Anfang des Jahres war das Corona-Virus noch für viele Deutsche weit entfernt, doch dann ging alles ganz schnell. Am 13. März berichtete Oberbürgermeister Adolf Kessel über den ersten Fall in Worms. Kurz darauf, am 23. März, begann ein bundesweiter Lockdown, der nahezu das gesamte Leben zum Stillstand brachte. Lediglich sogenannte systemrelevante Leistungen durften noch erbracht werden. Die Folgen sind vor allem für den unterbrochenen, empfindlichen Wirtschaftskreislauf dramatisch und werden uns noch lange begleiten, auch in Worms. WO! sprach mit drei Akteuren aus der Wirtschaftswelt: Steffen Jost, Geschäftsführer des Modehauses Jost, Kai Hornuf, Geschäftsführer Stadtmarketing Worms e.V. und Michael Dieterich, Geschäftsführer Getränkehandel Gegros.

Es war nicht überraschend, als die Wirtschaftsweisen, der Sachverständigenrat für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland, exakt drei Monate nach Beginn der gesellschaftlichen Zwangspause prognostizierte, dass die deutsche Wirtschaft stärker als befürchtet Schaden nehmen wird. Das Land erlebe „voraussichtlich den stärksten Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität seit Bestehen der Bundesrepublik“, verkündeten sie und forderten gleichzeitig den Bund dazu auf, eine „expansive Finanzpolitik zu betreiben“. Besonders düster sind die Perspektiven für den Einzelhandel, der noch immer unter den Maßnahmen leidet. Laut einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertag gehen ein Drittel der Einzelhändler davon aus, dass sich die Lage erst im Laufe des kommenden Jahres normalisieren wird. 46 Prozent gaben an, dass der Umsatz um mehr als 50 Prozent eingebrochen ist. Dramatische Zahlen. Hinzu kommt, dass viele Warenhäuser volle Lager mit bezahlter Ware haben. Steffen Jost erklärt: „Anfang des Jahres haben wir uns auf den Frühjahrsverkauf vorbereitet und entsprechend Ware eingekauft. Dann kam der Lockdown, der erst am 4. Mai für uns endete. Diese Wochen sind nun verloren und können nicht mehr aufgeholt werden, während die Lager immer noch voll sind.“ Einen Internetverkauf sieht er nicht als Lösung: „Unsere Stärke ist die Beratung vor Ort. Für Betriebe wie uns kann der Internetverkauf lediglich ein kleines Zusatzgeschäft sein, da wir ganz andere Betriebskosten haben“, erklärt der Firmenchef des Familienunternehmens, das bereits seit 1892 die neuesten Modetrends an Kunden verkauft. In seinen fünf Filialen beschäftigt der Geschäftsmann rund 300 Mitarbeiter. Für die hatte der Lockdown Konsequenzen.

Maskenpflicht und weniger Geld
Um das Überleben des Traditionsunternehmens zu sichern, musste er alle Mitarbeiter in Kurzarbeit schicken, da von einem auf den anderen Tag alle Einnahmen entfielen. Zwischenzeitlich arbeiten alle wieder normal. Auch für viele Mitglieder des Stadtmarketing Worms entwickelt sich das Coronavirus zu einer ernstzunehmenden Gefahr. Weniger aus gesundheitlichen Aspekten, vielmehr in Bezug auf wirtschaftliche Perspektiven. Kai Hornuf, der nicht nur seit 2013 Geschäftsführer des Stadtmarketing ist, sondern auch Geschäftsführer der Wormser Vinothek, bestätigte im Gespräch, dass es vielen Mitgliedern nicht besonders gut gehe. 230 Mitglieder hat der Verein, viele davon Wormser Betriebe, Geschäfte und Gastronomen, die beklagen, dass die Kunden ausbleiben und damit die Umsätze einbrechen. Die Gründe, warum das so ist, liegen für Kai Hornuf auf der Hand. Er mag zwar über den gesundheitlichen Nutzen nicht diskutieren, erklärt aber, dass die Mund-Nase-Schutz-Pflicht viele Menschen davon abhält, ausgiebig zu shoppen. Steffen Jost bestätigt dies und befürchtet, dass die Auswirkungen dieser Pflicht im Sommer noch gravierender ausfallen dürften. „Wer geht schon bei 35 Grad in ein Kaufhaus einkaufen?“ fragt er rhetorisch. Zwei Aspekte, die beide sehen, sind aber auch die aktuell mangelhafte finanzielle Ausstattung vieler Kunden bzw., dass viele Kunden aufgrund unsicherer Zeiten weniger Geld ausgeben. Nicht wenige Arbeitnehmer bangen derzeit um ihre Jobs. Weniger Geld ist aber auch eine unmittelbare Auswirkung des Instrumentes Kurzarbeit. Die Agentur für Arbeit Mainz informierte darüber, dass Anfang Juni in Rheinhessen bereits 8.000 Menschen in Kurzarbeit waren. Eine Zahl, die unmittelbare Auswirkungen auf den Wirtschaftskreislauf hat. Steffen Jost bemerkt außerdem ein verändertes Kaufhalten, bedingt durch veränderte Lebensabläufe. Jost erklärt: „Wir sind ein Modehaus, dass ebenfalls stark auf Geschäftsmode spezialisiert ist. Dementsprechend gehörte zu unserer Frühjahrskollektion auch Businesskleidung. Doch der Trend zu Homeoffice hat alles verändert, denn wer trägt schon einen Anzug, wenn er zu Hause am Rechner arbeitet?“ Wir wollen wissen, ob Jost und Hornuf letztlich mit den ergriffenen Maßnahmen einverstanden sind? Beide sind sich darüber einig, dass sie anfangs nicht in der Haut eines Politikers stecken wollten und man das Virus zu diesem Zeitpunkt nicht einschätzen konnte. Steffen Jost kritisiert jedoch die fehlende Differenzierung: „Ich denke, dass durch diesen kompletten Lockdown es nicht möglich war und ist, zu unterscheiden, welche Maßnahme eigentlich die richtige war, um der Pandemie entgegen zu wirken.“ Zudem kritisiert er die Exit-Strategie, insbesondere den Beschluss, Öffnungen auf 800 Quadratmetern zu begrenzen, während man in Zweibrücken die Öffnung des Outlet-Centers erlaubte. Darin sieht er ganz klar eine Wettbewerbsverzerrung.

„Ich sehe auch die menschliche Tragik“
Glück im Unglück hatte zumindest teilweise Michael Dieterich, der seit 1985 Geschäftsführer des Getränkemarkts Gegros mit seinen drei Filialen ist. „Unser Vorteil war, dass wir systemrelevant sind und so unser Geschäft auch während des Lockdowns offenhalten konnten“, erzählt er im Gespräch mit WO! Dennoch haben die Maßnahmen auch für ihn gravierende Folgen, denn die Firma bedient nicht nur Privatkonsumenten, sondern beliefert auch Veranstaltungen wie z.B. das Backfischfest, das mittlerweile abgesagt ist, aber auch Hochzeiten, die längere Zeit nicht stattfinden konnten und immer noch mit Einschränkungen leben müssen. Insgesamt musste der Getränkehändler Umsatzeinbußen von 50 Prozent hinnehmen. Michael Dieterich erklärt uns, dass es nicht nur die wegfallenden Einnahmen sind, die ihn wirtschaftlich belasten, sondern auch die Entscheidung, kurz zuvor den Fuhrpark mit neuen Kühlwagen aufgerüstet zu haben, die im Moment nicht zum Einsatz kommen. Dem Wormser geht es aber nicht nur um seine Einnahmen. „Ich sehe auch die menschliche Tragik hinter den Entscheidungen der Politik, Großveranstaltungen bis Ende Oktober abzusagen“, sagt er und ergänzt: „Natürlich habe ich zu vielen Gastronomen, Schaustellern und Veranstaltern auch eine persönliche Beziehung. Das tut mir schon weh, zu sehen, wie einzelnen die komplette Lebensgrundlage entzogen wurde“. Die Maßnahmen – wie die Soforthilfe und die Konjunkturpakete – findet er gut, allerdings fragt er sich, wie die milliardenschweren Hilfspakete jemals wieder gegenfinanziert werden? Dieterich begrüßt diesbezüglich ausdrücklich den Wormser Hilfsfonds, der vom Stadtrat verabschiedet wurde. „Ideen wie das Riesenrad am Rhein, CARantena Arena oder den Festplatz finde ich gut, allerdings werden diese von vielen Wormsern nicht angenommen. Hier würde ich mir mehr Solidarität wünschen. Gut finde ich auch, dass man den Händlern und Gastronomen die Sondernutzungsgebühr erlässt.“ Kai Hornuf begrüßt ebenfalls diese Projekte, denkt aber, dass die Verwaltung mehr Flexibilität zeigen könne, um gemeinsam originelle Konzepte ins Rollen zu bringen. Originell ist die Idee eines verkaufsoffenen Sonntags zwar nicht, dennoch würden Jost, Hornuf und Dieterich einen solchen gerne in Worms sehen, wissen aber, dass das in Rheinland-Pfalz nicht so einfach ist wie in Hessen. Prinzipiell dürfte an vier Sonntagen geöffnet werden, allerdings müssen diese anlassbezogen sein, sprich mit einer Veranstaltung oder Ähnlichem gekoppelt sein. Aber selbst, wenn ein solcher Termin steht, wird dieser regelmäßig von der Gewerkschaft und der Kirche abgelehnt. Jost kann das nicht verstehen, da parallel das Internet keine Rücksicht auf Sonntage nimmt. Ebenso würden auch Angestellte von diesen Tagen profitieren, da entweder Zuschläge gezahlt oder Ausgleichstage angeboten werden. Allerdings ist zu befürchten, dass an einem solchen Tag die Maskenpflicht weiterhin die Kauflaune dämpft. Wie es anders geht, zeigt hier ein Blick zu unseren europäischen Nachbarn. Zwar gibt es auch dort in vielen Ländern diese Auflage, aber es geht auch anders. In Frankreich und den Niederlanden gilt die Pflicht nur für öffentliche Verkehrsmittel und Museen. Ansonsten bleibt die Entscheidung den Bürgern und den Geschäftsleuten überlassen. Die Infektionszahlen steigen dennoch nicht.

Senkung der Mehrwertsteuer: ein gutes Instrument?
Wie auch immer die weiteren Lockerungen in den nächsten Wochen ausfallen werden, Jost und Hornuf befürchten, dass es im Herbst zu einer Rezession kommen wird. Bestätigt wird dies durch die Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags. Dort sieht sich jeder zehnte Einzelhändler in Deutschland von Insolvenz bedroht. Sicher sind sich die drei Männer auch, dass die Senkung der Mehrwertsteuer das nicht aufhalten wird. „Wir werden natürlich die Mehrwertsteuer an den Kunden weitergeben, allerdings dürfte das nur für wenige ein zusätzlicher Kaufanreiz sein“, sagt Steffen Jost. Auch in der Gastronomie dürfte die Senkung für den Kunden kaum eine Rolle spielen, da in der Regel abgerundete Preise verlangt werden. Eine Senkung der Preise würde bedeuten, dass man z.B. neue Karten gestalten müsste. Die Mehreinnahmen sind wiederum nur ein kleiner Tropfen, um den Verlusten der letzten Monate zu begegnen. Eine sinnvollere Lösung für Gastronomen wäre es, den geringeren Mehrwertsteuersatz auf Getränke auszuweiten. Ganz zu schweigen von Veranstaltern, Kinos, Künstlern, Schaustellern und Eventtechnikern. Wenn nichts stattfindet, nützt auch eine niedrigere Mehrwertsteuer nichts. Dementsprechend fühlen sich die Berufsgruppen von der Politik im Stich gelassen. Auch diesen Menschen möchte der städtische Hilfsfonds helfen, in dem bei Veranstaltungen, wie dem geplanten Ersatz für „Worms blüht auf“, Wormser Künstler bevorzugt engagiert werden sollen. Allerdings müssten dafür die Planungen vielleicht etwas schneller voranschreiten. Michael Dieterich kann indes bei einem Blick in die Zukunft Positives erkennen und erklärt zum Schluss unseres Gesprächs: „Ich bin optimistisch, dass es der Wirtschaft bald wieder besser geht. Die Leute sind „hungrig“ und wollen wieder unter Menschen sein.“