Worms 2021 – 500 Jahre Reichstag: Programmverantwortliche laden zur Videokonferenz

Es zeigt sich, dass auch 2021 für Veranstalter kein leichtes Jahr wird. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen luden die Verantwortlichen des bevorstehenden Luther Jahres zu einer Videokonferenz ein. Die vielleicht wichtigste Botschaft kam hierbei von Sascha Kaiser, dem Geschäftsführer der Nibelungen-Festspiele gGmbH: „Wir wollen und werden Festspiele machen!“

Die Ausrichtung der bevorstehenden Veranstaltungen, deren Herzstück die Ausstellung „Hier stehe ich. Gewissen und Protest – 1521 bis 2021“ ist, wurde gleich zu Beginn der Videokonferenz von EKHN*- Präsident Volker Jung (*Evangelische Kirche Hessen Nassau) klar umrissen: „Das Jubiläum soll keine Geschichtsstunde sein. Es geht darum, wofür jemand steht. Es braucht Menschen, die für Überzeugungen stehen – Luther Momente!“ Und damit ist ein Wort ausgesprochen, das in den folgenden 90 Minuten immer wieder fallen wird. Jung sieht diesen darin, dass Luther als einzelne Person gegen die Mächte seiner Zeit angetreten ist. Für Worms hingegen dürfte die Strahlkraft des Namens Luther auch mit touristischer Attraktivität einhergehen. Schließlich verbindet man mit den Festivitäten die Hoffnung, Besucher aus ganz Deutschland und den Nachbarländern in die Nibelungenstadt zu locken, die ab dem 16. April ganz im Zeichen des streitbaren Mönchs stehen wird. Der Wormser Luther Experte Dr. Ulrich Oelschläger brachte die Bedeutung von Luther und Worms auf den Punkt: „Hätte der Reichstag nicht stattgefunden, wäre Wittenberg unbedeutend geblieben!“ Die Folge dieses Auftritts war wiederum die Spaltung der Kirche in katholisch und protestantisch. Dennoch betont Oelschläger 500 Jahre später, dass man das Ereignis ökumenisch feiern möchte.

MULTIMEDIA-INSZENIERUNG MIT RUFUS BECK

Los geht es am 17. April mit einem Festakt. In pandemischen Zeiten geht das natürlich nicht ohne Internet, denn dort wird der Festakt übertragen. Zugleich sind alle interessierten Bürger und Bürgerinnen eingeladen, daran teilzunehmen. Höhepunkt dieses ersten Festwochenendes dürfte die Multimedia-Inszenierung „Der Luther-Moment“ werden, die vom SWR live am 17. April um 23 Uhr aus Worms übertragen wird. Dabei wird die Dreifaltigkeitskirche in der Innenstadt zur größten Leinwand Europas. Wie auch einige Monate später bei den eigentlichen Luther-Festspielen geht es bei der Inszenierung um Geschichte zum Anfassen. Mit Rufus Beck wurde ein Schauspieler engagiert, der den Wormsern kein Unbekannter sein dürfte. Bereits 2011 spielte er bei den Nibelungen-Festspielen die Hauptrolle. Weitere Darsteller sind Isaak Dentler und Barbara Stollhans. Die Inszenierung des Frankfurter Komponisten und Regisseurs Parviz Mir-Ali spannt einen Bogen von den Ereignissen auf dem Wormser Reichstag, über historische Momente bis hin zu aktuellen Geschehnissen, in denen Menschen Haltung beweisen. Zum Abschluss des Auftaktwochenendes übertragt das ZDF am Sonntag, 18. April, den Festgottesdienst zum Jubiläum ab 9.30 Uhr aus der Wormser Magnuskirche. Die Feier wird unter anderem von dem hessen-nassauischen Kirchenpräsidenten Volker Jung und dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf gestaltet. Konkurrenz erfährt dieser Tag durch den von Bundespräsident Frank Walter Steinmeier initiierten Corona-Gedenktag. Steinmeier wird wiederum am 16. April Worms besuchen, um sich ein Bild von den bevorstehenden Luther-Tagen zu machen.

LUTHER-FESTSPIELE MIT VIELEN FRAGEZEICHEN

Der Leuchtturm unter den Veranstaltungen dieses Wormser Luther Jahres dürfte natürlich das Luther Stück (16. Juli bis 1. August) sein, das von dem Schweizer Autoren Lukas Bärfuss für die Nibelungen-Festspiele geschrieben wurde. Zugleich dürfte für alle Beteiligten die Organisation und Durchführung der Festspiele im Schatten der Corona-Politik die größte Herausforderung dieser Dekade sein. Zwar betont Sascha Kaiser, dass man Festspiele machen werde, das „Wie“ ist aber noch nicht abschließend geklärt, da dies natürlich vom aktuellen Corona Geschehen abhängen wird. Klar ist, dass man deutlich weniger Besucher empfangen kann. Statt, wie eigentlich vorgesehen, rund 1.200 Gäste zu begrüßen, werden es maximal 530 Besucher sein. Weniger Besucher bedeutet aber auch weniger Einnahmen. WO! fragte dementsprechend bei Sascha Kaiser nach. Kaiser erklärt, dass man natürlich versuchen werde, bei allen Gewerken das Budget zu drücken. Der Geschäftsführer betont aber auch, dass man die Option hätte, auf 1 Million Euro zurückzugreifen, die für den Notfall vom Stadtrat für die Festspiele zur Verfügung gestellt wurden. Hintergrund ist ein Beschluss, der den Festspielen in fünf Jahren jeweils 200.000 Euro zusätzlich bereitstellt oder einmal eben die Millionensumme. Bisher hatte man auf das Geld noch nicht zurückgreifen müssen. Zusätzlichen finanziellen Segen könnte es womöglich auch vom Land geben. Kultusminister Dr. Denis Alt kündigte bei der Videokonferenz an, dass es über den bisherigen Zuschuss weitere Gelder für die Festspiele geben soll. Als problematisch erweist sich derzeit die Besetzung des Stückes. Thomas Laue, Künstlerischer Leiter der Festspiele, erklärte, dass man zwar viele Gespräche mit Schauspielern führe, aber Nachdrehs aus dem vergangenen Jahr viele Darsteller vertraglich an andere Projekt binde. Inhaltlich war es Laue wichtig, zu betonen, dass es ihm darum ginge, das Phänomen Luther zu begreifen: „Was hat er bei den Menschen ausgelöst? Wie war diese Wirkung überhaupt möglich?“ Für Laue steht fest, dass Luther der erste Social Media Star war.

LUTHER FÜR JUNGE MENSCHEN

Etwas kleiner, aber sicherlich nicht weniger Interessant dürft e die Kooperation mit der Filmhochschule in Ludwigsburg sein. Kulturkoordinator Dr. David Maier führte aus, dass junge Filmemacher eine Schwarzweiß Dokumentation drehten („Die unerschrockenen Stimmen“), die am 24. und 25., April gezeigt werden soll. Der Film dokumentiert ein Streitgespräch und die Suche nach gemeinsamen Standpunkten. In einer Zeit, in der gesellschaft liche Debatten zunehmend virtuell und immer unerbittlicher geführt werden, begegnen sich „Die unerschrockenen Stimmen“ mit Kompromissbereitschaft und sollen dazu anregen, in der Unterschiedlichkeit das „Wir“ zu entdecken. Nicht minder spannend klingt die angekündigte Luther-App, die von der Hochschule Worms erstellt wurde und mit einer Graphic Novel zum Thema ausgestattet ist. Speziell für die Jugendarbeit wurde zudem „#ichbinhindurch“ entwickelt. Hier können alle Nutzer ihre „Momente“ im Leben in den Sozialen Netzwerken veröffentlichen, bei denen sie den Mut hatten, für eigene Überzeugungen einzutreten. Die Einträge mit dem Hashtag #ichbinhindurch werden dann automatisch auf der Internetseite www.wagemutig.de gesammelt. Am 24. April wird in Worms zudem der Preis „Das unerschrockene Wort“ verliehen. Dieser mit 10.000 Euro dotierte Preis wird vom Bund der 16 Lutherstädte in Deutschland verliehen.

AUSSTELLUNG WIRD VERLÄNGERT

Den Rahmen für das Wormser Luther Jahr gibt die Landesausstellung im Museum der Stadt Worms im Andreasstift , das extra für diese Tage einer aufwendigen Komplettrenovierung unterzogen wurde. Da es Corona bedingt zu verschiedenen organisatorischen Schwierigkeiten kam, wurde allerdings die Eröffnung ein wenig nach hinten geschoben. Statt am 16. April öffnet die Ausstellung erst am 3. Juli ihre Pforten. Petra Graen, zuständige Beigeordnete für Tourismus, konnte allerdings bei der Konferenz verkünden, dass man die Laufzeit bis zum 30. Dezember verlängert habe. Mit Blick auf die Besucher informierte Graen, dass trotz Pandemie viele Reiseveranstalter großes Interesse zeigen würden, Reisen nach Worms anzubieten. Bezüglich der Bedeutung der Ausstellung und Luthers Handeln brachte es Hans Joachim Kosubek, Beigeordneter für das Museum, auf den Punkt: „Unsere Demokratie ist nicht selbstverständlich! Wenn es Tendenzen gibt, Grund- und Menschenrechte einzuschränken, ist es auch heute genauso wichtig, dafür einzustehen!“ Schaut man sich derzeit in der Medienlandschaft um und wie man aktuell mit Kritik umgeht, möchte man am liebsten deutschlandweit Freikarten verteilen. Denn derzeit scheint es nicht so einfach zu sein, für Überzeugungen einzustehen, ohne massive Kritik zu ernten. Es scheint, als hätten die Menschen in den letzten 500 Jahren nicht besonders viel dazugelernt. Insofern haben die Beteiligten dieser Videokonferenz recht, wenn sie immer wieder auf die Bedeutung des sogenannten Luther Moments verwiesen, oder wie Intendant Nico Hofmann es formulierte: „Es geht um innere Haltung und Mut!“