In diesem Jahr haben es die Vorhaben rund um das Andreasquartier bereits mehrfach in unser Magazin geschafft und das sicherlich nicht ohne Grund. Es scheint mittlerweile so etwas wie das Prestigeprojekt der Wormser GroKo aus SPD und CDU zu sein, aus dem Areal zwischen Wormser Dom und Hochstift das touristische Zentrum für Worms zu machen. Aus diesem Grund lud man unlängst den rheinland-pfälzischen Innenminister Roger Lewentz an den Ort des Geschehens.
Mehr Tourismus bringt mehr Geld
Bereits im Worms-Plan, der sozusagen der GroKo als Konzeptpapier dient, ist der ehrgeizige Plan festgeschrieben, aus dem historischen Gelände rund um den Weckerlingplatz einen touristischen Ankerpunkt von Worms zu machen. Ziel ist es, jährlich zahllose Touristen dazu zu bewegen, dass diese nicht nur ihr Herz in Worms verlieren, sondern auch ihr Geld in der Stadt lassen. Lange Zeit wurde der Tourismus in Worms eher stiefmütterlich behandelt und man begnügte sich mit Bustouristen, die zu Fuß durch zwei Jahrtausende wandelten, ehe sie zwei Stunden später wieder die nächste Stadt anvisierten. Spätestens mit dem Tourismuskonzept 4.0 hat man die wirtschaftliche Bedeutung dieser Sparte entdeckt. Erste Schritte sind gemacht. Um die Nibelungen den Wormsern und den Besuchern auch visuell begreifbar zu machen, entsteht derzeit an der Rheinpromenade Kriemhilds Rosengarten, der von dem Künstler Eichfelder entwickelt wurde. Insgesamt werden dort 224 Rosenstöcke gepflanzt, für die man gegen eine Spende (ab einem Betrag von 50 Euro) eine Patenschaft übernehmen konnte. Zwischenzeitlich ist es gelungen, allen Rosen einen Paten zu vermitteln. Bereits im Mai 2021 soll das Rosenlabyrinth begehbar sein und erste Blüten ihren Duft versprühen. Im Anschluss daran soll unterhalb des Hagendenkmals eine Nibelungenschatzinstallation entstehen. Konzept und Zeitplan stehen noch aus. Finanziert werden die beiden Projekte in erster Linie durch eine Fördersumme (150.000 Euro), die man im Rahmen des Wettbewerbs „Tourismus im Profil“ gewann. Herzstück des neuen Erlebnis-Worms soll jedoch das besagte Andreasquartier sein. Verknüpft ist die Hoffnung nach mehr touristischem Profil sowohl mit der Luther-Ausstellung im kommenden Jahr, als auch mit der Bewerbung als SchUMStadt in die begehrte Liste der Weltkulturerben der UNESCO aufgenommen zu werden. Anfang des Jahres wurde die gemeinsame Bewerbung mit Mainz und Trier bei der UNESCO eingereicht. Im Laufe der kommenden Jahre sollen sukzessiv mehrere Projekte durch private, aber auch öffentliche Hand auf dem Areal umgesetzt werden.
Eine Konzeptvergabe soll es richten
Im Kommunalwahlkampf herrschte zwischen SPD und CDU noch Uneinigkeit bezüglich der Zukunft des ehemaligen Gesundheitsamtes. Während die SPD an dem ursprünglichen Plan festhielt, dort die neue Stadtverwaltung anzusiedeln, hatte die CDU bereits anderes im Sinn. Im Schatten des mühseligen Bauprozesses rund um das Parkhaus am Dom argumentierte man, dass ein städtisches Bauvorhaben womöglich ebenso finanziell aus den Rudern laufen könnte und forcierte von Anfang eine Nutzung des Geländes für den Neubau eines Hotels oder Wohnhauses. Nach der Wahl und dem Beschluss, die Zusammenarbeit der beiden größten Fraktionen im Stadtrat auch in der neuen Legislaturperiode fortzusetzen, waren die Rathaus II Pläne schnell weg vom Tisch und ein Ideenwettbewerb wurde Ende 2019 geboren. Nachdem dieser im Laufe der folgenden Monate keine Erwähnung mehr fand und Baudezernent Uwe Franz auf Nachfrage unseres Magazins im Juli erklärte, dass dieser abhängig sei von der UNESCO-Bewerbung, tauchte er schon kurz danach, Anfang September, auf der Tagesordnung der Stadtratssitzung ganz unvermittelt wieder auf, allerdings unter neuem Namen. Eine sogenannte Konzeptvergabe soll nun den Weg ebnen. Auf nochmalige Nachfrage beim Dezernenten erklärte uns Franz, dass er derzeit in das Projekt nicht involviert sei und die Entscheidung, dies in die Sitzung einzubringen, aus dem Büro des Oberbürgermeisters kam. Im Rahmen dieser Vergabe möchte man das Gelände an einen Investor verkaufen. Der Clou ist jedoch, dass nicht der Verkaufspreis entscheidend sein soll, sondern die Qualität des eingereichten Konzepts. Über die Qualität bestimmen soll eine Jury, in der laut Sitzungsvorlage beispielhaft Vertreter der Politik, der beteiligten Fachämter/bereiche sitzen, sowie mindestens drei Fachleute, die als unabhängige Stadtplaner oder Architekten beratend tätig sind. Verwundert über die plötzliche Eile bemerkte KATHARINA SCHMITT (Bündnis 90/Die Grünen) in der Sitzung, dass es keinen Grund gäbe, jetzt überhastet zu verkaufen und stellte die Frage: „Wem gehört die Stadt morgen?“ TIMO HORST (SPD) entgegnete, dass man sich durchaus am Ende der Konzeptvergabe dazu entscheiden könne, dass keine der eingereichten Ideen der Vorstellung entspreche, also man das Gelände nicht veräußere. Auch MATHIAS ENGLERT (FWG/ Bürgerforum Worms) zeigte sich irritiert darüber, dass zwar über jeden „Pippifax“ gesprochen würde, dieses wichtige Thema allerdings zuvor keine Erwähnung im Bauausschuss fand. CHRISTIAN ENGELKE (Bündnis 90/Die Grünen) verwies kurz vor der Abstimmung darauf, dass, entgegen Horsts Aussage, der Beschlussantrag sehr wohl einen Verkauf vorsehe. Dort heißt es: „Nach Durchführung dieser Konzeptvergabe sollen die Grundstücke an den Bieter mit dem erfolgversprechendsten Konzept zur Umsetzung des selbigen veräußert werden.“ Es dürfte wohl schwierig sein, einen Wettbewerb auszuloben, um am Ende den Bewerbern die lange Nase zu zeigen. Was das Areal überhaupt wert ist, wurde bisher von der Stadtverwaltung noch nicht ermittelt. Klar ist, dass bei einem Verkauf die Stadt Geld an das Land zurücküberweisen muss, welches sie für die Entwicklung des „Rathaus II“ bereits bekam. In Summen bedeutet das 390.000 Euro sowie Zinsen von rund 65.000 Euro. Eine Interessensbekundung gibt es bereits, wenn auch nur mündlich. Bei dem besagten Treffen mit Roger Lewentz, zu dem auch die Presse geladen war, erklärte der Rechtsanwalt und Investor Tim Brauer, dem auch das Gebäude der Stadtverwaltung am Adenauerring gehört, dass er sich um den Erwerb des Grundstücks bemühen werde.
Neues Leben auf dem Valckenberggelände
Mit dem Kauf des Valckenbergareals hat TIM BRAUER bereits im zukünftigen touristischen Zentrum Fuß gefasst. Wie bekannt ist, hat er in diesem Jahr den Kaufvertrag unterzeichnet und das Gelände von der Familie Steifensand erworben. Beim Rundgang mit dem Innenminister führte der neue Eigentümer die Gäste auch in den sogenannten Elefantenkeller, einer riesigen Anlage mehrerer Weinkeller unterhalb des Weckerlingplatzes. Für die Öffentlichkeit ist er seit Jahren gesperrt. Der Unternehmer kann sich aber vorstellen, diesen wieder nutzbar zu machen. Tatsächlich ist der Keller ein historisches Kleinod und soll der größte Weinkeller in Rheinhessen sein. Wüsste man nicht um den Standort Worms, könnte man glatt denken, man sei an einem Drehort zu „Der Name der Rose“. Für die Öffentlichkeit zugänglich soll auch das überirdische Valckenberg-Areal gemacht werden. Brauer erzählte in der Runde, dass im Innenhof, der zuvor vom Weinladen Borgnolo in den warmen Monaten genutzt wurde, eine Bar, eine Eis-Filiale sowie eine Kaffeerösterei einziehen sollen. Außerdem ist ein „Kultur-Shop“ geplant und im ersten Obergeschoss Räume, die für Pop Up- Kulturveranstaltungen genutzt werden könnten. Im Innenhof sind Konzerte geplant. Kein Geheimnis ist, dass dort auch Wohnungen entstehen sollen. Spannend wird sein, wie sich die beiden Konzepte miteinander vertragen. Filippo Borgnolo, der an dieser Stelle den Weinladen Borgnolo betrieb, machte zumindest immer wieder die Erfahrung, dass Nachbarschaft und Konzerte keine guten Partner sind. Die ersten Läden sollen bereits passend zur Ausstellungseröffnung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“ ihre Türen öffnen.
Was wird aus dem Andreasstift?
Der Rundgang mit dem Landespolitiker führte auch in das Andreasstift, in dem immer noch fleißig gewerkelt wird, denn natürlich soll bis zum 17. April, wenn die Stadt zur großen Landesausstellung einlädt, alles fertig sein. Die spannende Frage wird aber sein, wie es danach weiter geht? Aus Geldmangel entschied der Stadtrat bereits im vergangenen Jahr, dass die beiden oberen Stockwerke aktuell nicht saniert werden können und man somit nicht mehr zur klassischen Dauerausstellung zurückkehren könne. Diese Aussage gefiel nicht jedem. Dr. Mathilde Grünewald, die 32 Jahre lang das Museum leitete, warf der Stadt einen verächtlichen Umgang mit den historischen Kostbarkeiten der Stadt vor. Auch der Altertumsverein äußerte seinen Unmut. Ein bedeutender Teil der Ausstellung ist eine Leihgabe des Vereins. In den 1920er Jahren hatte man die Sammlungen der Stadt übertragen und 1928 im Vertrag hierzu formuliert, dass diese sich verpflichte, das Museum seiner Bedeutung gemäß zu betreiben. Ende Juli 2020 teilte der Altertumsverein in einer Erklärung mit: „Worms benötigt dringend ein Museum, das allen Interessierten die gesamte Geschichte der Stadt in einer Dauerausstellung auf dem aktuellen wissenschaftlichen Stand in ansprechender Form nahebringt.“ Weiter heißt es: „Es müssen daher die baulichen Voraussetzungen geschaffen werden, dass das gesamte Gebäude des Andreasstifts für die Dauerausstellung genutzt werden kann.“ Beim Abschlussgespräch mit Lewentz nutzte der ehemalige Vorsitzende des Vereins, Dr. Josef Mattes, die Gelegenheit und machte auf die ungeklärte Situation aufmerksam.
Roger Lewentz und das Geldgeschenk
Das Geld, um das gesamte Andreasstift wieder fit für die Zukunft zu machen und dem Traum vom touristischen Zentrum näher zu kommen, könnte letztlich aus der Kasse des Städtebauförderprogramms kommen. Das Gesamtvolumen des von der Stadt erstellten Maßnahmenkatalogs beläuft sich auf rund 14 Millionen Euro, die Förderquote beträgt bei solchen Städtebauförderprogrammen üblicherweise 90 Prozent über einen Zeitraum von zwölf Jahren. ROGER LEWENTZ hatte ganz in diesem Sinne dann auch Positives zu verkünden und erklärte, dass die Stadt mit rund zehn Millionen Euro rechnen könne. Um ein Startsignal für das Projekt touristisches Zentrum zu ermöglichen, habe er auch schon mal 1,1 Millionen Euro dabei. „Ich wäre nicht gekommen, wenn ich da Bedenken hätte“, ergänzte er und fügte hinzu, dass die Stadt noch ihre Hausaufgaben machen müsse, also geforderte Unterlagen mit den Konzepten einreichen. Am Ende des Gesprächs unkte er noch: „In zehn Jahren sollte es auch fertig sein, wir verlängern das nicht gerne.“