Windräder

Bürgerinitiative wehrt sich gegen den Aufbau von Repowering Windrädern

Windräder sind bei den Bürgern/innen oftmals wenig geliebt, von der Politik wiederum sind sie sehr geschätzt auf dem Weg in ein klimaneutrales Deutschland. Auch Worms blieb nicht verschont von der Ausbreitung der Windtürme. Bisher blieb es ruhig. Das hat sich Anfang des Jahres allerdings geändert. Eine Bürgerinitiative aus Leiselheimern und Herrnsheimern wehrt sich nun gegen die Installation von zwei neuen Türmen.

Betroffen sind konkret drei Windräder in der Gemarkung zwischen Leiselheim und Herrnsheim, die die Firma Juwi aus Wörrstadt betreibt. Die sollen in nächster Zeit abgebaut werden und durch zwei Windräder er- setzt werden. Diese sind allerdings doppelt so hoch und ragen statt 123 Meter satte 246 Meter in den Himmel. Das Vorgehen nennt sich Repowering. Das passt nicht jedem, der in unmittelbarer Nähe der Räder wohnt. Im letzten Jahr formierte sich der Unmut einiger Bürger/innen in den betroffenen Stadtteilen zu einer Bürgerinitiative. Der Vorwurf ist, dass die neuen größeren Räder ebenso größere Rotorblätter benötigen. Deren Schallimmission könnte negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Ebenso befürchten sie durch den Abrieb beim Drehen der Blätter eine Kontamination des landwirtschaftlichen Bodens mit Mikropartikeln. Da die Fundamente der neuen Riesen im Ausmaß deutlich größer sind als die bisherigen, sieht die Gruppe den Artenschutz gefährdet. Ganz zu schweigen von den Insekten, die durch die Blätter geschreddert werden. Ein weiteres Argument gegen die neuen Türme erkennt die Initiative in dem städtischen Ziel, mehr auf Tourismus zu setzen. „Wir wollen nicht, dass unsere Kulturlandschaft „umgepflügt“ wird und zu einer Wind-Industrielandschaft verkommt! Unbelastete Natur hat einen hohen Erholungswert für die Bevölkerung“, erklärt hierzu die Initiative, der derzeit laut eigener Aussage rund 40 Bürger/innen angehören. Zwar handele es sich erst mal nur um die beiden Räder, allerdings befürchtet die Bürgerinitiative, dass die nächsten folgen werden, denn schließlich ist das wirtschaftliche Ende der Windräder nach 20 Jahren erreicht. Ins- gesamt elf Windräder werden derzeit auf Wormser Boden aktiv betrieben, die weiteren Räder in der Nähe der Ortsgrenze gehören bereits zu Mörstadt, wie die Stadt auf Nachfrage unseres Magazins erklärt.

Nur scheinbar umweltfreundlich?

Die Stimme der Initiative, der pensionierte Leiselheimer Diplom Ingenieur HEINRICH HOFMANN, ist im Gespräch mit WO! überzeugt, dass dies vermeidbar wäre, wenn man die alten Räder weiterbetreiben würde. Allerdings ist ihm klar, dass das für die Unternehmen wohl unrentabel wäre. Hofmann erklärt dazu: „Die doppelte Höhe neuer Windräder bedeutet eine bis zu dreifach erhöhte Windgeschwindigkeit – damit lässt sich im Idealfall bis zu 27-mal mehr Strom produzieren, das sagen zumindest die Unternehmen.“ Damit wirbt die Firma Juwi auf ihrer Homepage auch um Investoren. Selbstverständlich ist es legitim, mit Gewinnen zu werben. Doch stellt sich die Frage, ob die Windkraftkonzerne darüber hinaus das Ziel der Umweltfreundlichkeit aus dem Auge verlieren? Das sogenannte „Markprämienmodell“ zur Förderung der Erneuerbaren Energien garantiert eine staatliche Mindestvergütung. Eine Obergrenze der über die Stromabrechnung garantierten Vergütung ist nicht vorgesehen, wodurch in der Branche derzeit Goldgrä- berstimmung herrscht, da man von hohen Strompreisen profitiert. Für Hofmann, der auch im bundesweit arbeitenden Arbeitskreis für Energie und Natur (AKEN) tätig ist, steht fest, dass die Energiestrategie der Regierung wahnwitzig ist und Windräder nicht so umweltfreundlich seien wie gedacht. Im Gespräch verweist er auf die unzureichende Recyclingquote und die Zerstörung der Regenwälder, da für die Herstellung der Rotorblätter Balsaholz benötigt wird, das eben in diesen Regenwäldern wächst. Tatsächlich kritisieren sogar Umweltverbände, wie der Umwelt Watchblog, diesen Vorgang und rechnen vor, dass jährlich ungefähr 13 Millionen Hektar tropische Regenwälder den weltweiten Klimazielen geopfert werden.

Windkraft in Rheinhessen nicht effizient?

Ebenso stellt Hofmann die Effizienz in Frage. Abhängig von der jeweiligen Wetterlage sind Erneuerbare Energien natürlichen Schwankun- gen ausgesetzt. Die Einspeisung aus erneuerbaren Energiequellen sank dementsprechend im Vergleich zum 3. Quartal 2020 leicht um 0,8 Prozent. Dabei nahm die Stromeinspeisung aus Windkraft um 2,0 und die Einspeisung aus Photovoltaik um 2,8 Prozent ab. 43 Prozent des gesamten Strombedarfs wurde 2021 über Ökostrom abgedeckt, davon 16,6 Prozent durch Windenergie. Im Gegenzug stieg die importier- te Strommenge im 3. Quartal 2021, im Vergleich zum 3. Quartal 2020, um 13,6 % (Quelle Statistisches Bundesamt). Wirtschafts- und Ener- gieminister ROBERT HABECK steht also noch ein langer Weg bis zur Klimaneutralität 2045 bevor. Eine bedeutende Rolle auf diesem Weg kommt hierbei der Windenergie zu. Bereits 2030 soll der Ökostromanteil auf 80 Prozent nahezu verdoppelt werden. Worms will sogar bis zu diesem Zeitpunkt klimaneutral sein. Beides sind ehrgeizige Ziele, doch der Ausbau stockt, wie unlängst Juwi Geschäftsführer CARSTEN BOVENSCHEN dem Energie Magazin stadt + werk verriet. Lediglich 69 Megawatt (MW) Leistung gingen im vergangenen Jahr ans Netz. So wenig wie zuletzt 2008. Der benötigte Netto-Zubau von jährlich 500 MW bis 2030 rückt so in weite Ferne. Bovenschen erklärt, dass „die Genehmigungsverfahren verkürzt werden müssen“, um letztlich mehr Räder aufstellen zu können. Um Habecks Ziele zu errei- chen, müssten alleine in Rheinland-Pfalz jährlich rund 100 Windräder neu aufgestellt werden. Im letzten Jahr waren es gerade mal 16, die neu ans Netz gingen. Für die Bürgerinitiative und AKEN ist das allerdings indiskutabel. Wie Hofmann unserem Redakteur erklärt, sind sie nicht grundsätzlich gegen Windenergie, aber sie soll eben dort genutzt werden, wo es Wind gibt, nämlich bei den Offshore Windanla- gen in Nord- und Ostsee

Wie geht es weiter?

Für Bürgermeisterin STEPHANIE LOHR, die auch für diesen Bereich zuständig ist, ist die Installation der riesigen Türme alternativlos. Lohr sieht die neuen Riesen als wichtiges Element zu einem klimaneutralen Worms, da diese deutlich effizienter seien und zudem preisgünstigen Strom produzieren. Die Einwände der Bürgerinitiative sind ihr bekannt und sie betont, dass die Windräder einer strengen Kontrolle unterliegen. So sei die Struktur-Genehmigungsbehörde Süd (SGD Süd) dafür zuständig, sich mit den Auswirkungen des Schalls zu beschäfti- gen. Ebenfalls müsste der Betreiber vielfältige Gutachten einreichen, die intensiv geprüft werden. Bedenkenlos sieht sie auch die Boden- kontamination durch möglichen Abrieb. Ebenso würden derzeit die Auswirkungen auf Tiere geprüft werden. Auch hier vertraut sie auf die Akribie von Experten und betont, dass es nicht ihr Eindruck sei, dass man „zu lasch“ agiere. Ohnehin hat die Stadt kaum Möglichkeiten, die Riesentürme zu verhindern, wie die Bürgermeisterin erklärt. Laut Baugesetzbuch kann eine Zustimmung nur aus bauplanungsrechtlichen Gründen versagt werden. Das heißt konkret, der Bauausschuss hätte lediglich Einwände gegen die Höhe geltend machen können. Das hat er aber nicht, wodurch der Weg frei ist. Die Bürgerinitiative, die von dem renommierten Anwalt THOMAS MOCK beraten wird, hat Anfang des Jahres erst mal einen Einspruch eingelegt. Kurz vor Ablauf der Frist am 7. Januar wurden der Stadt von 42 Personen Einsprüche überreicht, wobei Lohr im Gespräch ergänzt, dass mehrere Einsprüche aus einem Haushalt kämen, sodass am Ende noch 14 übrig bleiben. Am 23. Februar sollte bei einem öffentlichen Erörterungstermin über die Einsprüche entschieden werden. Aufgrund der Pandemie und einer umfassenden Prüfung der Einsprüche, wurde eine Verlegung notwendig. Termin offen.

Text: Dennis Dirigo, Foto: Andreas Stumpf