angehörige, Betreuer oder Besucher von Senioren sowie regelmäßige Tests für das Personal in Alten- und Pflegeheimen eingeführt. Als die Corona Fallzahlen Ende November stiegen, wurde zusätzlich ein Arztmobil mit Personal des DRK und freiwilligen Helfern eingesetzt. Dieses fuhr dreimal in der Woche nach Tübingen und einmal ins benachbarte Rottenburg, um täglich ca. 100 Leute kostenlos zu testen, in Spitzenzeiten waren es bis zu 1.000 pro Tag. Die Schnelltests bieten den Vorteil, dass das Ergebnis innerhalb weniger Minuten da ist und kosteten das DRK in Tübingen 4,65 Euro netto pro Test. Finanziert wurden die Tests über Spenden aus der Bevölkerung und der Wirtschaft – unterstützt von der Lokalpresse. Wenn man bedenkt, wie viel Coronahilfen der Staat zahlen musste, sind das geradezu lächerliche Summen, die man in Tübingen investiert hat, um die ältere Bevölkerung zu schützen. Während aber bundesweit zum Schutz von Altenheimen und Pflegeeinrichtungen – oder auch um Luftfilteranlagen in Schulen einzubauen – kein Geld da war, leistet sich der Staat stattdessen einen eigentlich als letztes Mittel vorgesehenen Lockdown, der jede Woche drei bis fünf Milliarden Euro kostet, aber nun auch schon wieder dreieinhalb Monate andauert. Eine weitere Verlängerung am 15.02. scheint bereits beschlossene Sache zu sein. Wir sollten hierbei nicht vergessen, dass wir uns mitten im Winter befinden, der Jahreszeit, in der man besonders anfällig ist für virale Erkältungskrankheiten wie die Grippe oder durch Corona-Viren hervorgerufene Infektionen. Es hierbei auf einen Inzidenzwert von 50 zu schaffen, ist ein schwieriges Unterfangen. Hätte man vor einem Jahr jemandem erzählt, dass die Bürger zwischen 21.30 Uhr und 5 Uhr ihr Haus nicht mehr verlassen dürfen, wenn sich innerhalb von sieben Tagen mehr als 50 von 100.000 Personen eines Landkreises mit einem Virus infizieren, wäre man ausgelacht worden. Heute ist das längst akzeptierte Normalität. Das Einzige, was sich aber wirklich geändert hat, ist unsere Wahrnehmung. Haben wir zuvor die zum Leben nun mal dazugehörenden Risiken toleriert, findet seit Corona eine besondere Sensibilisierung auf dieses eine Phänomen statt, als gebe es nichts anderes mehr. Wir haben in Deutschland jedes Jahr um die 950.000 Sterbefälle, die bis dato kein öffentlich thematisiertes Problem darstellten. Seit Corona allerdings fangen viele Menschen an, das Sterben nicht mehr zu akzeptieren und wollen jedes Leben retten. Dabei lag, wie der SPIEGEL Ende Januar feststellte, im Jahr 2020 keine Übersterblichkeit vor. Es gibt also nicht mehr Tote als in früheren Jahren, nur eine andere Wahrnehmung.
WOLLT IHR DEN TOTALEN LOCKDOWN?
Aus epidemiologischer Sicht besteht derzeit Grund zum Optimismus. Die Fallzahlen sinken rapide, der R-Wert liegt mit 0,85 im grünen Bereich. Der 7-Tage-Inzidenzwert lag in Worms am 31.01. bei 100,5, bundesweit bei 90,9. Wären da nicht die immer noch viel zu hohen Sterbezahlen, die eine direkte Folge des Versagens der Politik sind, vor allem ältere, hochbetagte Menschen zu schützen. Erst mit Wochen Verspätung hat man gehandelt, als das Virus bereits in Altenheimen ein und ausging. Das Krisenmanagement unserer Regierung hat aber in den letzten Monaten nicht nur einmal versagt. Angefangen bei der um drei Monate verspäteten Zurverfügungstellung von FFP2-Masken für Risikopatienten und es endet bei der mangelhaften Impfstoffbeschaffung, die uns alle um Monate zurückwirft. Für diese Fehler blechen müssen die Bürger, die mit Einschränkungen leben müssen, und die Wirtschaft, die langsam dahinsiecht. Und jetzt will die selbe Regierung einen Mega-Lockdown managen, bei dem es gilt, die für die Grundversorgung relevanten Wirtschaftszweige am Leben zu halten und den Rest der Republik ins Home-Office zu schicken? Das Vertrauen in die Arbeit der Regierungsvertreter ist nach den Pleiten und Pannen der letzten Monate so langsam erschöpft. Man möchte ihnen zurufen: „Macht es nicht noch schlimmer!!“