Es ist ein finanzieller Tsunami, der Deutschland derzeit überrollt und seine volle Wucht erst noch entfalten wird. Ein Tsunami, gegen den die monetären Folgen der Finanzkrise wie ein Sturm im Wasserglas wirken. Während es bei der damaligen Bankenkrise „nur“ 44 Milliarden Euro an Neukrediten waren, die der Bund aufnahm, sind es im Moment bereits 156 Milliarden Euro. Auch für den Wormser Haushalt sind die Aussichten trübe.
Am Ende des vergangenen Jahres sah es eigentlich noch ganz gut aus. Nach dem umstrittenen Entschluss, auf Drängen des Landesrechnungshofs die Grundsteuer zu erhöhen, wies der Haushalt 2020 einen Fehlbetrag von gerademal 2,1 Millionen Euro aus. Das war das niedrigste Defizit seit vielen Jahren. Doch dann kam die Corona-Krise und wirbelte alles durcheinander, auch die Kassenbücher des Stadtkämmerers Andreas Soller. Mitte April präsentierte er bei der ersten Stadtratssitzung seit Ausbruch der Pandemie in Worms, die im Wormser Mozartsaal unter strengen Hygieneauflagen stattfand, einen ersten Eindruck, wie sich die von der Politik getroffenen Maßnahmen auswirken. Soller betonte gleich zu Beginn: „Ein Nachtragshaushalt wird unumgänglich sein“. Der Grund: Durch den weitreichenden Lockdown rechnet man damit, dass die wichtigste Einnahmequelle, die Gewerbesteuer, massiv einbrechen wird. Soller erklärte, dass man in einer vorsichtigen Schätzung davon ausgehe, dass man zehn Millionen Euro weniger einnehmen wird, das heißt, statt 56 nur 46 Millionen Euro. Zusätzlich werden die Einnahmen durch die Einkommenssteuerbeteiligung geringer ausfallen.
Schwindende Kaufkraft sorgt für leere Kassen
Einen kleinen Ausblick darauf, wie sich Corona auf den Arbeitsmarkt und damit auch auf die Entwicklung der Einkommenssteuer auswirkt, gewährte kürzlich die Agentur für Arbeit mit den Zahlen für Worms. Alleine im März und April haben 763 Betriebe Kurzarbeit für 7.065 Mitarbeiter angemeldet. Aktuell ist zu beobachten, dass sich dementsprechend die Kauflaune in Worms in Grenzen hält, was wiederum für eine niedrigere Gewerbesteuer sorgt, da logischerweise dadurch der Umsatz der Geschäfte sinken wird. Alleine für die Vorauszahlungen, die die Wormser Geschäftswelt im Februar leistete, zahlt die Stadt aktuell 700.000 Euro wieder zurück. Da viele Betriebe, Geschäfte und Lokale im März schließen mussten und damit keine bis wenige Einnahmen hatten, beschloss man, die Vorauszahlungen zinslos zu stunden. Damit folgte man der Empfehlung des Städtetags. Eine Aussetzung von Vollstreckungsbefehlen sei wiederum nicht möglich, allerdings eine Umwandlung in Raten, sofern dies begründet ist. Die Ausgaben der Stadt laufen derweil weiter. Mehrausgaben befürchtet man unter anderem im sozialen Bereich, auch wenn der zuständige Dezernent Waldemar Herder noch keine Schätzung abgeben konnte. Ebenfalls muss die Stadt ihre laufenden Kredite bedienen. Im Mai ist diesbezüglich eine Zahlung von 30 Millionen Euro fällig. Ebenso stehen natürlich auch die Löhne für die rund 1.300 Mitarbeiter auf der monatlichen Finanzagenda. Wie Oberbürgermeister Adolf Kessel auf Nachfrage unseres Magazins bestätigte, hat die Stadt für ihre Mitarbeiter keine Kurzarbeit angemeldet und plant dies auch nicht. Selbiges gilt für die Beteiligungsgesellschaften. Gegenüber vielen anderen Arbeitnehmern ist das ein Vorteil, der in unsicheren Zeiten Sicherheit gewährt. Ein ordentlicher Betrag fällt zudem für den Katastrophenschutz an. Bisher belaufen sich die Ausgaben auf 380.000 Euro. Geld, das für die Anschaffung von Schutzkleidung, Desinfektionsmittel, Schutzscheiben etc. verwendet wurde. Wie hoch letztlich der Fehlbetrag für das laufende Jahr ausfällt, lässt sich im Moment nicht sagen. Klar ist indes, dass es sich bei der aktuellen Entwicklung um die schwerste Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg handelt. Kessel schätzt, dass der Fehlbetrag mindestens auf 20 Millionen Euro klettern wird.
Großzügige Regelung des Haushalts durch das Land
Natürlich ergibt sich daraus die Frage, wie das alles bezahlt werden soll oder ob der Stadt die Handlungsunfähigkeit droht. Zu Letzterem sagen Soller und Kessel ganz klar: Nein. Aktuell signalisiert Roger Lewentz (Innenminister RLP) in einem Haushaltsschreiben an die Kommunen, dass die Sicherstellung der kommunalen Handlungsfähigkeit höchste Priorität habe. In seinem Schreiben empfiehlt Lewentz weiter, von Forderungen zur Verbesserung der Einnahmeseite (Erhöhung Gewerbesteuer, Grundsteuer etc.), wie sie durch die Kommunalaufsichten vor der Corona-Krise kommuniziert worden seien, für die Jahre 2020/2021 abzusehen. Einen großzügigen Blick möchte man auch bezüglich der freiwilligen Leistungen walten lassen. In einem Schreiben der ADD vor Ausbruch der Krise waren diese Ausgaben, die jedes Jahr für Diskussionen sorgen, mit einem Betrag von 19,6 Millionen Euro gedeckelt. Lewentz erklärt hierzu, dass in den Jahren 2020 und 2021 eine Anhebung der Deckelung der Ausgaben im freiwilligen Leistungsbereich dann in Betracht kommen könnte, wenn die Kommunen nachvollziehbar darlegen, dass die Mehrausgaben des freiwilligen Ausgabenbereichs krisenbedingt erfolgt sind. Das klingt zunächst kulant, allerdings ist klar, dass irgendwann der Zeitpunkt kommen wird, an dem darüber diskutiert wird, wie die Haushaltsdefizite wieder verringert werden können.
Eine Sonderzahlung zur Unterstützung
Um die Städte neben großzügigen Haushaltsregelungen zu unterstützen, hat das Land aktuell Sonderzahlungen getätigt. Auch an Worms. 2,1 Millionen Euro wurden überwiesen, die, wie Jens Guth (SPD) WO! gegenüber erklärt, für direkte oder indirekte Folgen der Corona Krise verwendet werden dürfen. Dem Landtagsabgeordneten und Stadtratsmitglied ist es wichtig, dass man verschiedene Branchen in Worms im Blick behält und unterstützt, wo es geht. Klar ist ihm aber auch, dass das Geld nicht ausreichen wird, um allen zu helfen. Im Stadtrat hat man gemeinsam mit der CDU einen Antrag eingereicht, in dem die Verwaltung prüfen soll, welche Förderungen im Rahmen dieser Sonderzahlung möglich sind. Vorschläge sind unter anderem, die Aussetzung der Sondernutzungsgebühren für die Außenbestuhlung der Gastronomen. Jens Guth ergänzt im Gespräch, dass es vor allem darum geht, dass die Verwaltung unbürokratische Lösungen findet, wenn z.B. aufgrund von Auflagen eine größere Fläche für die Bestuhlung benötigt wird. Timo Horst, Fraktionsvorsitzender SPD, gibt zu bedenken, dass derzeit Gastronomen für Flächen zahlen, obwohl sie keinerlei Einnahmen haben. Im Blick hat der Landtagsabgeordneten Guth aber auch die Vereine, die für ihn eine wichtige Säule der Gesellschaft sind. Guth regt deswegen an, die 20-prozentige Mittelsperre in der Haushaltsstelle „Zuschuss Vereine, Verbände“ aufzuheben. Im Gespräch verweist er aber auch auf die Situation der Wormser Schausteller, die ebenfalls keine Möglichkeit haben, Geld zu verdienen. Auch hier sollte die Stadt positiv agieren und Ideen unterstützen. In diesem Zusammenhang wird auch die Frage diskutiert, ob es in diesem Jahr ein Backfischfest geben kann. Letztlich ist aber auch Jens Guth klar, dass die Sonderzahlung nur ein Anfang ist und er auch als Landtagsabgeordneter gefragt ist, seine Stimme zu erheben, um die Kommunen zu stärken.