Es ist in diesen Tagen nicht einfach, Schüler zu sein. Masken tragen im Unterricht, Abstand auf dem Pausenhof und überfüllte Schulbusse machen den täglichen Besuch in der Schule zu einer kleinen Herausforderung. Auch Eltern fühlen sich in Anbetracht immer neuer Corona Fälle, die an Wormser Schulen auftauchen, verunsichert.

Paula ist 14 Jahre alt und geht eigentlich gerne in die Schule. Sie geht seit Sommer in die achte Klasse des Rudi-Stephan-Gymnasiums. Doch seit dieser Zeit ist einiges anders für sie und die rund 3.000 jungen Menschen in Worms, die Grund- oder Weiterführende Schulen besuchen. Maskentragen auf dem Schulgelände und im Unterricht, sowie das ständige Lüften im Klassensaal gehören zwischenzeitlich zum alltäglichen Bild. Auch wenn Paula Verständnis für die Maßnahmen hat, entdeckt sie immer wieder Widersprüche, die Fragen aufwerfen. So fragt sie sich, wie Kontaktbeschränkungen zur Reduzierung der Fallzahlen funktionieren sollen, wenn zahlreiche Schüler morgens und nachmittags dicht gedrängt im Bus stehen oder im Klassensaal sitzen, zwar mit Maske aber ohne Mindestabstand. Ähnliches lässt sich vor den Schulen beobachten, wenn junge Menschen sich ohne Maske freudig begrüßen. Kann das gut sein? Wäre es nicht besser, vom Präsenzunterricht abzulassen und wieder wie im Frühjahr Homeschooling zu betreiben? Ist es nicht möglich, mehr Busse zu organisieren, um das Schüleraufkommen zu entzerren und die Klassen zu teilen?

HOMESCHOOLING: VIELE LEHRER, VIELE KONZEPTE
Gefragt nach ihren Erfahrungen im Frühjahr, erzählt Paula, dass sie sich gewünscht hätte, dass die Lehrer sich auf ein einheitliches System geeinigt hätten. Eine Hürde: Dokumente wurden zuweilen verschickt, ohne dass sie am Computer bearbeitet werden konnten. Copy Shop, ausfüllen, abfotografieren, wieder hochladen und wegschicken waren tägliche Arbeitsschritte im heimatlichen Unterricht. Da es keine verbindlichen Anleitungen zum Unterricht zu Hause gab, wurde die Zeit des Homeschooling auch für Lehrer zu einer Zeit des Experimentierens. So entschied sich ein junger Lehrer der Dalberg-Grundschule zu einem Unterricht per Livestream auf einem YouTube-Kanal. Timo Horst, Fraktionsvorsitzender der Stadtratsfraktion und Chemielehrer an der Karl-Hoffmann-Schule, konnte wiederum auf eine Kooperation mit den Chemieunternehmen Grace und Röhm zurückgreifen. Die statteten seine Klasse mit Tablets aus, sodass alle auf dem technisch gleichen Stand waren. Dennoch äußert sich Timo Horst WO! kritisch gegenüber einer erneuten flächendeckenden Schließung von Schulen. Im Gespräch verweist er darauf, dass laut einer bundesweiten Studie Schulen eine eher untergeordnete Rolle im Infektionsgeschehen spielen. In dieser wurden Daten von 116.000 Schülern erhoben. Positiv getestet wurden lediglich 612.

MEHR AHA-L-REGELN SOLLEN ES RICHTEN
Zwar werden in Worms derzeit immer wieder Schüler positiv getestet und Klassen in Quarantäne geschickt, dennoch sind es aktuell eher Einzelfälle, weshalb die Landesregierung weiterhin am Präsenzunterricht festhalten möchte. Horst erklärt in diesen Zusammenhang, dass bereits jetzt die Möglichkeit besteht, bei begründetem Verdacht für zwei Wochen die Klassen in den Heimunterricht zu schicken. Bund und Länder haben sich zudem Ende November auf weitere Regelungen geeinigt. Wie Kanzlerin Merkel mitteilte, sollen Schulen in Regionen mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von über 200 Fällen pro 100.000 Einwohner weitergehende Maßnahmen für die Unterrichtsgestaltung „schulspezifisch“ umsetzen. Diese sollen ab Klassenstufe acht gelten, aber nicht zwingend für Abschlussklassen. Bei der Art der Maßnahmen bleiben die Formulierungen jedoch sehr weich: Es gehe um Maßnahmen, welche „die Umsetzung der AHA-L-Regeln besser gewährleisten, beispielsweise Hybridoder Wechselunterricht“, heißt es in dem gemeinsamen Beschluss. Das „L“ steht dabei für das Lüften, eine Maßnahme, welche so manchem Schüler die Frostbeulen ins Gesicht treibt. Zwar gibt es zahlreiche Firmen, die sich zwischenzeitlich auf Luftfilter für Schulen spezialisiert haben, aber diese zusätzliche Ausstattung müsste für viel Geld aus der Stadtkasse gezahlt werden, da die Kommune für die Ausstattung der Schulen zuständig ist. Die SPD und die CDU schlugen unlängst vor, Lüftungsanlagen selbst zu bauen. Die Idee stammt vom Max-Planck-Institut und soll pro Anlage nur 100 Euro kosten. Umstritten ist wiederum der Nutzen solcher Anlagen. Eine aktuelle Studie der Technischen Hochschule besagt, dass Lüften deutlich effektiver sei.

FRIEREN FÜR DIE BILDUNG
Auch Thorsten (15) geht in das Rudi-Stephan-Gymnasium. Danach gefragt, wie es ihm mit dem Lüften geht, erklärt er, dass er das Glück hat, einen Platz weit weg vom Fenster zu haben. Er räumt aber ein, dass es bei sinkenden Temperaturen nicht immer angenehm ist, mit dicker Jacke aufmerksam zuzuhören und zu lernen. Eine dezente Entzerrung gibt es zwischenzeitlich bei den Schulbussen in Worms. So hat sich ein hessisches Busunternehmen bereit erklärt, immerhin zwei Busse zur Verfügung zu stellen. Die fahren auf den gut frequentierten Strecken zwischen dem Wormser Hauptbahnhof und Pfeddersheim bzw. Osthofen. Sollte das nicht reichen, möchte die Stadt nachsteuern. Nachsteuern, das wünschen sich die beiden Schüler auch bei der Gestaltung des Sportunterrichts. Paula hat bereits in den ersten zwei Stunden Sport. Damit die Schüler erst gar nicht in die Umkleide müssen, sollen diese in Sportkleidung in die Schule kommen. Bei aktuell 5 Grad eine wahrlich sportliche Herausforderung. Zusammen steht man anschließend mit Maske im Schulhof und übt zum Beispiel das Seilspringen, ehe es gelegentlich in der zweiten Stunde in die Sporthalle geht und man dort, selbstverständlich auch mit Masken, Badminton spielt. Während Paula und Thorsten stoisch die Regelungen aushalten, demonstrierten vor kurzem Schüler der MSS 13 des Gauß-Gymnasiums, um auf die widersprüchliche Situation aufmerksam zu machen. Sie fühlen sich von Bund und Land einem unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt und plädieren für ein Wechselsystem, um die Klassengrößen, die bis zu 30 Schüler stark sind, zu entzerren. Unterstützung erfahren sie von der Landtagsabgeordneten Stephanie Lohr (CDU), die unlängst Dr. Stefanie Hubig, Ministerin für Bildung RLP, anschrieb und dafür warb, die Bedenken ernst zu nehmen. Sollte in Worms der Inzidenzwert auf über 200 steigen, ist sowieso davon auszugehen, dass es weitere Maßnahmen gibt und damit der Hybrid-unterricht in greifbare Nähe rückt. Bei Redaktionsschluss am 26.11. lag dieser Wert bei rund 190!

Anmerkung der Redaktion: Die Namen der Schüler wurden geändert.