Als sich die Nachricht verbreitete, dass der Wormser Kaufhof nach mehr als 90 Jahren seine Pforten schließen soll, sorgte das nicht nur bei den Mitarbeitern für Enttäuschung, sondern auch bei der Gewerkschaft, der Politik und den Gewerbetreibenden der Innenstadt. Nach anfänglicher Ratlosigkeit geben sich nun alle Seiten wieder kampfeslustig. Die Frage wird aber früher oder später dennoch sein: Wie geht es weiter mit dem Gebäude und der Innenstadt?
Nach bisherigem Stand schließt der Kaufhof am 31. Oktober für immer seine Türen. Das möchten viele Akteure aus unterschiedlichen Gründen nicht. Während sich der Betriebsrat und die Gewerkschaft Verdi für die Erhaltung der Arbeitsplätze stark machen oder zumindest bessere Bedingungen zur Abwicklung erhoffen, geht es Politik, Stadtverwaltung, Gewerbetreibenden und Stadtmarketing auch um die Zukunft der Wormser Innenstadt. Am 9. Juli lud Verdi gemeinsam mit dem Betriebsrat zu einer Kundgebung, bei der zugleich eine Petition gestartet wurde. Die Beschäftigten rufen, gemeinsam mit der Gewerkschaft, die Unternehmensleitung um Multimilliardär René Benko auf, sich mit dem Vermieter und der Stadt an einen Tisch zu setzen, um alle Möglichkeiten zu prüfen, den Betrieb fortzuführen! Sollte das nicht klappen, wollen sie erreichen, dass sie für 12 Monate in eine Transfergesellschaft überführt werden. Derzeit sind nur sechs Monate geplant. Zuwenig Zeit, meinen die Mitarbeiter, um die Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt zu prüfen. Neben den zahlreichen Bürgern, die erschienen waren, versammelte sich auch die Politik vor dem Kaufhaus. Oberbürgermeister Adolf Kessel übte sich an diesem Tag in Optimismus und erklärte, dass er im Gespräch mit den Immobilieneigentümern sei. Das ist das Unternehmen ehret + klein. Eine Kündigung sei zwar von Seiten der Unternehmensgruppe Signa noch nicht erfolgt, erklärte der Eigentümer, räumte aber auch ein, dass Gespräche hinsichtlich einer Mietminderung bislang nicht zum Erfolg führten. Wie auch immer die Verhandlungen mit Signa und ehret + klein ausgehen, klar dürfte sein, dass der Kaufhof letztlich endgültig schließen wird. Somit drängt sich die Frage auf, was passiert mit dem Gebäude, das bereits seit 1965 das Gesicht der Kämmererstraße prägt und welche Auswirkungen hat die Schließung auf die Innenstadtentwicklung? Sich dessen bewusst, dauerte es nicht lange, bis die Politik erste Ideen äußerte, von denen aber längst nicht alle Anklang in der Bevölkerung finden. Umstritten ist die Umwandlung des Verwaltungstraktes in das lange geplante „Rathaus II“. Jens Guth, MdL SPD und Stadtrat, ist davon überzeugt, dass dies eine Win/Win-Situation für die Stadtverwaltung, als auch für die Immobilieneigner sei. Die Innenstadtentwicklung würde hingegen eher nicht von dieser Idee profitieren. Ob sich dieser Plan realisieren lässt, hängt ohnehin davon ab, was ehret + klein mit ihrem Eigentum planen und ob man sich auf eine realistische Mietzahlung für die hochverschuldete Stadt einigen kann. Die zentrale Frage lautet aber, wie sich die gesamte Innenstadt in den kommenden Jahren entwickeln wird. Klar ist, dass sich das Kaufverhalten geändert hat und der Innenstadthandel mit dem oftmals preisgünstigeren und vor allem bequemeren Internet konkurrieren muss. Geht es nach dem Willen des Wormser Stadtrats, soll es ein externer Berater richten. In einem gemeinsamen Eilantrag forderten SPD und CDU die Verwaltung auf, ein externes Büro zur Weiterentwicklung der Einkaufsinnenstadt zu beauftragen. „Dabei sollen Ziele und Visionen gemeinsam mit Akteuren des Einzelhandels, der Wirtschaft, Politik und Kultur entwickelt und eine Fortschreibung vorhandener Konzepte ermöglicht werden. Dazu stellt der Stadtrat ein Budget bis zu 100.000.- Euro zur Verfügung“, heißt es dort. Timo Horst, SPD, erklärte hierzu: „Hintergrund ist nicht nur die Schließung Kaufhof. Ich sehe das als Chance, die wir ergreifen müssen!“ Mit großer Mehrheit wurde der Antrag angenommen. Viel Geld, das man zur Verfügung stellen möchte, zumal die Probleme der Innenstadt den meisten Bürgern bekannt sein dürften und damit auch den städtischen Akteuren. Auf Nachfrage unseres Magazins erläuterte Horst, dass er die beratende Firma mehr als Moderator verstanden haben will. Das ändert nichts daran, dass die notorische klamme Stadt das Geld auch direkt in eine Innenstadtbelebung investieren könnte. Alfred Koch (FDP) verwies im Gespräch mit WO! darauf, dass ein Besuch in der Innenstadt ein Erlebnis sein sollte und fragt sich, warum man z.B. am Wochenende nicht unterschiedliche regionale Künstler auf dem Obermarkt spielen lässt, um ein wenig Stimmung aufkommen zu lassen. Hierbei hätte man gleich mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Man würde in Zeiten von Corona den gebeutelten Künstlern helfen, könnte einen Beitrag zur Integration liefern, in dem man unterschiedlichste Musiker spielen lässt und würde zugleich die Innenstadt beleben. Natürlich ist das nicht der Weisheit letzter Schluss, aber ein Anfang. Wichtig ist es aber auch, alle Akteure an einen „runden Tisch“ zusammenzubringen, wie es Stephanie Lohr (CDU) WO! gegenüber bereits vor dem teuren Eilantrag anregte. Dazu gehören neben dem Stadtmarketing auch die Immobilieneigentümer in der Fußgängerzone, sowie die Wirtschaftsförderungsgesellschaft, deren Aufgabe es unter anderem ist, attraktive Betriebe nach Worms zu locken. Geklärt wurde das alles schon vor einigen Jahren, als man bereits ein Innenstadtkonzept auf den Weg brachte. Dort erörterte man bekannte Probleme, mangelhafte Verkehrskonzepte (ÖPNV, Parkhäuser etc.) und schließt mit der Erkenntnis: „Die notwendigen Bestandsanalysen, Ziele und Konzepte bieten Möglichkeiten für das Handeln der Stadt in eigener Regie durch Gestaltung des öffentlichen Raums, durch administrative Vorgaben für Private (z.B. die Notwendigkeit von Bebauungsplänen und Satzungen) und zum Einsatz von Förderinstrumenten zur Unterstützung bei der Verwirklichung dieser Ziele.“ Nur scheint diese Erkenntnis im Laufe der Zeit wieder in Vergessenheit geraten zu sein, sodass man nun der Meinung ist, Geld zu investieren, das besonders in diesen Zeiten besser angelegt sein könnte. Vor allem dürfte sehr viel Zeit vergehen, bis ein spruchreifes Ergebnis vorliegt. Zeit, die die Innenstadt eigentlich nicht hat.