Das umstrittenste Bauwerk der Nachkriegsgeschichte feierte am 17.02.17 Richtfest. Erwartungsgemäß waren nicht nur Gratulanten, sondern auch Gegner des Projektes erschienen, die draußen blieben, um ihren Protest singend vor dem „Haus am Dom“ zum Ausdruck zu bringen. Obwohl der Rohbau längst steht und an der Entscheidung schon seit Monaten nicht mehr zu rütteln ist, tauchte bei dem Richtfest die nicht unberechtigte Frage auf, ob das präsentierte Bauwerk tatsächlich einen Kompromiss gegenüber den 17.000 Wormsern darstellt, die sich gegen den Bau an dieser Stelle ausgesprochen hatten.

Während das Haus am Dom seit dem Spatenstich im März 2016 täglich weiter wächst, konnte man zum Richtfest am 17. Februar knapp 100 Neugierige begrüßen, die sich im Foyer des neuen Gemeindehauses im Erdgeschoss versammelt hatten, um den Gratulanten zu lauschen. So erinnerte Klaus Berg vom Verwaltungsrat der Domgemeinde noch einmal an die Beweggründe für den Bau eines neuen Gemeindehauses. Als Ersatz für das in die Jahre gekommene und nicht mehr behindertengerecht zugängliche Lioba-Haus soll das neue „Haus am Dom“ ebenso dienen wie als Anlaufstelle für Touristen, die den Dom besuchen und ebenso die Taufpiscina im Erdgeschoss besichtigen wollen. Domprobst Tobias Schäfer erbat den Segen Gottes für das neue Gemeindehaus und erinnerte noch einmal daran, dass dieses Gebäude den Menschen dienen solle, auch wenn es anderweitig Graben aufgerissen habe. Wenn alles planmäßig läuft, soll in dem mit fünf Millionen Euro veranschlagten Haus am Dom im Herbst dieses Jahres Einweihung gefeiert werden. Natürlich überbrachte auch Oberbürgermeister Kissel, der das Projekt von Anfang an unterstützt und gegen alle Widerstände verteidigt hatte, seine Glückwünsche zum Richtfest. Ein neues Bauobjekt sei immer Geschmackssache, bekannte Kissel und bekundete freimütig, dass ihm das „Haus am Dom“ sehr gut gefalle. Das sei allerdings nur seine private Meinung. In seiner Rede wies er außerdem einmal mehr darauf hin, dass die Pläne längst nicht nur Freunde gefunden hätten. Kissel bat aber gleichzeitig darum, nun endlich wieder zur Normalität zurückzukehren. Denn während die Gäste im Innenraum kräftig den Rednern applaudierten, verschafften sich die knapp 20 Mitglieder des Bürgervereins vor dem Gebäude singend und Parolen rufend Gehör. Das wiederum veranlasste einige der überwiegend älteren Gemeindemitglieder dazu, Sätze wie „Diese Wichtigtuer“ oder „Das geht euch doch nichts an!“ in Richtung der Hausgegner zu zischen. Derweil vergaß Kissel nicht zu betonen, dass man mit dem Haus in seiner jetzigen Umsetzung einen Kompromiss gefunden habe, mit dem auch die Gegner leben könnten.

WIRKLICH EIN KOMPROMISS?
Das sehen die Mitglieder des Bürgervereins Dom-Umfeld allerdings ganz anders. Für sie und sehr viele Wormser und Freunde des Doms sei das Richtfest wahrlich keine Grund zur Freude, sondern zur Trauer, denn der herrliche Blick von Süden auf den gesamten Dom sei mit diesem Haus zerstört worden, ließ der Bürgerverein im Vorfeld wissen. In der Pressemitteilung hieß es weiter: „Ein Gemeindehaus muss sich dem Dom respektvoll unterordnen, wie es Stadtplaner Lied treffend formuliert und es sich die meisten gewünscht hatten. Stattdessen hat man das 20 m hohe Haus am Dom unnachgiebig – massiv unterstützt von Oberbürgermeister Kissel – direkt vor den Dom gesetzt. Das umstrittenste Bauvorhaben der Nachkriegsgeschichte: Gegen den Willen der Bürgerschaft von oben durchgedrückt. Damit hat man eine Riesenchance vertan: Es hätte ein Haus der gemeinsamen Freude werden können. Stattdessen hat man ein Haus der Zwietracht errichtet. Und ein Negativimage für die Stadt Worms geschaffen.“

DER STEIN DES ANSTOSSES: DAS SPITZDACH
Bei der anschließenden Besichtigung der Räumlichkeiten, die in erster Linie die Erkenntnis brachte, dass ziemlich viel Beton verbaut wurde, fiel vor allem der zukünftige Gemeindesaal im zweiten Stock mit dem prägnanten Spitzdach ins Auge. Während in der Wormser Zeitung zu lesen war, dass „viele die Holzkonstruktion des Giebeldaches bewunderten“, soll es auch vereinzelt zu kritischen Stimmen gekommen sein. Ab einer an sich schon beachtlichen Deckenhöhe von knapp vier Metern, ragt das Spitzdach noch einmal locker 8-9 Meter in die Höhe. Ohne jegliche Funktion, außer, dass es im Innern des Raumes ziemlich imposant aussieht. Ob man hierbei jedoch von einem Kompromiss gegenüber den Gegnern sprechen kann, die eben genau die Höhe des Daches kritisiert hatten, weil dadurch ein Großteil des Doms verdeckt wird, sei einmal dahingestellt.

KAUM RESONANZ AUF GESTALTUNGSWETTBEWERB
Im Übrigen hat die Domgemeinde im Zuge des Neubaus auch einen Gestaltungswettbewerb für das Domumfeld ausgerufen, der allerdings auf wenig Resonanz stieß. Nur knapp zwei Dutzend Personen schickten ihre Anregungen, was aber nicht weiter verwundert, da man nur zwei Wochen Zeit hatte, Ideen zu sammeln. Zudem wollen offensichtlich viele Wormser in Sachen „Haus am Dom“ am liebsten gar nichts mehr hören und sind auch nicht mehr an der Gestaltung des Domumfeldes interessiert sein, zumal das Kind ohnehin bereits in den Brunnen gefallen ist. Stellvertretend für die Meinung vieler erreichte den Bürgerverein der Brief einer Wormser Bürgerin, die schrieb: „Aber da nun das Haus sowieso gebaut wird, ist mir alles Weitere, was mit dem Domumfeld zu tun hat, mittlerweile wirklich komplett egal. Von mir aus kann die Domgemeinde eine Betonmauer um den Dom bauen (sie machen ja, was sie dürfen). Darin kann sie sich mit ihren Mitgliedern, die so sehr für das HaD gestritten haben, einmauern und feiern. Ich fahre ab sofort mit meinem Besuch nach Mainz oder Speyer, wenn ein Dombesuch gewünscht ist – das Thema Wormser Dom ist für mich durch. Der gesunde Menschenverstand hat hier keine Chance.“ Auch wenn die Redakteure der Wormser Zeitung den Bürgerverein in regelmäßigen Abständen auffordern, doch endlich ihre Fahnen einzurollen und ihren Protest einzustellen, bleiben diese hartnäckig und haben stattdessen angekündigt, ihre sonntäglichen Mahnwachen um 18 Uhr weiterhin durchzuführen. In Sachen „Haus am Dom“ wird also auch nach dem Richtfest keine Ruhe einkehren. Zu tief scheinen die Gräben zwischen Gegnern und Befürwortern zu sein. Das wird sich wohl auch bis zur Einweihung im Herbst nicht ändern.