Gedenkminute, Geldspenden und kein roter Teppich für „Luther“

Es waren keine einfachen Zeiten, in denen die Festspiele 2021 stattfanden. Zunächst erschwerten Corona und die Politik eine dezidierte Planung der Festspiele. Der Wille war zwar da, aber die Vorgaben stellten – in Verbindung mit wirtschaftlichen Aspekten – die Verantwortlichen hinter den Kulissen vor große Herausforderungen (wir berichteten). Zunächst mit 500 Zuschauern geplant, kam wenige Tage vor Beginn der Festspiele von der Landesregierung die Genehmigung, 700 Gäste empfangen zu dürfen.

Nur mit den 3 G’s zu den Festspielen
Zugang zum Gelände gab es allerdings nur unter Berücksichtigung der drei G’s – geimpft, genesen oder getestet. Zudem gab es die Auflage, dass die Besucher auch unter sternenklarem Himmel sowohl im Heylshofpark als auch bis zum Beginn des Stückes nicht „oben ohne“ sein durften. Netterweise durfte zumindest zum Genuss eines Getränkes oder eines Imbisses auf einem festen Sitzplatz diese Maske abgenommen werden. Als wäre Corona noch nicht genug, wirkte sich zudem das Wetter negativ auf die Festspiele aus. Wie sehr, sollte allerdings erst kurz vor der Premiere klar werden. Zunächst hatte das Team mit anhaltend schlechtem Wetter in Worms zu kämpfen, wodurch Proben auf der Bühne und in den Kulissen vorm Dom buchstäblich ins Wasser fielen. Die wichtige Medienprobe, die zwei Tage vor der Premiere stattfindet und bei der Fotografen aus ganz Deutschland die entscheidenden Bilder machen, sowie Journalisten ein erster Eindruck vom Stück vermittelt wird, wurde einen Tag zuvor abgesagt. Das hatte zur Folge, dass das Ensemble lediglich am Donnerstag vor der Premiere das Stück erstmals in einem Rutsch durchspielen konnte, und das buchstäblich. Zudem wurden die Arbeiten erschwert durch kleinere Verletzungen, die der rutschigen Bühne geschuldet waren, weshalb die Schauspielerin JULJANKE EICHEL (Prinzessin Elisabeth) bei der Premiere an der rechten Hand eine Fingerschiene trug.

Eine Katastrophe und ihre Auswirkungen auf die Festspiele
Doch nicht nur das Wetter vor Ort wirkte sich auf die Festspiele aus. Die Hochwasserkatastrophe in der Eifel hinterließ auch im rund zweihundert Kilometer entfernten Worms ihre Spuren. Nachdem klar war, dass die schweren Unwetter im Westen von Rheinland-Pfalz zahlreiche Menschenleben forderten und am Donnerstagabend die Rede davon war, dass rund 1.300 Menschen in diesen Gebieten noch als vermisst galten, stellten sich die Verantwortlichen der Festspiele der Frage, ob es pietätlos sei, an so einem Tag eine Premiere zu feiern? Ministerpräsidentin MALU DREYER, die auf der Gästeliste stand, reiste bereits am Donnerstag in das Katastrophengebiet und sagte dementsprechend ihr Kommen ab. Wie Nibelungen-Festspiele Geschäftsführer SASCHA KAISER im Gespräch mit WO! verriet, folgten an diesem Tag mehrere Gespräche mit der Landesregierung. Die Zeichen aus Mainz waren eindeutig. Die in Vertretung für die Landesregierung angereiste KATHARINA BINZ (Ministerin für Familie, Frauen, Kultur und Integration) erklärte am Abend der Uraufführung, dass es nicht nur für Worms, sondern auch für das Land wichtig sei, die Premiere durchzuführen: „Weil auch die Kultur einen Neustart braucht und ein Signal, dass es bald anders wird.“ Ohnehin stand bereits im Vorfeld fest, dass die diesjährige Premiere – im Angesicht der eingangs geschilderten Situation– deutlich bescheidener ausfallen würde.

Kein roter Teppich und ein Imbiss statt Buffet
Einen roten Teppich gab es genauso wenig wie ein üppig dekadentes Buffet, an dem sich dicht an dicht die Besucher drängen. Stattdessen war das Motto des Abends gepflegtes Understatement. Versiegelt im luftdichten Glas wurden kleinere Häppchen angeboten und Getreidestangen gereicht. Gegen den Hunger danach gab es schließlich zweierlei Wraps. Prominenz suchte man, entsprechend den äußeren Umständen, eher vergeblich. Wo kein roter Teppich mit Blitzlichtgewitter ist, gab es dementsprechend auch weniger Glamour, sodass die Premiere einen gewissen familiären Charakter hatte. Man kannte sich, man plauderte, trank einen Schluck Wein in der Wormser Vinothek, die erstmals bei den Festspielen vertreten war, und diskutierte über das Stück, dass nach drei Stunden (inklusive Pause) zahlreiche Premierengäste ratlos in die laue Sommernacht entließ. Zu den bekanntesten Gästen an diesem Abend gehörte der Wormser Schauspieler ANDRÉ EISERMANN („Schlafes Bruder“), der bereits in den 90er Jahren zu den treibenden Motoren der zukünftigen Festspiele gehörte. Ebenfalls in Worms geboren ist die kürzlich verrentete Nachrichtenmoderatorin PETRA GERSTER, die gemeinsam mit ihrem ZDF-Kollegen, dem „Heute-Journal“ Moderator CHRISTIAN SIEVERS, zu den bekannteren Premierengästen gehörte. Als Förderer der Festspiele reiste auch der politisch engagierte, ebenfalls in Worms geborene Unternehmer HARALD CHRIST von Berlin zu den Festspielen. Im Anschluss an das Stück mischten sich schließlich noch Darsteller wie JÜRGEN TARRACH und SUNNYI MELLES unter die Gäste und verliehen der Premiere zu guter Letzt noch einen Hauch von Glamour.

Hauptsponsoren stellen Geld für Katastrophengebiete zu Verfügung
Es war eine Nachricht, die Oberbürgermeister ADOLF KESSEL nur allzu gerne kurz vor Beginn des Stückes den Gästen im Heylshof mitteilte. Noch im Laufe des Freitags beschlossen vier Hauptsponsoren der Festspiele, mit einem ordentlichen Geldbetrag in den Katastrophengebieten zu helfen. Insgesamt spendeten die Unternehmen Renolit, TST, EWR und die Timbra Group satte 275.000 Euro. Zugleich war es der Startschuss für eine großangelegte Spendenaktion, die die Stadt Worms ins Leben rief. In seiner Ansprache rief Kessel zudem zu einer Gedenkminute auf und betonte: „Wir stehen an der Seite der Betroffenen und möchten unser deutliches Mitgefühl äußern.“

Ein Wormser wird zum Publikumsliebling beim Autorenwettbewerb
Einen Tag nach der Uraufführung des Stückes „Luther“, verfasst von dem renommierten Autor Lukas Bärfuss, stand der Abend im Wormser Theater ganz im Zeichen des Autorennachwuchses. Im Autorenwettbewerb schrieben sich fünf jungen Autorinnen und Autoren in das Finale und warben um die Gunst der Jury und des Publikums. Letztere durften einen mit zweitausend Euro dotierten Publikumspreis verleihen. Gestiftet wurde die Summe vom Freundes- und Förderkreis der Nibelungen-Festspiele e. V. Dieser ging erstmals an einen Wormser. Gemeinsam mit PHYLLIS KOEHLER verfasste ANDREAS HARTMANN, der auch zu den Begründern der Theater Gruppe Theater Curiosum gehört, das Stück „Das Quarzglimmern des Herzens“. Darin blickt das Autorenduo, das sich kurz „Kim Gattl“ nennt, auf den geheimen Staat der Nibelungen, der von Siegfried ausgelöscht wird, und erzählen von dem steten Verfall einer alten, magischen Welt. Der mit 10.000 Euro dotierte Hauptpreis ging an den Berliner MARCUS-PETER TESCH und sein Buch „Versuch, ein Stück über die Nibelungen (nicht) zu schreiben“. Das Stück wird im kommenden Jahr aufgeführt. Insgesamt nahmen 43 Autoren an dem Wettbewerb teil.