Aufgrund der aktuellen sportlichen Situation wird der Vorstand von Wormatia Worms in der Winterpause in sich gehen müssen. Will man nach der Hauruckmethode den drohenden Abstieg noch verhindern und investiert noch einmal kräftig in mehr Qualität, so wie von Trainer Boysen gefordert? Oder sortiert man gnadenlos seine vermeintlichen Stars aus, baut ein neues, hungriges Team auf und plant bereits für die Oberliga? Denn mit der derzeitigen Punkteausbeute wird es verdammt schwer, in dieser Saison den Abstieg noch zu verhindern.
Sträßer, Baljak, Müller – so hießen die Hoffnungsträger vor der Saison. Stark, Wölk, Akcam – so heißen die aktuellen Stützen bei der Wormatia. Wie die Zeiten sich doch ändern können und mit ihnen auch die Ansprüche, die im Laufe der letzten Wochen doch erheblich nach unten geschraubt wurden. Während man am Anfang der Saison noch mit dieser unheimlichen Serie an Unentschieden hintereinander gehadert hat, wäre man aktuell mit dem einen oder anderen Pünktchen, getreu der Eichhörnchen-Methode, gar nicht unzufrieden. Wenigstens scheint die Mannschaft mittlerweile erkannt zu haben, dass es im Abstiegskampf keine Schönheitspreise zu gewinnen gibt und man nur mit Engagement da unten raus kommt. Schon bei der 0:1-Niederlage in Ulm, aber vor allem eine Woche später beim 1:1 gegen Sonnenhof-Großaspach war ein anderer Geist in der Mannschaft spürbar, als Boysen alle mit einer mutigen Aufstellung überraschte und sich Spieler wie Jabiri, Müller, Baljak, Oppermann oder Bauer auf der Ersatzbank wiederfanden. Nach vier Niederlagen in Folge (inklusive Pokalausscheiden) musste Boysen handeln und sortierte die aus, die nicht bereit waren, genug für den Verein zu leisten. Übrig geblieben waren – zur Überraschung vieler – Spieler wie Gopko, Wölk (als Regisseur) oder Akcam, der als vorderste Spitze endlich auf der richtigen Position spielt. Dass die Mischung wider Erwarten besser zu stimmen scheint, als noch vor ein paar Wochen, liegt auch an dem bereits vergessen geglaubten Neuzugang aus der zweiten Mannschaft, Marco Stark, dem man vor zwei Jahren die Regionalligatauglichkeit abgesprochen hat und der nun zurecht dafür gefeiert wird, dass er der Defensive mehr Sicherheit gegeben hat und als lautstarker Leader das Team führt; eine Rolle, die eigentlich Kapitän Carsten Sträßer hätte ausfüllen sollen. Zudem durfte mit Björn Weisenborn ein junges Talent mit einem unbekümmerten Auftritt für Furore sorgen, er hat sich aber leider direkt bei seinem Debüt gegen Sonnenhof-Großaspach verletzt. Auch die Rückkehr des zuvor verletzten El Hammouchi auf der rechten Abwehrseite macht sich positiv bemerkbar, auf dessen Seite Gopko seitdem viel befreiter aufspielt. Schade nur, dass es nach dem Punktgewinn gegen den Dritten Großaspach anschließend eine deutliche, wenn auch in dieser Höhe vollkommen unverdiente 0:4-Pleite bei Mainz 05 II gegeben hat. Auch dort hatte konnte man eine engagierte, über weite Strecken disziplinierte Leistung sehen, bis zur 70. Minute gab es sogar ein deutliches Chancenplus für den VFR. Das nützt aber wenig, wenn man vorne nicht die Hütte trifft und der Gegner seine einzigen Chancen im Stile einer Spitzenmannschaft eiskalt ausnutzt. Aber auch das kennt man ja zur Genüge: Steht man erstmal unten drin, verliert man eben auch solche Spiele…
Ernüchternde Hinrundenbilanz
Gleichzeitig war diese deftige Auswärtsniederlage in Mainz symptomatisch für den bisherigen Rundenverlauf, und es macht nach wie vor ein wenig sprachlos, wo der hoch gehandelte VfR Wormatia nach Abschluss der Vorrunde gelandet ist. Platz 16 mit einer dürftigen Punkteausbeute (12 Pkt.), das entspricht 0,7 Punkten pro Spiel, bei gerade mal einem Sieg aus 17 Spielen. Und selbst über diesen einen Dreier, dieses erbärmliche 3:2 gegen den SC Pfullendorf mit all seinen Begleiterscheinungen, möchte man am liebsten ebenfalls den Mantel des Schweigens hüllen. Ansonsten ist und bleibt das die Bilanz eines mehr als akut abstiegsgefährdeten Teams, das schon eine sensationelle Rückrunde mit mindestens 27 – 28 Punkten (so viel wie der jetzige Überraschungssiebte Neckarelz) hinlegen müsste, um dem Abstieg noch zu entrinnen. Wer mag in der derzeitigen Situation tatsächlich daran glauben? Zu ernüchternd waren die Auftritte in den letzten Wochen. Seit dem Rücktritt von Stefan Emmerling nach dem 11. Spieltag hat die Mannschaft in den folgenden sieben Spielen nicht nur das Pokal-Aus in Waldalgesheim verschuldet, sondern alle Ligaspiele sang- und klanglos verloren (Ausnahme: 1:1 gegen Großaspach am 16. Spieltag). Da in der Regionalliga Südwest in der Saison 2013/2014 mindestens zwei, vermutlich jedoch bis zu fünf Teams absteigen, wäre die Wormatia ziemlich sicher mit dabei, denn zum rettenden 13. Platz, wo kein geringerer als der Vorjahresmeister Hessen Kassel platziert ist, beträgt der Abstand bereits sieben Punkte. Direkt davor stehen Kickers Offenbach, Waldhof Mannheim und TUS Koblenz – genau mit diesen Teams wird sich Wormatia Worms um den Ligaverbleib duellieren müssen. Das sind nun wahrlich keine rosigen Aussichten. Vergeigt man außerdem noch die beiden letzten Spiele im alten Jahr – zuhause gegen Kickers Offenbach und bei Eintracht Frankfurt II. – kann man in der Winterpause getrost bereits für die Oberliga planen.
Das Abstiegsgespenst vor Augen
Wenn man sich dann etwas eingehender mit dem Gedanken eines drohenden Abstieges beschäftigt, wird sich auch die sportliche Leitung eingestehen müssen, dass das Experiment „Stefan Emmerling baut eine von ihm zusammengestellte Spitzenmannschaft“ aller Voraussicht nach mit einem krachenden Totalschaden enden wird, der einen heftigen Aufprall in der Oberliga Rheinland-Pfalz-Saar zur Folge haben könnte. Den Nostalgikern, die sich auf Spiele gegen Borussia Neunkirchen oder TSG Pfeddersheim freuen, sei der Hinweis gestattet, dass auch Hertha Wiesbach, SpVgg. Burgbrohl oder SV Mehring dieser nun wahrlich nicht attraktiven Liga angehören. Bei einem Verbleib in der Regionalliga Südwest – egal wie, mit Klassenerhalt durch Lizenzentzug eines Ligakonkurrenten kennt man sich ja bestens aus – winken in der nächsten Saison Gegner wie die Stuttgarter Kickers oder der 1. FC Saarbrücken (beide aktuell auf einem Abstiegsplatz in der 3. Liga), während von unten SC Hauenstein, FK Pirmasens oder Arminia Ludwigshafen nach oben drängen. Wenn dann noch mutmaßlich Teams wie Pfullendorf (zurzeit 18.), Baunatal (17.) oder Ulm (15.), die die weiteste Anreise für die Wormatia bedeuten, absteigen würden, hätte man in der nächsten Saison fast ausschließlich Derbys vor der Brust. Dafür lohnt es sich doch eigentlich in der Liga zu bleiben. Nur, wie man das schaffen will, darauf weiß im Moment keiner eine Antwort. Vielleicht formiert sich in der Winterpause, wenn die Arbeit von Hans-Jürgen Boysen, der offensichtlich einen überschätzten Kader übernommen hat, erst so richtig beginnt, ein neues „Team im Team“ – offensichtlich fernab der als Leitwölfe verpflichteten Neuzugänge, die man eigentlich in der Stammelf erwartet hätte. Trotzdem käme der Klassenerhalt, aufgrund der bisher kargen Ausbeute, einem Wunder gleich.