Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister Kessel,

es geht um mehr als nur um den Hohen Stein:

In der Bauausschusssitzung vom 19. November 2019 stellte die Stadtplanung (die beigefügten) Pläne für eine Suche nach 50 Hektar Gewerbeflächen vor. Im skizzierten, insgesamt 725 Hektar großen Suchraum sind jedoch Gewerbegebiete rechtlich unzulässig, da die Flächen raumplanerisch als „Regionale Grünzüge“ oder „Vorranggebiete Landwirtschaft“ geschützt sind. Diese Vorranggebiete sind übereinstimmend dem Flächennutzungsplan 2030 der Stadt Worms als auch den beiden Regionalen Raumordnungsplänen zu entnehmen. Da eine Umwidmung der derzeitigen Naturflächen sowie der ackerbaulich und weinbaulich genutzten Böden aufgrund raumplanerischer Vorrangkriterien ausgeschlossen ist, schlug die Stadtplanung vor, diese Kriterien aufzuweichen.

Infolge deutlicher Kritik an diesem Vorgehen beschloss der Bauausschuss am 19.11.19, den Beratungsgegenstand zurückzustellen.

In der darauf folgenden Woche formierte sich das Bündnis Hoher Stein neu und tritt mit aktuell 11 Mitgliedsverbänden dafür ein, bestehende raumplanerische Kriterien nicht aufzuweichen und keine weiteren Flächen für Großgewerbe zu verbrauchen.

Warum wenden wir uns dagegen, den bestehenden Schutz der Acker- und Naturflächen aufzugeben?

Klima: Kaltluftentstehungsgebiete werden durch den Klimawandel sowohl verwundbarer als auch schützenswerter, ihre Versiegelung bedroht besonders bereits bestehende Wärmeinseln wie z.B. die Pfeddersheimer Altstadt.

Es wäre ein nicht vermittelbarer Widerspruch, einerseits viel in Maßnahmen zu Klimaschutz, Klimaanpassung und Starkregenvorsorge zu investieren und andererseits durch großflächige Versiegelung Klimarisiken vor der Haustür zu vergrößern.

Artenvielfalt und Biotopvernetzung: Regionale Grünzüge sollen unterschiedliche Landschaftselemente verbinden. Ihre Zerstörug gefährdet den Austausch zwischen den Habitaten, engt den Genpool ein und  bedroht die Überlebensfähigkeit weiterer Pflanzen- und Tierarten

regionale Landwirtschaft: hochwertige Äcker und Weinberge drohen für die lokale Lebensmittelproduktion verloren zu gehen, landwirtschaftlichen Betrieben wird faktisch der Boden entzogen

Landschaftsbild und Erholung: Im Wormser Westen ist die Landschaft noch am wenigsten durch Bebauung und Erschließung zerteilt. Für BewohnerInnen der westlichen Stadtteile sind wertvolle Erholungsmöglichkeiten gefährdet

Steuereinnahmen aus Gewerbe werden nach der Lohnsumme verteilt. Die größte Flächennachfrage geht von der Logistik aus. Dort werden zum einen qualifikationsentsprechend geringe Löhne gezahlt, zum anderen führt die Automatisierung zu großen Hallen mit immer weniger menschlichen Arbeitskräften. Automaten aber tragen nicht zur Lohnsumme und somit auch nicht zur Gewerbesteuer bei.

Verkehr: Sowohl produzierendes Gewerbe als auch Logistik würden erheblichen weiteren Schwerverkehr auslösen. Der in Worms hohe Anteil von LKWs am Gesamtverkehr ist jetzt schon Ursache, dass Worms seine Klimaziele im Verkehrssektor verfehlt und Feinstaub- und Stickoxidbelastung nach Aussagen der Stadtverwaltung dort überproportional hoch sind. Mehr Großgewerbe würde diese Belastungen des Wormser Stadtklimas weiter verschärfen.

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, in der Wormser Zeitung vom 31.12.2019 erklären Sie eine Teilfläche des 725 Hektar großen Suchraums, nämlich den Hohen Stein für „tabu“, weil Gewerbe dort „politisch einfach nicht mehr durchsetzbar“ sei.

Selbst wenn die Stadtplanung den Hohen Stein aus dem Suchgebiet streichen würde, so blieben mindestens noch 464 Hektar hochwertiger Böden von der Versiegelung bedroht. Zu diesen weitläufigen Flächen zwischen Abenheim und Herrnsheim sowie nordwestlich und südwestlich von Pfeddersheim und zwischen A61 und K3 nordöstlich von Heppenheim treffen Sie keine Aussage.

Wie Sie sehen, geht es der Verwaltungsvorlage folgend um wesentlich mehr als nur um den Hohen Stein. Die Frage ist also nicht nur, ob die dortigen Flächen verbraucht werden sollen, sondern es geht vielmehr um die Frage, ob die Stadt Worms entgegen geltender Vorranggebiete dennoch versuchen will, Großgewerbeflächen durchzusetzen.

Auf diese zentrale Frage erwarten wir Ihre Antwort.

Zur vertiefenden Erörterung stehen wir Ihnen gerne zum Gespräch zur Verfügung.

 

Für das Bündnis Hoher Stein Elke Goldschmidt und Richard Grünewald