Was für ein Monat! Endlich wieder Weihnachtsmarkt und die beste Fußball WM, die es jemals in der Adventszeit gab.
Liebe Leser,
Deutschland und die Binde. Während es bei vergangenen Fußballturnieren den Bomber der Nation, die Wade der Nation, den Cut der Nation oder die Schulter der Nation gab, so gibt es jetzt einfach mal die Binde der Nation. „One Love“ und es ist in diesem Fall nicht der Song von U2 gemeint. Was hat es mit diesem Ding überhaupt auf sich? Einige europäische Verbände, darunter neben Deutschland auch Frankreich, Belgien und Holland, wollten ein Zeichen gegen die Menschenrechtsverletzungen in Katar setzen. Soweit so gut. Allerdings war ursprünglich geplant, mit einer Regenbogenbinde aufzulaufen. Das war aber dann wohl doch zu heiß. Man könnte ja das gastgebende Land verhöhnen. Das Ende ist bekannt, alle Verbände knickten aufgrund von Drohungen der FIFA ein und nix war es mit den Menschenrechten am Arm. Mal ehrlich, diese ganze Sippschaft ist doch geistesgestört und besitzt überhaupt keinen moralischen Kompass mehr – angesichts einer wohl nachweislich gekauften WM in einem Land, welches sämtliche Rechte von Minderheiten mit Füßen tritt, Gastarbeiter wie Sklaven behandelt und von den acht gebauten Stadien mutmaßlich sechs nach Ende des Turniers wieder abreißt. Ein Land mit einem Botschafter, der Homosexualität als Geisteskrankheit bezeichnet, und ein FIFA Präsident, der – auf was für Drogen auch immer – irgendwas von „Today I feel gay“ faselt und wir schauen alle brav im Fernsehen zu.
SOLLTE DIESE WM BOYKOTTIERT WERDEN?
Ja, vielleicht. Aber vor Jahren schon. Seltsamer- weise gibt es aber hierzulande die seltsame Angewohnheit, alles erst zu hinterfragen und sich Gedanken zu machen, wenn das Kind schon längst in den Brunnen gefallen ist. Vielleicht ist das die wirkliche „German Angst“, eine Art „Ger- man Aussitzen“ mit Scheuklappen, die erst ab- gezogen werden, wenn es schon längst kein Zurück mehr gibt. Aber zurück zur wunderbar winterlichen Fußball WM. Es ist schon auch erstaunlich, welche Doppelmoral hier an den Tag gelegt wird. Ist es nicht der bezahlte Herrenfußball, in dem Outings erst nach Karriereende möglich sind, weil die Spieler massiv Angst vor Anfeindungen durch die Fans haben? Eben dieser europäische Fußball, der selbst mit Korruption, einer wohl immer noch nicht verschwundenen Fantasie namens Super League und Hooligans zu kämpfen hat? Ganz ehrlich, da hilft es als Fußballfan doch nur noch, sich ordentlich einen hinter die Binde zu kippen. Am allerliebsten zu dieser Jahreszeit auf dem Weihnachtsmarkt. Wo sonst hat man die beste Legitimation, um sich nach Feierabend ordentlich mit heißem Rotwein zuzulöten? Als Anwohner gibt es dort mitunter kuriose Gestalten zu sehen. Eine Beobachtung, die ich an einem Donnerstag machte, will ich hier kurz teilen:
Obermarkt Worms. Es läuft laut „By the Rivers of Babylon“ von Boney M. Klar, denke ich, absolutes Weihnachtslied, wer kennt es nicht? Da fällt mir plötzlich ein Mann auf, der in die Unterführung vom Adami Gebäude einbiegt und leicht bis mittelschwer am Schwanken ist. Die Musik hat mittlerweile zu „Last Christmas“ gewechselt, da passiert es und der werte Herr speit seinen zuvor teuer gekauften und nachweislich roten Glühwein gegen die weiße Wand des Gebäudes. So schrecklich ist Wham jetzt auch nicht, dachte ich mir so und wagte einen Blick auf die Uhr. Es war 19:37 Uhr. Eine typische Uhrzeit, um sich als Wormser mal so richtig die Lichter auszuschießen.
DIE NIBELUNGEN HÄTTEN DAS SCHLIESSLICH AUCH SO GEMACHT AN WEIHNACHTEN…
Wer kennt nicht die Geschichte von Gunter, Ger- not und Giselher, wie sie – voll wie ein Eimer – einfach mal gegen den Dom gekübelt haben (Die ätzenden Spuren sind bis heute im Sandstein sichtbar). Auch das Ding mit Siegfried war ja schließlich ein Jagdunfall und wie wir wissen, ist bei den meisten Unfällen dieser Art Alkohol mit im Spiel. Aber was solls, nicht aufregen, schließlich hatten wir bestimmt alle mal einen in der Krone. In Worms hängt man übrigens Kronen nicht mehr hoch in die Luft, sondern stellt sie seit neustem auf den Boden. Auf Augenhöhe sozusagen und schon wird daraus „Kunst am Weihnachtsmarkt“. Hoffen wir mal, dass sie weder geklaut noch vollgekübelt werden.
Illustration: Maurice Fischer