Liebe Leser,

seit mehr als sechs Wochen befinde ich mich in einer Blase, welche man im Allgemeinen als „Wahlkampf“ bezeichnen würde. Es ist das erste Mal für mich, dass ich mich auf so einen Wettbewerb einlasse und ich muss sagen, es ist eine Erfahrung wert. Ob diese jetzt durchweg positiv oder negativ ist, kann ich Ihnen noch nicht genau beschreiben. Hier ein paar Erfahrungswerte, falls Sie irgendwann beschließen sollten, Oberbürgermeister zu werden.

Einige Sachen habe ich im Vorfeld vollkommen überschätzt. Inhalte zum Beispiel. Sie können sich wochenlang mit verschiedenen Menschen einen Plan ausarbeiten, wie man die Stadt besser gestalten könnte und dann im entscheidenden Augenblick stellen Sie fest, dass Inhalte wohl vollkommen zweitrangig scheinen. Von überall kommen sehr viele Phrasen, die im Endeffekt aber gar niemanden weiterbringen. „Einzelhandel fördern!“ wird da gefordert oder „Mittelstand stärken!“. „Aber wie?“ höre ich mich innerlich immer wieder schreien. Diese Frage bleibt einfach offen. Ein guter Freund sagte mir mal: „Weißt du Peter, so geht nun mal Politik, viel sagen, aber nichts meinen.“ So langsam weiß ich, was er mir damit sagen will.

Generell gleicht sich das Programm aller Kandidaten irgendwann an und alle sagen mehr oder weniger das Gleiche. Das Projekt „Silicon Worms“, ein Gründungszentrum für junge Start-Ups aus der Hochschule, fordert jetzt plötzlich jeder der anderen Kandidaten auch. Immerhin: Sollte es umgesetzt werden, habe ich schon etwas erreicht. Interessant sind die Gespräche und Begegnungen, die man führt. Viele davon beschäftigen mich auch Tage danach noch, wenn ich mich frage, was man tun könnte oder wo das Problem entsteht. Es ist eine Menge positives Feedback, das mir zugetragen wird, aber rechnen Sie immer damit, dass Sie im Internet oder auch auf der Straße massivsten Beleidigungen oder Beschimpfungen ausgesetzt werden. Manche Menschen mögen vielleicht Ihr Programm nicht oder Ihre Frisur, viele werden Sie aber ganz einfach grundlos hassen, weil Sie anders sind.

Wichtig ist, dass Sie einfach authentisch bleiben. Lassen Sie sich nicht verändern. Es wird Leute geben, die Ihnen aufzwingen wollen, nur noch in einem Anzug rumzulaufen oder ganz viele geschwollene Sätze zu sagen. Bleiben Sie einfach Sie selbst und verstellen Sie sich nicht. Ihr Leben geht nach der Wahl weiter, ob man jetzt gewinnt oder nicht. Wäre doch blöd, wenn man sich schon vorher vereinnahmen lässt.

Wie speziell diese OB-Wahl ausgeht, kann ich nicht sagen. Das werden Sie besser wissen, wenn Sie am Abend des 4. oder am Morgen des 5. November in Ihrer Zeitung blättern und auf die Wahlergebnisse schauen. Wichtig wäre mir nur, dass Sie Ihre Stimme abgegeben und an der der Wahl teilgenommen haben. Dann können wir uns – weder Sie noch ich – hinterher nicht den Vorwurf machen, dass wir meinungslos bei etwas zugeschaut haben.

Bis nächsten Monat, dann wissen wir vielleicht schon, ob ich OB bin. 🙂

Viele Grüße
Jim Walker Jr.