Flüchtlingsunterkunft Salamandergelände

Die Lage ist ernst. Seit 2022 steigt in Deutschland die Zahl der Asylbewerber wieder stark an. Damit verbunden die Klage der Kommunen, längst mit der Situation überfordert zu sein. Auch Worms machte bei einem Pressegespräch Anfang Februar klar, dass man mit dem Rücken zur Wand steht.

Bereits 2015, als im Sommer dieses Jahres sich Millionen von Menschen aus Syrien, Afghanistan oder afrikanischen Ländern in Bewegung setzten, um in Europa ein besseres und sichereres Leben zu finden, erklärte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck zur Lage in Deutschland: „Unser Herz ist weit, doch unsere Möglichkeiten sind endlich.“ Waldemar Herder, Sozialdezernent der Stadt Worms, bemühte zwar nicht die Worte Gaucks, dennoch machte er unmissverständlich klar, dass auch die Möglichkeiten der Stadt nahezu erschöpft sind. Das betrifft nicht nur den Wohnraum, sondern auch die personellen Kapazitäten. Herder verwies gleich zu Beginn auf einen Brandbrief des Verbandsbürgermeisters Heiko Sippel, Landkreis Alzey-Worms (SPD), den dieser schon vor einem Jahr an die Ministerpräsidentin Malu Dreyer adressierte. Die Botschaft: „Die Kommunen sind am Limit!“ Seitdem hat sich allerdings nur wenig verbessert und vieles verschlimmert. Herder kommentierte diesen Hilferuf mit: „Mehr geht nicht!“.

Die Zahlen

304 Geflüchtete wurden der Stadt Worms im Jahr 2023 von der Erstaufnahmeeinrichtung des Landes zugewiesen. Das entspricht etwa 25 Personen pro Monat. Zwei Drittel der Menschen waren männlich. 138 waren wiederum minderjährig, wovon 50 ohne Begleitung von Erwachsenen zugewiesen wurden. Einhergehend mit der Zuweisung von Flüchtlingen, ist die Suche nach Unterkünften. Insgesamt stehen der Stadt laut deren Information 717 Plätze zur Unterbringung zur Verfügung, davon 373 in Gemeinschaftsunterkünften, 73 in Wohngemeinschaften und 271 in Wohnungen. Die Auslastung beträgt 84 Prozent und hat sich im Vergleich zum letzten Quartal leicht verschärft. Wohnungen, die explizit für ukrainische Flüchtlinge genutzt werden, wurden in dieser Statistik nicht einbezogen. Seit 2022 wurden der Stadt 1.067 Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine zugewiesen, die überwiegend privat untergekommen sind. Die Gesamtzahl der zugewiesenen Flüchtlinge –
ohne Ukrainer – seit 2015 liegt wiederum bei 3.167 Personen. Auf Nachfrage unseres Magazins erklärte die Pressestelle der Stadt Worms, dass aktuell rund 1.800 Menschen mit Flüchtlingshintergrund gemäß SGB II in Worms leben. Weitere rund 500 Menschen befinden sich im Asylantragsverfahren bzw. haben einen
„geduldeten“ Status. Davon durchlaufen 375 ein entsprechendes Verfahren. Bei 125 Personen wurde der Asylantrag abgelehnt und sie sind somit ausreisepflichtig. Die Hauptgruppe der Geflüchteten kommt aus Syrien, gefolgt von der Türkei. Weitere Nationalitäten entfallen auf Afghanistan, Iran und Somalia. Für das Jahr 2024 rechnet die Stadt mit einer Zuweisung von weiteren 330 Personen durch das Land Rheinland-Pfalz.

Es fehlt Wohnraum

Schon jetzt ist die Situation in Worms für die Unterbringung angespannt, weswegen die Stadt plant, die Unterkünfte auf dem Motorpool Gelände in der Bensheimer Straße um 54 Betten zu erweitern. Derzeit sind dort 56 Menschen untergebracht. Dennoch fehlen selbst dann der Stadt noch 180 Plätze. Verschärft wird die Situation durch die Schließung einer Unterkunft am Pfortenring. Wie Herder bei dem
Gespräch einräumte, sei grundsätzlich eine dezentrale Unterbringung die beste Möglichkeit zu einer gelungenen Integration, aber gerade
auf dem privaten Wohnmarkt sieht es hierbei nicht gut aus. Eine Situation, die auch auf die städtische Wohnungsbau GmbH zutrifft. Gebunden durch das Großprojekt am Neumarkt, leidet derzeit der Sanierungsprozess des Altbestands. Etliche der Wohnungen seien noch mit Öfen ausgestattet. Die müssten für eine Weitervermietung erstmal ertüchtigt werden. Immerhin konnte Herder abseits des ambitionierten Baus am Neumarkt auf ein weiteres Wohnungsbauprojekt im Wormser Nordend verweisen. Dort entstehen derzeit 30 Wohnungen. Unabhängig vom angespannten Wohnmarkt möchte die Stadt aber auf jeden Fall vermeiden, erneut eine Turnhalle zu belegen. Da die Grundstücke der Stadt nahezu erschöpft seien, sei die Stadt auf Angebote von Privatpersonen angewiesen und hofft auf entsprechende Angebote.

Es fehlt Personal

„Wir kommen mit unserer Infrastruktur an die Grenzen.“ Das fange schon bei der Betreuung der Gemeinschaftsunterkünfte an, habe aber auch Auswirkungen auf die Kapazitäten von Schulen, Kitas und in der Sprachförderung und auch in der Stadtverwaltung selbst. So schilderte Herder, dass man seit einem Jahr dringend benötigte Stellen in der Abteilung Asyl nicht besetzen könne. Dabei räumte er ein, dass die Arbeit mit Flüchtlingen durchaus anspruchsvoll und herausfordernd sei. So gab es vor Weihnachten gar eine bewaffnete Bedrohungssituation. Da der Schlüssel zur gelungenen Integration im Erwerb der Sprache liegt, ist es auch da problematisch, dass die Stadt das Angebot von Deutschkursen nicht ausbauen kann. Wichtig sei daher, so Herder, dass man Kinder aus Flüchtlingsfamilien in Kitas unterbringe. Obwohl die Stadt versuche, bevorzugt Plätze bereitzustellen, sei wiederum die Bereitschaft der Familien oftmals nicht gegeben. Perspektivisch ist das für Herder ein Problem. Denn wer in jungen Jahren nicht spielerisch die Sprache lernt, wird spätestens bei der Einschulung auf Probleme stoßen.

Wie geht es weiter?

Klar ist, dass die Stadt aktuell nicht mit einem Rückgang der Zahlen rechnet. Ein weiteres Problem, das in nächster Zeit ansteht, wird die Umsetzung der Bezahlkarte sein. Herder erklärte, dass man unlängst bei einer Videokonferenz des Deutschen Städtetages über die Umsetzung diskutiert habe. Auch wenn die Karte politisch gewünscht ist, bedeutet sie für die Kommunen bezüglich der Schaffung der notwendigen Infrastruktur eine Mehrbelastung durch die damit einhergehenden Verwaltungsvorgänge. Da der Haushalt ohnehin angespannt ist, müsse man daher schauen, wie man dennoch das Geld aus dem bestehenden Haushalt nehmen könne. Kurzum, die Herausforderungen sind vielfältig und eine Entspannung trotz vermehrter Hilferufe nicht in Sicht.

Text: Dennis Dirigo, Foto: Andreas Stumpf