Nirgendwo sonst können sich die Schreiber so hemmungslos auslassen wie in den Feuilletons der großen Tageszeitungen. Während sich die SÜDDEUTSCHE unter der Überschrift „Mein Gott, ist das reich an Beziehungen“ diesmal nur einen Teil-Verriss leistete (und dabei selbst mit inhaltlichen Fehlern nicht geizte), fanden sowohl der SPIEGEL und vor allem DIE WELT das Stück sogar ausgesprochen gut. Der Super-Verriss blieb diesmal Volker Oesterreich von der Rhein-Neckar-Zeitung vorbehalten, der unter „Die Wormser Nibelungen-Festspiele und ihr großes Missverständnis“ beschreibt, dass er den Tiefpunkt in der 15-jährigen Geschichte der Nibelungen-Festspiele erlebt habe. Nur steht er mit dieser Meinung ziemlich alleine da…

SPIEGEL
Es ist ein krass überdrehtes Spiel um geniale Einfälle, Darsteller-Eitelkeit und künstlerische Verblendung, das sich Ostermaier da ausgedacht hat. Nuran David Calis lässt ein Filmteam auf der Bühne werkeln und jede halbwegs erhebliche Aktion in Großaufnahme auf eine Leinwand übertragen, weshalb diese „Nibelungen“ ein wenig so aussehen, als würden sie in Frank Castorfs Berliner Volksbühne aufgeführt.

FAZ
Die Intrigen und Eitelkeiten auf dem Set eskalieren und gehen, in prachtvollen Videonahaufnahmen auf eine Filmleinwand projiziert, auch den entferntesten Sitzreihen unter die Haut.

DEUTSCHLANDFUNK
Es gibt auf der am Ende gefluteten Bühne Pressekonferenzen, Mittelhochdeutsch, eine Bombendrohung. Nach der Pause fällt das Stück in sich zusammen, dafür wird Heiner Lauterbach als Wormser Bürgermeister per Video zugeschaltet. Auch schön. Albert Ostermaier, der Torwart der deutschen Autoren-Nationalmannschaft, hatte übrigens einen sympathischen Stargast im Publikum: Jogi Löw. Der hat gerade ein Finale verpasst. Das muss man von Ostermaier leider auch sagen.

NACHTKRITIK.DE
Vor Kalauern schreckt Ostermaier in seinem Stück nicht zurück. Da reimt sich Prostata auf Prosa, da wird über die „fucking Metaebene“ sinniert, da heißt der Filmproduzent mit Nachnamen Trauer und sein Autor Weide.

SÜDDEUTSCHE
Jeder erhält hier seinen Monolog, den abgründigsten Josef Ostendorf. Beim Lesen des Stücks sind das Momente bohrender psychologischer Tiefe, in der Aufführung führen sie zu Stillstand auf Stillstand.

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Dennoch ächzt „Gold“ zunehmend unter der Last der Lustigkeit, die ihm aufgebürdet wird – und, paradox, auch unter der Ernsthaftigkeit, die ihm Calis und Ostermaier tiefer schürfend doch noch unterjubeln wollen. Gleichwohl: Worms ist zwar noch nicht Salzburg, aber die Provinz hat es bei aller Mäkelei doch schon weit hinter sich gelassen.

FAZ
Als genialen Casting-Schachzug hat der Produzent die Rolle des Siegfried mit dem Türken Mohammed besetzt, was, wenn man durch das stark migrantisch geprägte Worms spaziert, nur mehr als naheliegend erscheint.

RHEIN NECKAR ZEITUNG
Muss man mit ihnen Mitleid haben, weil die prominente Gurkentruppe diese Produktion so sehr vergeigt hat? Muss man als Kritiker wie Siegfried unter der Tarnkappe zur Tat schreiten? Oder muss man, geblendet von all den illustren Gästen auf der Zuschauertribüne, alle Standards über Bord werfen und lobhudelnde Schalmeienklänge anstimmen ob dieser Uraufführung von Albert Ostermaiers „Gold. Der Film der Nibelungen“ vor dem imposanten Dom zu Worms? Nein, muss man nicht. Denn dieser Abend markiert den bisherigen Tiefpunkt in der 15-jährigen Geschichte der Nibelungen-Festspiele.

SCHWÄBISCHE ZEITUNG
Nuran David Calis hat das alles mit Gespür fürs Timing inszeniert, das so ein Freilufttheater nötig hat. Gelegentlich treibt er den dreistündigen Abend in kontrollierte Ekstasen, gegen Ende drehen Stück und Inszenierung sich genügsam um sich selbst.

DIE WELT
In der ersten Draufsicht ist Ostermaiers Stück eine derbe, kein Klischee scheuende Satire auf die Film- und Theaterwelt mit ihren Abgründen und Eitelkeiten. Und wenn per Videoeinspielung Heiner Lauterbach als Oberbürgermeister Koppoler mit dem Produzenten über die explodierenden Kosten spricht, wird jedem klar, dass der Autor hier auch sich selbst, die Wormser Festspiele mit ihrem im vergangenen Jahr eingesetzten neuen Intendanten, dem Filmproduzenten Nico Hofmann, und das kulturpolitisch überaus ehrgeizige Wormser Stadtoberhaupt auf die Schippe nimmt.

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Und natürlich fühlt man sich oft auch an Helmut Dietl erinnert, muss an die eitlen Selbstdarsteller aus „Rossini“ und an die Geltungssüchtigen aus „Kir Royal“ denken.

RP ONLINE
…wem jetzt ob all der Klischees schwindlig geworden ist, hat eine zutreffende Vorstellung von dem, was die buntscheckige Inszenierung bietet. Regisseur Nuran David Calis entfesselt eine Typenrevue, die alles darf, außer: langweilen.

SPIEGEL
Sehr viel reizvoller sind die Momente, in denen Calis mit der Verfilmung des Nibelungen-Stoffs wirklich Ernst machen lässt. Dann sieht man zum Beispiel die gerade noch aufgekratzt blödelnde Schauspielerin Katja Weitzenböck plötzlich sehr ernst bis zur Hüfte in einem Bühnenteich stehen und feierlich die Verse der Kriemhild aus Friedrichs Hebbels „Nibelungen“ aufsagen.

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Der Autor macht auch kein Geheimnis daraus, bei welchen Vorbildern er sich bedient hat, die Namen und Titel fallen allesamt in seinem Stück.

FAZ
Michaela Steiger gibt im roten Kimono die Mimin der gereiften Brünhild als majestätische Trinkerin, die über die von ihr erlittene Schändung einen Wutmonolog hinlegt, der jeden David-Lynch-Film zieren würde. Die großartige Katja Weizenböck verleiht ihrem Bild der späten Kriemhild-Darstellerin die Bitterkeit, Selbstgerechtigkeit und Liebessehnsucht eines sensiblen Ex-Pornostars.

SÜDDEUTSCHE
Ostermaier schrieb ein Stück, das nur bedingt Rücksicht nimmt auf die Aufführungssituation an der frischen Luft. Das ist aber gut so. „Gold“, so der Titel von Teil 2 seiner Trilogie, ist ein Meta-Mythen-Drama, das vor allem eines sucht: eine Nibelungen-große Verblendung in unserer Gegenwart. Ostermaier findet sie im Filmgeschäft. Ein Regisseur namens Kubik (nicht Kubrick) will anhand des „Nibelungen“- Stoffs den deutschen Film an sich drehen, seine „Apokalypse Now“, quasi Worms im Herzen der Finsternis.

DIE WELT
Nach dem nicht gerade glänzenden Auftakt der Ära Hofmann/Ostermaier mit „Gemetzel“ im vergangenen Jahr beweist „Gold“, dass diese Festspiele, anders als die Nibelungen selbst, durchaus wie ein lernfähiges System funktionieren.

RHEIN NECKAR ZEITUNG
Am schlimmsten ist aber, dass keiner der Beteiligten die Gesetze des Open-Air-Theaters kennt. Die Bühnenaktionen bleiben meist links liegen oder werden von den Scheinwerfern unterbelichtet, damit alle auf die große Videowand glotzen können. Public Viewing statt Freilufttheater. Ein großes Missverständnis.

DIE WELT
Regisseur Calis beweist mit dieser Inszenierung, dass auch in dem groben Format Freilichttheater hochkomplexe Stücke gezeigt werden können. Ihm gelingt das mit „Gold“, indem er neben wirklich guten Schauspielern zwei Mittel virtuos einsetzt. Das eine ist die Kamera, die den Film tatsächlich ins Theater holt und durch Close-ups auch psychologische Nuancen des Spiels der Darsteller transportiert. Den Hauptbeitrag zum Erfolg aber leistet die Bühnenmusik. Ein Hoch auf diese virtuose, als Janitscharentruppe kostümierte Kapelle aus Bläsern und Streichern, die, immer präsent, das Geschehen wie der Chor in der antiken Tragödie kommentiert, vorantreibt, untermalt und überhaupt dafür sorgt, dass der Spannungsbogen nicht abbricht!

RHEIN NECKAR ZEITUNG
Die ganze Crew, vor allem aber Nico Hofmann, Albert Ostermaier und Nuran David Calis, sollten sich um Hospitanzen bei den Burgfestspielen zu Jagsthausen, in Bad Segeberg oder im Heidelberger Schlosshof bemühen. Dort weiß man, wie Freilufttheater funktioniert. Und wenn’s ein paar Nummern größer sein soll: Bitteschön, in der Arena zu Verona gibt’s vermutlich auch noch ein paar Praktikantenplätze.

SCHWÄBISCHE ZEITUNG
Da kann auch Uwe Ochsenknecht nichts mehr richten, der als Produzent zwar eine beeindruckende „Ich habe Krebs“-Pressekonferenz performt, ansonsten aber stoisch-sprachlos dem Geschehen beiwohnt.

NACHTKRITIK.DE
Josef Ostendorf sticht als wehleidig-larmoyanter Drehbuchautor Charlie Weide aus dem Ensemble heraus, Uwe Ochsenknecht hat in der Rolle des todkranken Produzenten beeindruckende Momente.