Drei überzeugende Spiele, die man hätte gewinnen können, und zwei Spiele, die man durchaus auch hätte verlieren können. Die Bilanz der Wormatia, gerade einmal fünf Punkte nach fünf Spielen, liest sich eher durchwachsen. Ist sie aber „eigentlich“ gar nicht, schließlich ging es bisher ausschließlich gegen Gegner, die man in der Endabrechnung auf einem einstelligen Tabellenplatz erwarten darf. Trotzdem muss endlich mal ein Dreier her, will man den Kontakt nach oben nicht komplett abreißen lassen. Am besten beim Auswärtsspiel in Sandhausen gegen den Aufsteiger, die SpVgg Neckarelz (das Spiel fand leider nach Redaktionsschluss statt…).

Sicherlich könnte man jetzt darüber diskutieren, ob eine Spitzenmannschaft gegen eine zwar taktisch gut eingestellte, aber doch recht harmlose Frankfurter Eintracht II zum Saisonauftakt in der 83. Minute noch den Ausgleich hätte kassieren müssen? Man könnte auch fragen, warum man es bei den Offenbacher Kickers nicht geschafft hat, die zunehmende Überlegenheit in den siegbringenden Treffer umzuwandeln? Oder warum nach diesem fantastischen Spiel beim OFC plötzlich der Einbruch gegen saustarke Homburger erfolgt ist, so dass man letzten Endes heilfroh sein konnte, dass Marco Steil kurz vor Schluss noch einen Elfmeter zum glücklichen 1:1 in die Maschen gewuchtet hat? Oder warum es auch beim 1:1 beim SC Freiburg II, das mit fünf potentiellen Bundesligaspielern angetreten war, erneut nicht zum erhofften Dreier gereicht hat? Oder man könnte bemängeln, dass die Wormatia in dem in der Schlussphase hochdramatischen Match gegen Hessen Kassel nach der 1:0-Führung durch Zinnram den Sack nicht endgültig zugemacht hat, so dass nie aufgebende Kasseler in der 95. Minute noch zum Ausgleich kamen. Man kann auch die fünf Punkte aus fünf Spielen, über die keiner bei der Wormatia glücklich ist, eher als die Bilanz eines Absteigers, als die eines Spitzenkandidaten brandmarken. Man könnte aber auch umgekehrt die Frage stellen, warum der VFR gegen Mannschaften, die man am Ende im oberen Viertel der Tabelle erwarten darf, noch nicht verloren hat. Denn an einer Beurteilung nach bisher fünf Spielen kommt man nicht vorbei: Die Mannschaft 2013/2014 ist mit der aus der Vorsaison überhaupt nicht mehr zu vergleichen.

Die Wormser Tugenden
Es wird endlich wieder gekämpft, gerackert, gebissen und um jeden Ball gefightet. Sicherlich hakt es bei 14 Neuzugängen, die integriert werden mussten, hie und da noch. Aber das Wichtigste: Die Mannschaft hat wieder den Namen „Mannschaft“ verdient. Unübersehbar ist, dass die Jungs von Stefan Emmerling topfit sind und bisher in jedem Spiel ein hohes Tempo gehen konnten, selbst bei tropischen Temperaturen in Offenbach. Auch der Hauptkritikpunkt in der Rückrunde der Vorsaison, als Emmerling ein blutleeres Team übernommen hat, das sich zunehmend lustloser präsentierte, scheint abgestellt zu sein, denn es ist nicht nur ein neuer Wormser Geist spürbar, sondern endlich auch wieder ein Spielsystem erkennbar. Klar, wurde zunächst der Fokus auf das Abwehrverhalten gelegt und es ist unübersehbar, dass die Mannschaft erheblich kompakter steht. Dass zu den Defensivleistungen und dem Kampf der ersten Spiele im fünften Spiel gegen Hessen Kassel richtig ansehnlicher Offensivfußball dazu gekommen ist, mit jeder Menge Torchancen, immerhin gegen den Vorjahresmeister, lässt hoffen für die Zukunft.

Die wichtigsten Erkenntnisse
Zu den wichtigsten Erkenntnissen nach fünf Spielen zählt u.a., dass der Kapitän der Vorjahre, Sandro Rösner, wieder der Alte ist und bereits jetzt mehr starke Spiele als in der kompletten letzten Saison abgeliefert hat. Zusammen mit Marco Steil verfügt der VFR derzeit über eines der stärksten Innenverteidiger-Paare der Liga. Kapitän Carsten Sträßer, der zuletzt gegen Kassel mit haarsträubenden Fehlpässen den Gegner wieder stark gemacht hatte, war zuvor ein souveräner Staubsauger vor der Abwehr und hat auf der „Sechs“ mit Celik oder dem wiedererstarkten Abele starke Seitenmänner. Mindestens genauso erfreulich wie die Wiedergeburt von Rösner ist auch das Comeback des von vielen bereits abgeschriebenen Lucas Oppermann. Der Ausgleich gegen Freiburg durch einen wuchtigen Hammer und ein bärenstarkes Spiel gegen Kassel haben zuletzt aufhorchen lassen. Wenn Oppermann verletzungsfrei bleibt, wird man noch viel Spaß an dem quirligen Offensivmann haben. Öfters sehen würde man auch gerne Jonathan Zinnram, der in drei Kurzeinsätzen eine eindrucksvolle Visitenkarte (u.a. Tor und Pfostentreffer gegen Kassel) als Alternative für die Offensive abgegeben hat. Luft nach oben haben auf jeden Fall noch der prominente Neuzugang Srdjan Baljak, der noch nicht richtig fit wirkt, Spielmacher Kevin Wölk und der bisher glücklose Torjäger Markus Müller, der zudem noch von Verletzungspech geplagt wurde und im ersten Spiel mit Platzwunde und zuletzt wegen eines Muskelfaserrisses ausgefallen war.

Wohin führt der Weg?
Die Defensive steht kompakt, taktisch ist das Team von Stefan Emmerling glänzend eingestellt und muss erst einmal geschlagen werden. Da es bald gegen Gegner wie Pfullendorf, Koblenz, Zweibrücken oder Baunatal geht, wird der Weg zwangsläufig weiter nach oben führen. Wenn die Spitze um die Meisterschaftsfavoriten, zu denen sicherlich Vorjahresmeister Hessen Kassel, Mainz 05 II, Sonnenhof-Großaspach und der FC Homburg zählen, nicht allzu weit enteilt ist, wird die Wormatia auch vorne mitspielen. Ob es am Ende für ganz oben reicht, wer weiß das schon, denn die Konkurrenz ist in diesem Jahr nicht zu verachten, lauern doch dahinter namhafte Teams wie Kickers Offenbach, Waldhof Mannheim, Eintracht Trier, SC Freiburg II. oder Eintracht Frankfurt II. Wie es scheint, ist die Regionalliga Südwest in der Breite so stark wie noch nie ist.

Die Fans sind wieder da
Da trifft es sich gut, dass Trainer, Mannschaft und Fans rechtzeitig zur neuen Saison der Schulterschluss gelungen ist. Die Fans stehen wieder hinter der Mannschaft, die in der noch jungen Saison bereits zwei denkwürdige Spiele abgeliefert hat. Das 0:0 bei den Offenbacher Kickers, als 300 Wormser gegen 7.200 OFC-Fans angesungen haben und gegen Ende hin sogar lauter waren, hat ebenso das Zeug zu einem All-Time-Klassiker wie das dramatische 1:1 gegen Vorjahresmeister Hessen Kassel, das dank des Ausgleichs in der 95. Minute mit einem bitteren Ende für die Wormatia geendet ist. Aber wie die Mannschaft zuvor in der Schlussphase von den Rängen gepuscht wurde, das hatte schon was und erinnerte an alte Zeiten. Und bekanntlich schweißen solche Spiele mehr zusammen als ein 5:1 gegen Neckarelz. Der Knoten muss bald platzen. Und er wird platzen – wegen mir auch gegen Eintracht Trier…