WO! im Gespräch mit dem Bundestagsabgeordneten Jan Metzler

Seit genau zehn Jahren vertritt Jan Metzler unseren Wahlkreis im Bundestag. Zunächst in der Regierung und seit 2021 auf der Oppositionsbank. Die Arbeit und vor allem die Krisen sind dennoch nicht weniger geworden. Wir sprachen daher mit dem Politiker über die derzeitige Lage der Nation und was aus seiner Sicht vielleicht besser gemacht werden könnte. Aufgrund des Umfangs des Gesprächs lesen sie den zweiten Teil in der Dezember-Ausgabe.

WO! Seit vielen Jahren wird die Politik zunehmend von dicht aufeinanderfolgenden Krisen bestimmt. Wie bewerten Sie die aktuelle Lage?

Es ist für manche kaum noch vorstellbar, dass es mal eine Zeit gab, in der die griechischen Staatsschulden unser größtes Problem waren. Was wir dieser Tage mit dem Terroranschlag auf Israel und hunderten ermordeten und massakrierten Juden sehen, ist an Grausamkeit kaum zu überbieten. Es führt uns in erschreckender Weise vor Augen, wozu Menschen fähig sind. Und so zynisch es auch klingen mag: mal wieder. Auch in der Ukraine und dem Iran haben wir in den letzten Monaten unfassbares Leid gesehen. Krise ist längst das neue Normal geworden. Wir haben eine völlig veränderte Welt als noch vor zehn Jahren und wir müssen schauen, wie wir damit umgehen, als Menschen, aber auch als Gesellschaft. Das beginnt bei der Landesverteidigung und endet bei der Art und Weise, wie und mit wem wir wirtschaften. Eines dürfen wir auf keinen Fall und darin sehe ich eine reelle Gefahr: Im Angesicht der vielen Krisen und Grausamkeiten dürfen wir nicht gegenüber dem Leid abstumpfen oder die Perspektive verlieren.

WO! Seit zwei Jahren regiert die Ampel Regierung. Welche Schulnote würden Sie von der Oppositionsbank aus vergeben?

Wenn ich die Arbeit der Regierung richtig gut fände, würde das wahrscheinlich überraschen. Sagen wir mal so: Wir können uns in der Opposition nicht über mangelnde Arbeit beklagen. Aber wir sind mit der Unzufriedenheit nicht allein. Die Kritik ist ja nicht konstruiert und das merkt man auch, wenn man mit den Bürgerinnen und Bürgern spricht. Wir haben da eine ganz schlechte Stimmung im Land, irgendwo zwischen Ärger, Frustration und teilweise sogar Resignation. In einer jüngsten Forsa-Umfrage gaben 79% der Befragten an, dass ihrer Meinung nach die Regierung kein Konzept hätte. Übersetzt in Schulnoten wäre das eine 4,4 also knapp an mangelhaft vorbei. Wohlgemerkt, da sind auch SPD-, Grüne-, und FDP-Wähler eingeschlossen. Verstehen sie mich nicht falsch: Vieles liegt seit längerem im Argen und nicht erst seit zwei Jahren. Die CDU kann sich da nicht komplett aus der Verantwortung nehmen. Ich habe schon öfters gesagt, dass ich nicht mit allem einverstanden war, was entschieden oder eben auch nicht entschieden wurde. Wir haben es uns an der einen oder anderen Stelle zu bequem gemacht und harte, aber für die Zukunft eigentlich notwendige, Entscheidungen nicht getroffen. Auch deshalb hatten wir 2021 auch völlig zurecht eine Wechselstimmung im Land. Aber von der Anfangseuphorie der Ampelregierung mit Selfie-Hype, ist leider viel zu schnell kaum noch etwas übrig. Deutschlandgeschwindigkeit, Zeitenwende und Doppel-Wumms sind Worthülsen und es hat sich Ernüchterung breit gemacht. Und das tut dem Land nicht gut.

WO! Sie sind sind Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Energie. Wie beurteilen Sie die Wirtschaftspolitik?  

Bleiben wir bei besagter Forsa-Umfrage: Unternehmer bewerten die Wirtschaftskompetenz noch schlechter: 4,6, also mangelhaft. Das verwundert wenig bei der Masse an Themen, die ungelöst auf dem Tisch liegen: Energiekosten, Bürokratie, Fachkräftemangel, sinkende Produktivität, ein Einbruch bei den Direktinvestitionen. Und was noch viel schwerer wiegt, ist diese latente Skepsis gegenüber Unternehmern, insbesondere wenn sie halbwegs erfolgreich sind. Was die Regierung ignoriert, ist das Geld erstmal erwirtschaftet werden muss, bevor man es ausgibt. Da muss sich dringend etwas in der Grundeinstellung ändern. Von Seiten der Union liegen seit längerem konkrete Vorschläge auf dem Tisch, wie man die Wirtschaft unmittelbar stützen kann. Dazu zählt ein Belastungsmoratorium, also keine neuen Gesetze, die mehr Bürokratie bedeuten. Dazu zählen die Steuern und Abgaben auf Strom zu senken, und zwar für alle. Unser Strom ist in der Erzeugung nicht teurer als anderswo. Die Preisdifferenz ergibt sich nur durch Steuern und Abgaben. Außerdem brauchen wir als Exportnation neue Freihandelsabkommen, nicht nur, aber auch, mit den USA. Wir müssen runter mit den Unternehmenssteuern, da sind wir leider nach wie vor Weltspitze. Ich finde auch über das Aus des Verbrennermotors muss man diskutieren. Wir verbieten unseren stärksten Wirtschaftszweig ohne echte Alternative. Wo wollen wir als Industrienation in 20-30 Jahren stehen? Auch nach 2030 werden überall

WO! Zahlreiche Menschen in Deutschland treibt das Thema Zuwanderung um. Die Ampel hat nun reagiert. Ist das der richtige Weg?

Die Frage zielt sicherlich auf das Spiegel-Interview des Kanzlers ab. Wenn man sich das Interview durchliest, kam da ehrlicherweise nicht viel Neues rüber: Dass wir illegale Migration begrenzen müssen, ist ja längst Konsens. „Wir müssen das tun“ ja, das klingt erstmal gut, aber das ist nicht neu, das kaufen die Leute der Politik doch nicht mehr ab. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten zurecht, dass nicht nur geredet wird. Jetzt haben wir Ende Oktober und passiert ist bisher wenig. Das hat alles viel zu lange gedauert. Es liegen seit Monaten von unserer Seite konkrete Vorschläge auf dem Tisch, mit denen man die Pull-Faktoren mindern und die illegale Migration deutlich begrenzen kann. Wir können es den Leuten auch längst nicht mehr vermitteln, dass jemand der keinen Asylgrund hat, gar nicht in unserem Land sein darf, eigentlich ausreisen müsste aber dann trotzdem die gleiche Unterstützung erhält, wie ein Bürger unseres Landes oder eben ein Flüchtling, der tatsächlich anerkannt ist. Das hat auch nichts mit „rechts oder links sein“ zu tun, sondern mit gesundem Menschenverstand. Am Ende bezahlt es nämlich genau derjenige mit seinem kleinen und mittleren Einkommen, über den wir eben gerade geredet haben.

WO! Die AfD ist derzeit im Aufwind. Ist Deutschland in Gefahr, nach rechts abzudriften?

Das Ergebnis hat mich leider nicht überrascht. Wir haben eine Diskrepanz zwischen medialer Wahrnehmung und Wahlverhalten. Wenn die AfD bei 23 % steht, ist das ein Alarmsignal für alle. Und ich glaube nicht, dass man das löst, indem man konkrete Sorgen, wie beispielsweise den Migrationsdruck und die damit verbundenen Ängste nicht anspricht. Ich finde es ehrlich gesagt ziemlich dreist, dem Wähler abzusprechen, dass er beurteilen kann, welche Probleme für ihn real sind und welche nicht. Dass ein reines Ansprechen Knackpunkten in unserem Land schon ausreicht, um ihn davon zu überzeugen AfD zu wählen. Das wird dem mündigen Wähler überhaupt nicht gerecht. Offensichtlich ist die Art und Weise, wie wir seit bald zehn Jahren mit dem Thema umgehen, gescheitert. Nicht jeder der Grenzkontrollen und die Ausweisung von Menschen befürwortet, die nicht bei uns sein dürfen, weil sie eben keinen Asylgrund haben, ist rechts oder gar rechtsextrem.

In der Dezember Ausgabe lesen Sie Teil 2 des Interviews

Das Gespräch wurde geführt von Dennis Dirigo