Nibelungenland, Festplatz to Go, Schaustellerbuden in der Fußgängerzone, ein Biergarten inmitten des Wormser Wäldchens und in Rheindürkheim. Im ersten Moment könnte man meinen, den Wormser Schaustellern ginge es mittlerweile wieder blendend. Doch das trifft nur bedingt zu. Richtig ist, es wurde für einen Teil Möglichkeiten gefunden, wieder Geld zu verdienen. Doch von Entspannung ist man weit entfernt.

Im Gespräch mit WO! erzählt René Bauer, der selbst eine Reisegastronomie führt und seit mehr als zehn Jahren Präsident des Schaustellerverbandes Worms-Wonnegau ist, dass die Situation für viele Familien nach wie vor angespannt ist. Insgesamt leben in Worms 58 Familien von den Einnahmen auf Jahrmärkten und anderen Festen. Mit dem Lockdown und dem Verbot von Großveranstaltungen kam sozusagen von heute auf morgen ein Berufsverbot. In Worms machte sich schnell Hilfe breit. Im Stadtrat verabschiedete man einen Corona-Hilfsfonds, der miteinschloss, dass die Stadtverwaltung nach Wegen sucht, wie man zumindest die finanziellen Ausfälle abfangen kann. René Bauer lobt dann auch ausdrücklich die Kooperation mit der örtlichen Politik und der Stadtverwaltung und zeigt sich gerührt von Spendenaktionen wie der des Inner Wheel Club, der 3.200 Euro sammelte. Vorwürfe erhebt er jedoch gegenüber der Bundespolitik. Bundesweit gibt es 102 Verbände, die unter dem Deutschen Schaustellerbund e.V. versammelt sind. Zwar suchte man in den vergangenen Monaten immer wieder Gespräche mit der Politik, doch die verliefen bisweilen ernüchternd. Ein Rettungsschirm für die Branche scheint nach wie vor in weiter Ferne. Albert Ritter, Vorsitzender des DS e.V., erklärte unlängst, dass die bisherigen Maßnahmen kaum helfen werden. Wichtiger sei es, den Menschen wieder Perspektiven zu geben. Bauer betont in diesem Zusammenhang, dass es nicht nur die Schausteller sind, die unter dem Verbot leiden, sondern auch zahlreiche Zulieferer, wie Getränkefirmen, Metzgereien, technische Zuarbeiter und letztlich auch die Angestellten. In normalen Zeiten beschäftigt er bei seiner Tour durch Deutschland 16 Mitarbeiter. Derzeit sind es noch zwei. Verstärkung erhalten sie in dem provisorischen Biergarten im Grünen durch Aushilfskräfte und René Bauers Sohn Jeffrey, der den Biergarten leitet. Weggebrochen sind ihm insgesamt 18 Veranstaltungen. Zwar ist die Familie mit dem Zuspruch im Wäldchen zufrieden, doch die entgangenen Einnahmen können damit nicht kompensiert werden.

Ähnlich sieht das auch die Familie Göbel. Während die Fahrgeschäfte so mancher Familie in den Lagerhallen verstaubt, hat die Schaustellerfamilie Göbel das Beste aus der Situation gemacht und betreibt mit weiteren Schaustellern seit Mitte August auf der Kisselwiese das Nibelungenland (noch bis zum 4. Oktober). Ursprünglich war von Seiten der Stadt geplant, einen „mobilen Freizeitpark“ für Wormser Schausteller zu ermöglichen. In der Umsetzung taten sich jedoch zahlreiche Hürden auf, sodass sich der Verband von der Idee zurückzog. Die Familie Göbel zeigte sich indes angetan und begann, auf eigene Rechnung zu planen. Im Gespräch mit WO! erklärt die Familie, die ihr Unternehmen mit Autoscooter aufbaute und vor allem für seine sieben Riesenräder und die Wilde Maus bekannt ist, dass man natürlich zuerst Wormser Betriebe anfragte. Da vielen das Risiko eines privaten Freizeitparks zu hoch war, sagten letztlich nur fünf Familien zu. Die restlichen Fahrgeschäfte und Gastronomen kommen aus ganz Deutschland und Holland. Gemeinsam mit der Stadt erarbeitete man ein Hygienekonzept und erhielt eine Genehmigung für 1.300 Gäste, die sich zeitgleich auf dem großen Platz bewegen dürfen. Aber auch die Familie Göbel betont, dass dies nicht ausreicht, um erfolgreich zu arbeiten, denn immerhin gilt es, 150.000 Euro Fixkosten monatlich zu stemmen. Kein Zuckerschlecken. Wichtig ist für alle die Frage, wie es mit dem Weihnachtsgeschäft aussieht? Normalerweise ist die Familie mit ihren eindrucksvollen Konstruktionen in ganz Europa unterwegs. Ob dies in diesem Jahr noch möglich ist, scheint eher fraglich. Für René Bauer ist klar, dass der Wormser Weihnachtsmarkt anders sein wird wie gewohnt. Dennoch hofft er, dass man gemeinsam mit der Stadt eine Lösung findet. Eine Frage, mit der man sich ebenfalls beschäftigt, ist die Frage nach dem Backfischfest 2021. Ein privat organisiertes Backfischfest, wie in diesem Jahr das Nibelungenland, schließt er kategorisch aus. Sollte es die Stadt nicht ausrichten können, so kann er sich vorstellen, dass der Verband einen Weg findet, das beliebte Volks- und Weinfest auszurichten. Die Familie Göbel plant derweil weitere Aktionen. Neben dem Nibelungenland haben sie aktuell ihr neuestes Zugpferd, ein elf Millionen Euro teures Riesenrad, in Bad Dürkheim aufgebaut. Normalerweise würde es im Winter wieder im Hyde Park in London stehen. Aber was ist schon normal in diesen Tagen?