Wenn traditionell ein paar Tage vor der Premiere, zumeist dienstags, zur Medienprobe bei den Nibelungen Festspielen gerufen wird, versäumen es die Regisseure, egal ob sie nun Dieter Wedel, Gil Mehmert oder aktuell Thomas Schadt heißen, nicht, noch einmal explizit darauf hinzuweisen, dass dies nur ein „halbfertiges“ Stück sei. Bis zur Premiere würden sicherlich noch einige Änderungen vorgenommen. als Medienprofi weiß man zwar mittlerweile, dass in den wenigen Tagen danach in den seltensten Fällen noch etwas Gravierendes geändert wurde. aber trotzdem respektieren wir den Wunsch, erst über die Premiere zu rezensieren und nicht über die Medienprobe, dient diese doch in erster Linie dazu, Fotos anzufertigen. Dabei war die Verlockung diesmal besonders groß, da die Medienprobe exakt einen Tag vor Druckabgabe unserer Augustausgabe stattfand.
Auch wenn sich dramaturgisch womöglich noch etwas ändert, kann man ein paar Dinge schon als unumstößlich einstufen. Die Kostüme sind wirklich allesamt großartig ausgefallen, das Bühnenbild sieht mit den beiden gewaltigen Türmen sehr imposant aus. Hier sind nicht nur die fünf Musiker von Panzerballet untergebracht (der Schlagzeuger in einer schalldichten Kabine), die mal mit martialischen Riffs, mal dezent das Bühnengeschehen musikalisch untermalen. Im Laufe des Abends offenbaren die Türme noch weitere Möglichkeiten. So findet zum Beispiel auf einer Brücke, die beide Türme verbindet, der große Streit der Königinnen statt. Eine der zweifelllos besten Szenen des Stücks.
Etwas enttäuschend war das Lichtdesign, da war man in Sachen Ausleuchtung des Domes in den letzten Jahren Besseres gewohnt. Das bemängelten übrigens auch einige Fotografen, deren Bilder speziell im zweiten Teil etwas zu dunkel gerieten. Gut in das Geschehen fügten sich im ersten Teil die von Choreograph Ted Stoffer angeleiteten Tänzer ein, die eine erzählerische Funktion übernehmen, wenn sie im Rückblick Ortlieb tänzerisch erzählen, was sich damals am Hof der Burgunder zugetragen hat. Das war auf jeden Fall eine neue Idee in der bisherigen Nibelungengeschichte, die zu gefallen weiß, auch wenn es von meinem persönlichen Empfinden her durchaus etwas weniger Tanz hätte sein können. Überhaupt kann man sich aus künstlerischer Sicht auf ein Stück einstellen, das mit vielen neuen Ideen aufwartet, von denen die meisten zünden, wenngleich auch nicht alle. Ortlieb ist der Junge von Kriemhild und Etzel und wird von einer Frau gespielt. Eine gänzlich neue Rolle bekommt Hagen, der als schwarzer Ritter zuvor bei Ortlieb erscheint und hierbei rein optisch Batman verdammt ähnlich sieht – inklusive Batmobil. Und wer tatsächlich die Befürchtung hatte, das Gemetzel auf dem Plakat würde auch zu selbigem auf der Bühne ausarten, kann aufatmen. Das Gemetzel spielt sich vor allem mit Worten ab. In einer mit geschliffenen Dialogen bestückten Aufführung sind es vor allem die Schauspieler, die zu überzeugen wissen. Hierbei übernehmen sicherlich Kriemhild (Judith Rosmair) und Brunhild (Catrin Striebeck) die prägnantesten Rollen. Auch Hagen darf fies und böse sein, was sein Darsteller Max Urlacher bestens ausnutzt. Auch Alina Levshin weiß als Ortlieb zu überzeugen.
Was jedoch eine ausführliche Rezension zu „Gemetzel“ angeht, verweise ich gerne auf unsere September-Ausgabe, in der unser Kulturexperte Dennis Dirigo seine Meinung zu den diesjährigen Nibelungen abgibt. Fest steht: Die von dem neuen Intendanten Nico Hofmann versprochene „Qualität“ war durchaus zu erkennen, auch wenn „Gemetzel“ nicht die beste Aufführung in der Geschichte der Festspiele war, aber zweifelsohne zu den besseren Inszenierungen in den letzten 14 Jahren gehört. Im Übrigen schüttete es in der zweiten Hälfte bei der Medienprobe dauerhaft vom Himmel herab. Merkwürdig an der Sache war nur, dass es pünktlich zum Ende des Stückes schlagartig aufhörte zu regnen. Ob der Regen zur Dramaturgie des Stückes dazu gehörte und die Techniker der Festspiele den Regen danach einfach abgestellt haben, wird sich allerdings erst bei der Premiere zeigen.