Warum Worms, Herr Hofmann?
Auf die Frage, wie ein in Berlin lebender und in der Fernsehlandschaft äußerst präsenter Produzent wie Nico Hofmann hier gelandet sei, verwies dieser – als gebürtiger Mannheimer – auf seine Verwurzelung in der Region und den besonderen Reiz eines Freilufttheaters, verbunden mit einem Lob für die Leute von der Kultur- und Veranstaltungs GmbH in Worms, die einen tollen Job machen würden. Da könne sich so mancher in der Hauptstadt eine Scheibe davon abschneiden, wie gut organsiert hier alles sei. Einzig auf der Suche nach einem Hotel in Worms sei er noch nicht fündig geworden und deswegen im Hyatt in Mainz abgestiegen. Unbewusst hat Hofmann damit eine tiefe Wunde aufgerissen, denn genau das ist es ja, was der selbst ernannten Touristen-, Kultur- und Tagungsstadt Worms dringend fehlt. Dabei hat man mehr als 50 Millionen Euro für „Das Wormser“ bezahlt, um Tagungen auszurichten und Gäste von auswärts in die Stadt zu locken, für die man idealerweise auch gleich noch eine ausreichend große Unterkunft im Paket mit anbieten könnte. Von einem Hotel in der Kategorie, in der ein Fernsehproduzent wie Hofmann für gewöhnlich abzusteigen pflegt, gleich ganz zu schweigen.
Stichwort: Qualitätssteigerung
Bitte verstehen Sie, dass ich mich zu der Arbeit meines Vorgängers nicht äußern möchte.“ Diesen Satz bekam man in den letzten Wochen und Monaten immer wieder zu hören, wenn man Nico Hofmann um ein Statement zur Arbeit von Dieter Wedel gebeten hat. Auch bei dem Pressegespräch am 10. November fiel das Wort „Wedel“ kein einziges Mal. Und doch könnte man in Sätze wie „es geht darum, die Nibelungen auf ein neues Qualitätslevel zu hieven“ oder „wenn der Plan aufgeht und das Ganze eine Qualität bekommt, dann spricht sich das herum und kriegt auch einen Event-Charakter“ (WZ vom 11.11.14) gewisse Spitzen gegen den Vorgänger hineininterpretieren. Wobei man einem Neuen in einer verantwortlichen Position gar nicht mal verübeln will, wenn sein oberstes Ziel ist, es besser als sein Vorgänger machen zu wollen. Jetzt muss Hofmann den Worten nur noch Taten folgen lassen. Ziemlich sicher kann man davon ausgehen, dass der neue Intendant bei der Verpflichtung des Ensembles seiner bisherigen Linie treu bleiben wird und auf weithin bekannte TV-Stars verzichten wird. Schließlich gilt Hofmann eher als Entdecker von Nachwuchsschauspielern und weniger als Förderer von „Altstars“. Wie auf der Pressekonferenz scherzhaft angemerkt, wird es im nächsten Jahr also keinen Erol Sander auf dem Pferd geben.
Wie geht es in Zukunft aus finanzieller Sicht weiter?
Bei der Frage nach der Höhe des Budgets antwortete der Aufsichtsratsvorsitzende Michael Kissel: „Nach oben hin offen.“ Was sich auf den ersten Moment wie die typische Aussage eines Oberbürgermeisters anhört, in dessen Amtszeit die Verschuldung der Stadt um ca. 300 Millionen Euro angestiegen ist, wird erst durch den Nachsatz schlüssig: „… solange der Zuschuss der Stadt in Höhe von 1,5 Millionen Euro nicht überschritten wird.“ Auf diese Summe konnte man das durch die Stadt auszugleichende Defizit in den letzten Jahren sukzessive herunterschrauben. Diese soll auch zukünftig nicht überschritten werden. Damit man in Sachen Festspiele eine gewisse Planungssicherheit bekommt, soll dieser jährliche Zuschussbetrag auch für die nächsten Jahre fest zur Verfügung stehen. Dafür soll ein Stadtratsbeschluss sorgen. Um die Rentabilität der Festspiele zu unterstreichen, verwies Kissel noch einmal auf die Studie der Hochschule Worms, die eine Nettowertschöpfung – durch auswärtige Besucher – für die Region in Höhe von 1,6 Millionen Euro ermittelt hatte. Was bei Kissel erneut Anlass zur Euphorie gab, ist aber eine Summe, die nur unwesentlich höher als der städtische Zuschuss ist, der von allen Steuerzahlern zu tragen ist, aber im Endeffekt nur einer bestimmten Klientel (hauptsächlich Hotels, Gastronomie, Einzelhandel) zugutekommt. Was ebenfalls gerne „vergessen“ wird, ist das Geld, dass man bereits in den Anfangsjahren verbrannt hat, als man zwischen 2,5 und 3 Millionen Euro pro Jahr zuschießen musste und sich die Besucher in erster Linie aus interessierten Wormsern rekrutierten (in den letzten Jahren war tatsächlich ein höherer Zustrom von auswärts spürbar). Um alleine diese Verluste aus den ersten 4 – 5 Jahren wieder reinzuholen, wird man noch einige Jahre brauchen. Von daher sollte sich der Wormser Stadtrat die Frage stellen, ob man nicht auch hier – genauso wie in allen anderen Bereichen – auf Dauer eine weitere Senkung des städtischen Zuschusses anstreben will. Vor dem Hintergrund, dass der neue Intendant Nico Hofmann auf großes Star-Theater weitestgehend verzichten will, sollte das doch irgendwie möglich sein.
Wie geht es in Zukunft aus künstlerischer Sicht weiter?
Auch über die nächsten Jahre der Festspiele konnte man etwas erfahren, denn das Stück „Gemetzel“ ist als erstes von drei Werken zum Nibelungenthema angedacht, die Albert Ostermaier in den kommenden Jahren für die Wormser Festspiele schreiben wird. Dabei sollen immer wieder neue Figuren in den Mittelpunkt rücken und durch neu gewählte Perspektiven andere Facetten der Geschichte näher beleuchtet werden. Nico Hofmann: „Die Idee von Albert Ostermaier, die Nibelungengeschichte aus ganz unterschiedlichen Perspektiven zu erzählen, hat mich begeistert. Das Thema in seiner ganzen Komplexität wird durch die triologische Gliederung neu beleuchtet.“ Zugeben: Was sich da wie „alter Wein in neuen Schläuchen“ anhört, ist natürlich nichts anderes als das, was Dieter Wedel in 13 Jahren exakt zehn Mal gemacht hat, als er die Nibelungensage aus unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchtet hat. Doch während bei Wedel zuletzt einiges festgefahren wirkte (klar, nach 13 Jahren…), ist unter Hofmann tatsächlich mal wieder ein neuer Spirit erkennbar. Der Wahlberliner gilt als absoluter Teamplayer, der auf ein riesiges Netzwerk aus kompetenten Kulturtreibenden zurückgreifen kann, die allesamt hoch motiviert an die Sache rangehen. Von daher verwundert es nicht, dass sich das neue Team erst mal mit neuen Einflüssen am altbekannten Nibelungenthema abarbeitet. Trotzdem wird die Frage eines Journalisten, ob man immer nur die Nibelungensage erzählen will oder ob auch andere Stücke den Weg auf die Bühne finden werden, nicht zum letzten Mal auftauchen.
Stichwort: Nachwuchsförderung
Albert Ostermaier hat auch das Kuratorium für das Kulturprogramm der Festspiele übernommen. Dieses soll in Zukunft viel enger mit der Hauptinszenierung verwoben sein und diese ergänzen. So sind Projekte mit Schulen, zum Beispiel ein Poetry Slam und ein Musikwettbewerb, geplant. Auch ein Autorenwettbewerb für junge Dramaturgen zwischen 18 und 35 Jahren soll dem Nachwuchsgedanken Rechnung tragen. Neben Bühnenautor und Schirmherr Albert Ostermaier komplettieren die Schauspielerin Natalia Wörner, Theater- und Opernregisseur Martin Kušej, Dramaturgin Maren Zimmermann sowie Theater- und Literaturkritiker Jürgen Berger die Jury des Autorenwettbewerbs der Nibelungen-Festspiele. Nico Hofmann und Thomas Schadt wollen damit den deutschen Dramatikernachwuchs unterstützen und mehr zu Wort kommen lassen. Konkret musste von den Jungautoren eine ausgearbeitete Szene zum diesjährigen Thema, dem Königinnen-Streit, eingereicht werden. 37 junge Dramatiker aus Deutschland und Österreich folgten bis zum Einsendeschluss dem Aufruf. Nun wird die Jury die Einreichungen sichten und am Ende fünf Nominierte in die engere Auswahl schicken. Im August 2015 findet dann ein großer Workshop unter der Schirmherrschaft des jeweiligen Bühnenautors in Worms statt. Petra Simon (Künstlerische Betriebsleiterin der Festspiele): „Hier sollen die Nominierten im lebendigen Austausch mit Bühnenautor, Regisseur, Schauspielern, Presse und Publikum ihre Stücke weiterentwickeln. Außerdem sollen sie während der Festspiele hinter die Kulissen schauen und dadurch auch wertvolle Einblicke in die Theaterarbeit erhalten.“ Am Ende des Workshops wird schließlich der Preisträger des Autorenwettbewerbs ermittelt. Diesem winkt sowohl ein Preisgeld in Höhe von 10.000 Euro als auch eine Uraufführungsoption innerhalb des Kulturprogramms der Festspiele für das darauffolgende Jahr. Zudem werden alle nominierten Stücke dem Publikum in einer öffentlichen Lesung präsentiert. Dieses vergibt einen Publikumspreis von 2.000 Euro, gespendet vom Freundes- und Förderkreis der Nibelungen-Festspiele.
Wer führt 2016 Regie?
Auch für das zweite Jahr unter der Ägide von Nico Hofmann konnten bereits erste Weichen gestellt werden. Der mehrfach ausgezeichnete Theaterund Filmregisseur Nuran David Calis wird im Jahr 2016 das zweite Stück von Albert Ostermaier inszenieren. Calis arbeitet als Regisseur, Theater- und Drehbuchautor und wurde für seine Werke und Inszenierungen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet (u. a. 2005/06 „Karl-Skraup-Preis“ für „Beste Regie“, 2006 „Nestroypreis“ als „Bester Nachwuchs“ für Schillers „Die Räuber“ am Wiener Volkstheater, 2006 „Bayerischer Kunstförderpreis“ in der Sparte Literatur, 2014 Stipendium der Kulturakademie Tarabya). 2010 verfilmte er für das ZDF Frank Wedekinds „Frühlings Erwachen“ und 2012 Georg Büchners „Woyzeck“.