Ein Satz aus der Inszenierung der diesjährigen Nibelungen-Festspiele in Worms, der wie ein babbisches Gutzje an mir hängen geblieben ist. Worte, die perfekt zu dem Bild passen, das ich derzeit über Europa habe. Denn es läuft politisch, wirtschaftlich und ja, auch zwischenmenschlich, gerade eine ganze Menge schief.
Mit Händen und Füßen habe ich mich gewehrt, über das Flüchtlingsdrama zu schreiben. Das machen schon so viele andere und es existieren Texte, die sind so grandios, dem ist nichts weiter hinzuzufügen. Wie beispielsweise der vom Spiegel Redakteur Stefan Berg: SEID ENDLICH STILL. Ein Beitrag, der all das genau beschreibt, was ich empfinde. Vom Anfang bis zum Ende. Darüber, wie es 1989 war, als die Mauer fiel. Als der Osten mit dem Westen eins wurde. Keiner der Wessis hatte in die Kamera geblafft, „Die kommen ins Schlaraffenland“. Ganz im Gegenteil. Die Nachbarn wurden mit offenen Armen empfangen. Zuvor durchlief ich einen Fremdschäm-Modus auf allen Kanälen der Nachrichten. Mich stimmte alles sehr traurig und mein Kopfkino hört nicht auf, darüber nachzudenken, wie man diesen schlichten Bürgern nahelegen könnte, Menschen in Not mit Respekt und Liebe zu begegnen. Ja, ich verstehe Befürchtungen und Ängste und nein, es werden sicher nicht alle kerzengerade und wohlerzogen sein. Auch dort wird es schwarze Schafe geben wie bei uns und JA! es werden sich ein paar Dinge ändern. Das ist doch wunderbar. Das Leben ist ein Wandel und wir alle werden uns ein Stück weiter entwickeln können. Werden einmal mehr beweisen können, dass es kein Europa sein muss, das uns vereint, sondern dass es unsere Herzen sind. Diese Kinder auf den Booten könnten unsere Kinder sein. Die Männer und Frauen, Geschwister, Onkel, Tanten. Warum Platz und Energie schaffen für das Pack, das sich in den letzten 50 Jahren so gut wie selbst abgeschafft hat? Es ist beschämend, wie sich Menschen auf den Straßen und vor allem in den gängigen Netzwerken zur Flüchtlings- und Asylpolitik äußern. Die Einzige, die wie so oft schweigt, ist und war einmal mehr unsere Bundeskanzlerin. Bis kurz vor Redaktionsschluss war auch Frau Merkel so freundlich, sich doch noch zum Thema Flüchtlingshass kritisch zu äußern. Bis dahin dominierten Headlines wie „Schweiger spricht und Merkel schweigt“ oder „Das Schweigen der Merkel“. „Verdrehte Welt, in der Schauspieler mehr Verantwortung übernehmen als Kanzlerinnen“. Ihr schlossen sich einen Tag später De Maiziere & Co. an. Mutti hat gesprochen, wir können jetzt auch was sagen. Ach ja. Egal welche Zeitungen wir aufschlagen, welches Programm wir einschalten, auf welche Website in den sozialen Portalen wir uns einloggen. Das Thema schreit uns förmlich mitten ins Gesicht. Ich hätte mich über so viel empören wollen, aber ich ließ es. Bis in einer schlaflosen Mondnacht, in der ich durchs Netz surfte. Überall die gleiche Thematik. Stets klug und sehr sarkastisch von Micky Beisenherz: „Oh, du bist aber schön braun geworden!“ „Ich habe eine Woche Urlaub in Facebook gemacht.“ Shortcuts mit Volker Pispers und seinen bösen Geschichten zum Kapitalismus. Auf dem Weg zur Wormser Zeitung, da ich neugierig war, wie unsere Wormatia gespielt hatte, stieß ich auf einen Artikel mit der eigenartigen Überschrift „Allein im Juli seien rund 4.000 Flüchtlinge gekommen“. „Die Dummschule“ (Lieblingswort vom CvD) und „Lufdbumbe“ (mein Lieblingsschimpfwort), die sich hier äußerten, waren offensichtlich Schulverweigerer. Ein Bullshit stand da!?! Gelaber wie: „Meine Frau lass ich nicht mehr alleine draußen rum laufen!“ „Da ist schon einer zuviel“ waren noch die harmlosen Varianten. Auf vorsichtige Nachfrage, wo sich denn der Administrator (Verwalter) der Website befände, tat sich – Nichts. Bis auf ein paar User, die wohl meiner Meinung waren. Nun gut, es war ja auch mitten in der Nacht. Auch am nächsten Vormittag war der braune Dreck dort noch zu lesen. Gar nix war entfernt. Nicht ein Wort! Ein Freibrief für die Penner, die ihren Müll bei der Tageszeitung der Nibelungenstadt abgeladen hatten. Beim Telefonat mit dem Chefredakteur der WZ und dem zuständigen Online-Redakteur wurde klar: Die Netiquette, hinter der die Verlagsgruppe Rhein Main steht, greift hier nicht ein. Es macht auch keinen Sinn, sich weiter aufzuregen. Auch wenn ich deren Gerede von Meinungsfreiheit verstehe, kann ich überhaupt nicht nachvollziehen, wie sich ein solches Unternehmen von widerwärtigen, rechtsextremen Deppen benutzen lässt. Die nette Einladung des CvD´s der WZ, „darüber was zu bringen“, hatte ich direkt abgelehnt. Danke, sehr nett! Darum kümmere ich mich lieber selbst. Danach tat ich, was ich tun musste. Ich löschte meinen Beitrag bei Facebook. Genug der Aufmerksamkeit für diese miese Schwarmintelligenz ohne Hauptschulabschluss.
Zurück zu den vielen anderen, tollen Menschen, die ganz aktiv an das Thema Flüchtlinge herangehen. Klamotten, Schuhe, Hygieneartikel, Kinderspielsachen, Decken, eben all das was man selbst zuviel hat, wird gesammelt und aufgeteilt, um es den Menschen zu schenken, die es wirklich dringend benötigen. Mit diesem Zusammenhalt, mit der Solidarität und Humanität für die, die uns jetzt wirklich brauchen, schaffen wir es spielend leicht, über all das Negative hinweg zu gehen. Können das dumme, kranke Gerede von einem Bruchteil der Gesellschaft lässig zur Seite zu schieben und denen die Hand reichen, die uns heute wirklich brauchen. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere der vergesslichen Menschen wie es war – 1989. Vielleicht sehen Sie sich dann lachen und spüren die Freude über die Freiheit in ihrem Herzen noch mal. Dann wäre uns allen schon geholfen. In diesem Sinne.
Love the one you´re with,
Eure NA,EVE!