Seit Juli haben wir in Worms einen neuen Oberbürgermeister. Ich höre Sie deshalb schon wieder zu Tausenden fragen: „Sagen Sie mal, Herr Bims, wie beurteilen Sie denn die ersten 100 Tage Kessel?“
100 Tage Kessel! Na, wenn das kein Grund zum Feiern ist, impliziert dies doch gleichzeitig „100 Tage ohne Kissel“.
Wie die meisten meiner aufmerksamen Leser längst wissen, wurde sein Vorgänger Kissel durch ein Amtsenthebungsverfahren vom 18.11.2018 von den Wählern aus seinem Amt entfernt, kurz nachdem sein Antrag auf „OB auf Lebenszeit“ abgelehnt worden war. Nach 100 Tagen Kessel sollten zwischenzeitlich alle Freudentränen, Krokodiltränen als auch die echten Tränen der Trauer in der Verwaltung getrocknet sein. Während aber so mancher Kissel-Günstling noch ein bisschen daran zu knabbern hat, lässt es sich unser Ex-OB richtig gut gehen. Mallorca, Andalusien, Berlin – Facebook sei Dank können seine Fans weiterhin auf dem Laufenden bleiben, auch wenn sein Gesicht nicht mehr inflationär in den Wormser Presseorganen auftaucht. Sein Nachfolger mit „e“ ist nicht ganz so kamerasüchtig und verzichtet sogar auf das Tragen eines Accessoires, das an Kissel unverzichtbar erschien. Der neue OB trägt nämlich keinen Heiligenschein. Weder bei Stadtratssitzungen, noch im Büro oder bei öffentlichen Terminen. Der zweite gravierende Unterschied zieht einem schon beim Betreten des OB-Zimmers förmlich in den Riechkolben. Man riecht nämlich: NICHTS. Bei Kissel hat es im Büro nach Rauch gestunken wie im Schluckspecht morgens um halb vier. Von daher war die Ozonbehandlung von Kissels Räucherbude dringend notwendig. Kessel musste sogar von einer Fachfirma in stundenlanger Kleinarbeit das Nikotin von den Wänden abkratzen lassen. Erst dann hat man festgestellt, dass die Holzverkleidung im OB-Zimmer gar nicht grau, sondern braun ist. Wie Kissels Vorgänger Gernot Fischer zwischenzeitlich bestätigt hat, soll dies wohl auch bis 2003 so gewesen sein. Zudem soll Kessel vor Amtsantritt noch einmal eine sibirische Schamanin durch den Raum gejagt haben, um auch wirklich alle bösen Geister zu vertreiben. Sicher ist sicher. Immerhin die Kantine konnte die Schamanin aussparen, denn die hat sein Vorgänger sowieso nie von innen gesehen. Getreu dem Motto „Ein König speist doch nicht mit dem Fußvolk“ hat sich Kissel per Live-Cooking direkt am Bürotisch bewirten lassen.
Worms wird digital und autofrei
Es ist ja schon allerhand passiert in den 100 Tagen Kessel. So schreitet z.B. die Digitalisierung der Stadtverwaltung mit großen Schritten voran. Im ersten Schritt sollen sukzessive alle veralteten Triumph-Schreibmaschinen übergangsweise durch Commodore 64 (mit 8-Bit-Heimcomputer und 64 KB Arbeitsspeicher) ersetzt werden. Im zweiten Schritt denkt man sogar über die Einführung einer Neuerung nach, die sich „Internet“ nennt. Vorher müssen jedoch in dem Gebäude, das seit 1764 nicht mehr saniert wurde, die technischen Voraussetzungen geschaffen werden. Bei Probebohrungen unter dem Gebäude der Stadtverwaltung hat man zwar Leitungen gefunden, allerdings waren diese noch mit „Deutsche Reichspost“ beschriftet. Von daher wäre es sinnvoll, dass unser Mann im Bundestag, Jan Metzler, direkt bei Angela Merkel Informationen einholt, was es mit diesem „Neuland“ auf sich hat. Vermutlich sollte man sowieso erst noch ein paar Jährchen warten, ob sich dieses Internet überhaupt flächendeckend durchsetzt. Bis dahin müssen die Wormser halt weiterhin ihr Auto direkt auf der KfZ-Stelle abmelden. Ich sage bewusst „abmelden“. Da die Stadt jetzt Ernst macht mit ihrem Mobilitätskonzept, braucht man zukünftig sowieso kein Auto mehr. Ermutigt von dem deutschlandweit einmaligen Pilotprojekt „Autofreies Parken in der Koehlstraße“, das aufgrund des großen Erfolgs bereits mehrfach verlängert wurde, überlegt man derzeit, ob man nicht auch andere Parkhäuser der Stadt in autofreie Zonen umwandelt. Ziel ist es, natürlich, den Autoverkehr aus den Parkhäusern rauszuhalten. Im Parkhaus am Dom, das konsequenterweise nur noch „Haus am Dom“ heißen müsste, klappt das doch prima.
Bewerbende gesucht
Jetzt aber mal im Ernst: Wenn man schon an dem Bau eines schnöden Parkhauses schier verzweifelt, wie will man dann all die schönen Radwege bauen? Der Stadtrat kann auch gerne den Bau eines zweiten Doms beschließen, diesmal sogar mit freiem Blick. Solange aber die Bauverwaltung nicht die Kapazitäten besitzt, um all die gewünschten Bauprojekte umzusetzen, passiert auch weiterhin: NICHTS. Man findet ja noch nicht einmal geeignete Bewerbende (so die korrekte genderneutrale Bezeichnung) für den kommunalen Vollzugsdienst. Egal, ob männlich, weiblich oder divers. Ich frage mich dagegen: Was ist, wenn sich wirklich jemand Diverses als Knöllchenmacher bewirbt? Müssen dann in der Stadtverwaltung auch Unisex- Toiletten gebaut werden, obwohl es noch nicht einmal eine Behindertentoilette im Rathaus gibt? Sie merken schon, was da für ein Schwanz dran hängt. Also nicht an dem/der Diversen selbst, sondern an der Sache an sich. Das ist gar nicht so einfach, jemanden zu finden, der sich unter die Knechtschaft der Stadt Worms stellt. „Danke Kissel!“ kann man da nur sagen.
Bis zum nächsten Mal,
Ihr Bert Bims