Bevor er Regisseur wurde, absolvierte der 1957 in Nürnberg geborene Thomas Schadt eine Ausbildung zum Fotografen, ehe er ab 1980 an der Film- und Fernsehakademie in Berlin studierte. Danach machte sich der Franke einen Namen als Dokumentarfilmer und gründete eine eigene Produktionsfirma. Parallel arbeite er auch als Kameramann und Buchautor. Seit 1991 hatte er zahlreiche Lehrtätigkeiten an Filmhochschulen. Eine Heimat fand er als Professor an der Filmakademie in Ludwigsburg, wo er die Studienfächer Regie/Dokumentarfilm lehrt. Für das Fernsehen inszenierte er unter anderem „Der Mann aus der Pfalz“, ein vielbeachtetes Doku Drama über den Werdegang des Altkanzlers Helmut Kohl. Im letzten Jahr thematisierte er in dem Film „Der Rücktritt“ die Affäre um Christian Wulff. In diesem Sommer wird er Albert Ostermaiers Nibelungenstück „Gemetzel“ bei den Wormser Nibelungen Festspielen inszenieren.
WO! Was war Ihr erster Gedanken, als Nico Hoffmann Sie angesprochen hatte, die künstlerische Leitung/Regie bei einer Geschichte wie den Nibelungen Festspielen zu übernehmen?
Erst war es nur die Idee der künstlerischen Leitung, da fragte ich mich schon: „Oh, die Nibelungen?“ Ich fand das allerdings ziemlich schnell sehr spannend und merkte, dass das was in mir in Bewegung brachte. Bei diesem Thema kann ich mich mit Dingen beschäftigen, mit denen ich mich bisher noch nicht auseinandergesetzt hatte. Das empfinde ich immer als Bereicherung. Ich war ziemlich schnell euphorisch und nach den Gesprächen, die wir dann mit den Leuten hier von den Festspielen und auch mit dem Oberbürgermeister hatten, war klar, dass das eine super spannende Sache ist.
WO! Was macht für Sie die Nibelungen zu einer urdeutschen Geschichte?
Erst mal werden die ganz großen archaischen Themen behandelt. Beim Film würde man sagen, „das ist großes Kino“. Es geht um Liebe, es geht um Tod, es geht um Hass, es geht um Verrat, es geht um Täuschung. Es sind die großen archaischen Begriffe und die leben in uns allen. Sie bestimmen unser Gefühlsleben und unsere Fantasie. Das zweite, was dazu kommt, ist, dass ich mich schon immer mit der Frage beschäftigt habe: Was ist eigentlich deutsch? Gibt es das überhaupt, also eine Art von Identitätssuche. Gerade meine Generation, die in den 70er Jahren groß geworden ist, in einer Zeit in der ganz viel Verweigerung stattfand, empfinde ich das als spannendes Thema. Die Nibelungen bieten mir die Möglichkeit, mich mit diesem Thema auseinanderzusetzen, mich mit meiner eigenen Identität zu konfrontieren.
WO! Haben Sie eine Antwort gefunden auf die Frage: Was ist deutsch?
Ich glaube, um Antworten geht es gar nicht. Es geht auch in den Interpretationen, die wir an diesem Stoff versuchen, nicht darum Antworten zu finden, sondern vielmehr darum, kluge Frage zu stellen und diese an den Zuschauer weiterzugeben. Es ist ein Grundprinzip meiner Arbeit. Drei gute Fragen sind besser als eine schlechte Antwort.
WO! Sie sind in erster Linie als Dokumentarfilmer bekannt geworden und für zeitgenössische Stoffe. Macht es einen Unterschied als Regisseur, einen Zugang zu finden zu einem Stoff, der durchaus einen mythologischen Überbau hat?
Erst mal ist es für mich ein zeitloser Stoff. Der ist so gegenwärtig, wie auch Geschichte ist. Insofern gehe ich nur ein Stückchen weiter zurück in der Zeit, wie in anderen Themen. Es macht für mich eigentlich keinen Unterschied. Die Frage ist vielmehr: Was treibt mich da? Was will ich von dem Stoff? Was will ich erzählen und was macht der Stoff mit mir? Wie ist der Spiegel, den der Stoff auf mich richtet? Ich habe immer so gearbeitet, dass ich in jedem Projekt was Neues gesucht habe. Es gibt Leute, die variieren ihr Thema auf sehr geschickte Art ihr ganzes Leben lang. Zu denen gehöre ich nicht; ich bin eher ein Reisender. Ich mache eine Sache über eine Geschichte und das ist sozusagen wie eine Reise. Wenn ich diese abgeschlossen habe, beginne ich eine neue. Ich will entdecken! Insofern ist es schon logisch in meiner Biographie, dass ich mich nun auf diese Reise begebe.
WO! Das wäre dann schon die Antwort auf meine Frage, warum tut man sich dann so ein Projekt wie die Nibelungen Festspiele an?
(lacht) Weil wir alle ein bisschen verrückt sind. Nein, es ist eine sehr reizvolle Geschichte. Es stellen sich halt so viele neue Fragen, die man jetzt zu beantworten hat. Wie überträgt man das auf diese große Bühne vor dem Dom, wo man mit Respekt drauf schaut und sagt: „Wow, da steht der Dom!“ Da ist dieser riesige Platz. Die ganzen Unterschiede zur filmischen Arbeit. Als erstes gilt es, eine Haltung zu den Figuren, zu den Schauspielern, zu dem Thema, zum Ort zu finden. Und dann kann man eine Vision entwickeln. Zum Beispiel Alexandars (Denic, Anm. der Red.) Bühnendesign ist aus einem Dialog heraus entstanden. Wenn so ein Konzept steht, gibt das einem Sicherheit.
WO! In der Wormser Zeitung sagten Sie im Januar, dass ebenerdig gespielt wird. Ist dem so?
Ja, wir haben tatsächlich keinen klassischen Bühnenboden. In den Vorjahren gab es eine waagrechte Fläche. Wir gehen nun auf diesen naturgegebenen Kopfsteinpflasterboden, der leicht abschüssig ist. Auch die Wand des Doms wird nicht verändert. Wir belassen das, was wir da vorfinden, so wie es ist.
WO! Warum die Entscheidung ebenerdig zu spielen? Gab es da einen bestimmten Grund?
Das ist einfach ein toller Boden. Der erzählt viel mehr, als ein gebauter Bühnenboden. Das ist viel konkreter!
WO! Was bewog Sie dazu, Regisseur zu werden?
Oh Gott, das kann ich wirklich nicht beantworten. (lacht laut auf) Ich weiß nicht, ob viele Regisseure darauf eine Antwort haben.
WO! Ich hätte gesagt, eine Liebe zum Film sollte man schon mitbringen…
Na ja, da kann man auch was anderes machen. Man könnte zum Beispiel Kameramann werden. Also ich weiß es nicht. Ich denke, es hat eher damit zu tun, dass man Visionen hat, die man umsetzen möchte. Wenn es etwas gibt, was ein Regisseur, außer seinen handwerklichen Pflichten mitbringen sollte, dann sollte er eine Vision haben und andere von Anfang bis Ende mittragen.
WO! Nico Hofmann erklärte in einem Gespräch mit uns, dass er sich vorstellen könnte, den Nibelungen Stoff filmisch umzusetzen. Würde Sie das reizen?
Im Moment bin ich in dem Modus drin, den wir da haben, so dass ich mir das aktuell nicht vorstellen kann.
Wir danken Ihnen für das Gespräch!