22. Juli 2018 | Heylshofpark Worms:
In den letzten Wochen vor der Premiere waren die Proben für das Festspielstück „Siegfrieds Erben“ begleitet von Pech und Pannen. Auch die „Theaterbegegnungen“ standen an diesem Sonntagmorgen ein wenig in dieser Tradition. Gleich zu Beginn musste Moderator Rüdiger Suchsland den zahlreichen Zuschauern mitteilen, dass Talkgast Nico Hofmann nicht erscheinen wird. Zwar war für Ersatz gesorgt, aber eine weitere Störung ließ nicht lange auf sich warten.
Nico Hofmann ist ein gefragter Mann, weshalb es auch mal vorkommen kann, dass dieser spontan nach Los Angeles jettet, weil er sich um eine seiner zahlreichen Produktionen kümmern musste – so geschehen an diesem Sonntagmorgen. Eigentlich sollte er der erste Talkgast sein. Einen charmanten und mindestens ebenso interessanten Ersatz fand man in der Schauspielerin Ursula Strauss, die in diesem Jahr die Brünhild spielte. Gemeinsam mit ihr stellte sich der künstlerische Leiter Thomas Laue den Fragen des Moderators Suchsland, wobei Laue, der schon mehrfach bewies, dass er ebenfalls die Kunst der Moderation beherrscht, Suchsland diese Position immer wieder ein wenig streitig machte. Die Talkrunde war gerade ins Laufen gekommen, da musste man bereits mit der zweiten Störung zurechtkommen. Bestückt mit fünf neuen Glocken demonstrierte der Wormser Dom ohrenbetäubend seine akustische Macht. Kaum war das erste Glockenspiel verhallt, wusste Thomas Laue süffisant zu kommentieren: „Jetzt geht die andere los! Und dann versuchen sie sich mal am Morgen zu konzentrieren“. Eine kraftvoll geschlagene Viertelstunde hielten die Domglocken Publikum und Talkgäste auf Trab und davon ab, alles zu verstehen. Aber so ist das nun mal, wenn man Festspiele im Schatten einer katholischen Kathedrale abhält.
In der folgenden Stunde erzählten Laue und Strauss ausgiebig über weitere Schwierigkeiten, mit denen man im Laufe der letzten sechs Wochen zu kämpfen hatte. „Die Generalprobe gehörte zum Desaströsten, was ich jemals erlebt habe. Der Rhythmus lief komplett aus dem Ruder. Videos wurden kurzfristig eingefügt, die nicht funktionierten“, erklärte Laue und resümierte: „Es war wirklich schrecklich, wir haben teilweise bis 4 Uhr nachts vorm Dom gearbeitet, aber letztlich war es auch großes Glück.“ Weniger glücklich war wohl die Blinddarmentzündung des Schauspielers Felix Rech, der als Dietrich von Bern eine tragende Rolle hatte und kurz vor der Premiere ins Krankenhaus musste, um sich einer OP zu unterziehen. Auch dieser Umstand erleichterte die Probe nicht. Ursula Strauss erzählte, dass die Regieassistentin zunächst die Rolle übernahm. Da sie lediglich ein Platzhalter war, um Dialoge stichwortgerecht aufzusagen, erschwerte das die Proben ungemein. Schließlich wurde ein Ersatzspieler engagiert, Daniel Lommatzsch, der mit einem Knopf im Ohr über die Bühne dirigiert wurde. Für alle Beteiligten war es schließlich eine große Erleichterung, als Rech mitteilte, bei der Premiere wieder auf der Bühne stehen zu wollen. Und so kam es auch. Am Tag der Premiere fügte sich schließlich alles zusammen, sodass, laut Laue, das Stück an diesem Tag zum ersten Mal störungsfrei über die Bühne ging. Dazu gehörte auch eine spektakuläre Videoinstallation, die den Dom zuerst zum Zittern brachte, ehe aus dem Mauerwerk drei Fratzen hervortraten. Die einzige Irritation hierbei war, dass die Schauspieler nicht wussten, was hinter ihrem Rücken geschah. Als die Zuschauer spontan Szenenapplaus spendeten, zeigte sich Siegmund Darsteller Bruno Canthomas irritiert und fragte sich, was er wohl getan hätte, dass das Publikum so regierte. Laue klärte ihn auf und am Folgetag warf Canthomas einen Blick auf den verfremdeten Dom. Im Verlaufe des Talks sprach die Schauspielerin Strauss noch ausgiebig über ihre Rolle und die Schwierigkeit, den richtigen Ton zu treffen. Das lag nicht nur an dieser neu ausgeloteten Brünhild, die, gemeinsam mit der Königsmutter Ute, die einzig zurückgebliebene Überlebende am Wormser Königshof war, sondern auch schlicht und ergreifend an dem Umstand, dass man als Schauspieler auf einer solch großen Bühnen eine gewaltige Distanz spielerisch zurücklegen musste, um auch die Zuschauer in der letzten Reihe zu erreichen. Letztlich gelang ihr das bravourös, was der Schauspielerin nicht nur wir in unserer Rezension bescheinigten.
Ein weiterer Höhepunkt der diesjährigen Theaterbegegnungen war das 30-minütige Konzert mit den Musikern der Nibelungen Festspiele. Komponiert wurde die eindrucksvolle Begleitmusik von dem Irländer Keith O’Brien und von Matthias Herrmann. Für Gänsehautmomente sorgte musikalisch vor allem Enkhjargal Dandarvaanchig, der die Zuhörer mit seinem Unter- und Obertongesang in eine ganz eigene musikalische Welt entführte. Auszüge aus dem Konzert gibt es auf unserer Facebook-Seite.