In wenigen Tagen ist es soweit, dann wird Worms wieder voll im Zeichen des roten X stehen und sich für zwei Wochen in eine Festspielstadt verwandeln. Wenn am 03.08. zum letzten Mal in dieser Saison Dieter Wedel auf die Bühne gebeten wird, ist es zugleich das Ende einer Ära.
Vor fast genau 13 Jahren fanden zum ersten Mal die Festspiele statt. Damals noch unter mehr oder weniger abenteuerlichen Umständen. Da es seinerzeit technische Schwierigkeiten gab, ließ der Regisseur kurz vor der Premiere seine Kontakte zum ZDF spielen und organisierte ein Tross an Technikern, die die Burgunder vor ihrem vorzeitigen Untergang retteten. Die Flaniermeile, damals in der Andreasstraße untergebracht, wirkte noch sehr improvisiert und ein Rahmenprogramm war kaum vorhanden. Mit bekannten Schauspielern wie Mario Adorf und Maria Schrader besetzt, sorgte die Aufführung für ein großes mediales Interesse. Doch von Beginn an waren die Festspiele, ob ihres enormen Etats, in der Wormser Bevölkerung nicht unumstritten. Plakate entlang der Straße zeugten von der Abneigung einzelner Anwohner wegen der immensen Lärmbelästigung, speziell im Vorfeld, als wochenlang am Originalschauplatz geprobt wurde. Nicht wenige kritisierten die enormen Ausgaben für die Spiele, gerade vor dem Hintergrund eines maroden Stadtsäckels und dem zweifelhaften Status, eine der am höchst verschuldeten Städte Deutschlands zu sein.
Auch WO!, das die Festspiele 2005 zum ersten Mal begleitete, reihte sich anfangs in die Reihen der Kritiker ein und amüsierte sich u.a. über Dieter Wedels Hang zu Darstellerinnen, deren künstlerischer Gipfel längst hinter ihnen lag. Zugegeben, das war nicht immer fair, aber immerhin unterhaltsam zu lesen. Dabei übersah das kritische Stadtmagazin, das die Stadt mit den Festspielen ein nicht zu unterschätzendes Marketinginstrument geschaffen hatte. Es ist schwer, den Wert der Festspiele in Geld aufzuwiegen, unbestreitbar ist jedoch die Tatsache, dass sie zu einem nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor für die ehemalige Arbeiterstadt geworden sind. Rund 300 Menschen sind jährlich direkt mit den Nibelungen beschäftigt. Nicht zu vergessen die Zulieferfirmen, die für die Infrastruktur der Festspiele unabdingbar sind. Auch was die Tourismusbranche betrifft, so kann die Stadt seit 2002 einen erfreulichen Anstieg an Besuchern verzeichnen, ebenso wie auch die Gastronomie von dem mittlerweile deutlich besser gewordenen Ruf profitiert. Das alles soll natürlich nicht darüber hinwegtäuschen, dass es auch 2014 noch kritische Stimmen gibt, die es wert sind, gehört zu werden.
Abseits der wirtschaftlichen Bedeutung für die Stadt möchten wir aber noch auf die eigentliche Leistung Dieter Wedels und seiner Crew aufmerksam machen. Gerade zu Beginn mussten sich die Festspiele mit dem Ruf einer elitären Veranstaltung für eine kulturaffine Minderheit auseinandersetzen. Heute zeigt sich, dass sie längst bei großen Teilen der Bevölkerung angekommen sind. Auch wenn man über die einzelnen Inszenierungen der letzten 13 Jahre aus künstlerischer Sicht aufs Trefflichste diskutieren könnte, so zeigt sich, dass es dem Team Wedel weitestgehend gelungen ist, den Spagat zwischen Unterhaltung und Anspruch zu meistern. Kein Vergleich zu den wirklich elitären Eitelkeitsdarstellungen der Bayreuther oder Salzburger Festspiele. Jedes Jahr ist eine bunt gemischte Gruppe an Zuschauern zu beobachten, die durch das prächtige Tor des Heylshof flaniert und sich für drei Stunden in die Welt der Nibelungen entführen lassen möchte. Apropos flanieren, auch das hat sich gegenüber der Anfangsjahre klar verbessert. Von der Andreasstraße ist man längst in das märchenhafte Ambiente des Heylshofparks umgezogen und verfügt damit wohl über Deutschlands schönstes Theaterfoyer, was von vielen Wormsern rege genutzt wurde – trotz des letztjährig eingeführten Obolus in Höhe von 2.- Euro.
Ganz nebenbei haben die Festspiele offensichtlich auch für den Nachwuchs eine große Strahlkraft. So entstanden im Laufe der Jahre zwei Theatergruppen, deren Entstehung unmittelbar auf den Einfluss der großen Freilichtaufführungen zurückzuführen ist. Seit 2006 gliedert sich die Theatergruppe Nibelungenhorde, die von der Sozialpädagogin Astrid Perl Haag gegründet wurde, an die Festspiele und beeindruckt jedes Jahr aufs Neue mit anspruchsvollen Inszenierungen. Ebenso entsprang die Gruppe DOMino (seit 2014 Szene 9), unter der Leitung von Christian Mayer, aus dem unmittelbaren Umfeld. Aktuell beschäftigt sich die ambitionierte Gruppe mit einer Bühneninszenierung des Klassikers von F. Scott Fitzgerald „Der große Gatsby“. Aber das ist eine andere Geschichte.
In diesem Jahr wird der deutlich düstere zweite Teil von Hebbels Nibelungen auf der Nordseite des Doms aufgeführt werden. Man darf gespannt sein, was sich die deutsche Regielegende für ihren Abgang hat einfallen lassen. Kein Spektakel solle es geben, kündigte er an – doch wie will man den apokalyptischen Untergang der Burgunder anders inszenieren? Begleiten Sie WO! auf den folgenden Seiten mit auf einen Blick hinter die Kulissen. Wir hoffen, dass Ihnen dieser kleine Ausflug Appetit auf mehr macht und Sie selbst noch eine Karte für „Born this way“ erwerben. Für die Vorstellungen an den Wochenenden sind nur noch wenige Karten erhältlich. Ab 18. Juli lohnt es sich dann, täglich am Ticketschalter nachzufragen, da oftmals kurzfristig Karten zurückgeben werden und man selbst für bereits ausverkaufte Veranstaltungen noch einen Platz ergattern kann.