21. September bis 29. September 2018 | Worms Innenstadt

Zusammen bringen die drei ehemaligen Chefsatiriker des Kult-Magazins „Titanic“ stolze 165 Jahre auf die Wormser Bühne und feierten dort gleichzeitig den Rücktritt vom Rücktritt. Etwas, was sie natürlich von den ganz Großen der Branche, wie z.B. Howard Carpendale, gelernt haben. Bevor die gestandenen Satiriker Oliver Maria Schmitt, Martin Sonneborn und Thomas Gsella dem Pop-Up-Festival ein Gagfeuerwerk zum Abschluss servierten, gab es bei der nunmehr vierten Auflage des Festivals noch weitaus mehr zu entdecken.

Los ging es mit der österreichischen Schriftstellerin Stefanie Sargnagel, die vielen als erste Autorin der Social Media Generation gilt, begann doch ihr Ruhm mit Postings bei Facebook. Für Mini-Skandale sorgt sie immer wieder, in dem sie freimütig über ihren einst exzessiven Drogen-und Alkoholkonsum sowie ihre Depressionen spricht. Im idyllischen Ambiente des Heylsschlösschen las sie aus ihren unterschiedlichen Texten, die zwischen selbstreflexiv und Provokation pendeln. Nicht mehr wegzudenken vom Festival ist der Spieleabend. Mit der Anmeldung von satten 48 Teilnehmern fand dieser in diesem Jahr seinen vorläufigen Höhepunkt. Unter dem Motto „1,2 oder 3“ stellten sich 12 Teams dem Moderator Peter Englert und den Fragen von Christine Schäfer. Ganz wie in der kultigen Kinderquizsendung konnten die Teams zwischen drei Antwortfeldern hin und her springen, ehe ihnen das Licht verriet, wer denn Recht hatte. Die Fragen waren eine Mischung aus sonderlichen Allgemeinwissensfragen und Worms Wissen (Wie hieß eine Wormser Giftmörderin? Maria von Heyl, Marie Elisabeth Klee oder Christa Lehmann?) Nicht wenige erkoren hierbei die in diesem Jahr verstorbene Heyl-Erbin Klee zur tragischen Giftmörderin. Ein Moment zum dezenten Fremdschämen. Den meisten Wormsern sollte es freilich bekannt sein, dass Deutschlands erste Giftmörderin auf den Namen Christa Lehmann hört. Als Sieger ging am Ende das Team „Neu in Worms“ hervor, wobei die Teammitglieder selbst nicht mehr ganz so neu in unserer Nibelungenstadt sind.
Ganz im Zeichen der absonderlichen Kulinarik stand der Abend „Worst of Chefkoch“, basierend auf dem gleichnamigen Blog von Jonathan Löffelbein und Lukas Diestel. Für das Publikum bedeutete das, mit faszinierenden Kreationen – wie dem Salzstangenauflauf – erstmals in Berührung zu kommen.

Sonderliche Dinge liegen auch im Interesse der Titanic-Boygroup, werden jedoch zumindest für Freunde des bissigen, aber tiefgründigen Humors geschmackssicher serviert – so auch bei diesem nahezu ausverkauften Abend auf der Hinterbühne des Wormser Theaters. Wie bei einer Pressekonferenz saßen die drei Herren aufgereiht nebeneinander, jeder mit einer festen Aufgabe versehen. Während Oliver Maria Schmitt für humoristische Erzählungen und für die Moderation zuständig war, glänzte Martin Sonnenborn, Gründer von „Die PARTEI“, mit absurden Hintergrundinfos und Videos aus dem wahnwitzigen Alltag des Europäischen Parlaments. Thomas Gsella, der feingeistige Dichter des Trios, war wiederum für scharfzüngige Lyrik verantwortlich. Gsella, der auf ein stattliches Portfolio an Städtereimen verweisen kann, stellte zu Beginn enttäuscht fest, dass es leider unmöglich sei, auf „Worms“ einen Reim zu finden. Schade eigentlich. Unvergessen seine Beiträge zu Städten wie Karlsruhe: „In Karlsruhe wüten mit grauem Gesicht. Und blutroten Roben und Tonnengewicht. Die Herren der eisernen Worte.“ Politische Korrektheit war eben nie ihr Ding, was an diesem Abend Schmitt mit seiner bitterbösen, aber durchaus lustigen Sachsen-Abrechnung untermauerte. Schmitt vergaß natürlich nicht, auf die berühmte Zonen Gaby, die stolz mit ihrer ersten Banane in der Hand einst vom Cover des Satire Magazins lächelte, hinzuweisen. Wie treue WO! Leser wissen, war Zonen-Gaby „e echt Wormser Mädche“ und kam mitnichten aus der „Zone“. Am Ende dieses überaus gelungenen finalen Satire Feuerwerks stellte sich nur eine Frage! Warum eigentlich fand diese Veranstaltung auf der Hinterbühne des Wormser Theaters statt? Muss man sich Sorgen um die Zukunft des selbigen machen? Schließlich war es ein erklärter Ansatz des Pop-Up-Festivals, die Veranstaltungen an verlassenen, zuweilen vergessenen Orten stattfinden zu lassen. Ein Schelm, wer dabei nun Böses denkt!

Fazit: Satire Zombies nennen sie sich selbst, doch von diesem Stadium der Verwesung sind die Humorprofis im Moment noch weit entfernt. Diese Zombies bissen mitunter mit gefährlichen bis bösen Worten zu. Eine nachfolgende Infektion nicht ausgeschlossen.