Gut Ding will Weile haben, könnte man meinen, wenn man sich als Außenstehender die Sanierungsmaßnahmen im Andreasstift betrachtet. Um den Aufwand zu veranschaulichen, der nötig ist, um das Städtische Museum zukunftsfähig zu machen und welche Kosten hierfür anfallen, informierte der Bürgermeister und zuständige Dezernent Hans Joachim Kosubek (CDU) bei einem Gespräch ausführlich über den Stand der Dinge. So viel Transparenz ist unser WO! Redakteur eigentlich gar nicht von Seiten der Stadt gewohnt und freut sich umso mehr über diesen Umstand.

WAS WIRD EIGENTLICH SANIERT?

Der Hauptgrund, warum man überhaupt das nur mäßig besuchte Museum einer Generalüberholung unterzieht, ist das magische Jahr 2021, in dem es genau 500 Jahre her ist, dass der Mönch Martin Luther am Wormser Reichstag mit seiner Weigerung, seine Thesen zurückzunehmen, Geschichte schrieb. Die Stadt veranstaltet hierzu eine Landesausstellung unter dem Titel „Hier stehe ich. Gewissen und Freiheit – Worms 1521“ und verspricht sich davon mediale Aufmerksamkeit und einen Besucheransturm, da das Thema weltweit präsent ist. Die Arbeiten, die bis zum Beginn der Ausstellung am 17. April 2021 beendet sein müssen, sind umfangreich, weswegen das Museum seit Anfang des Jahres für Besucher komplett geschlossen ist. Warum ein Publikumsverkehr in der nächsten Zeit nicht mehr möglich ist, darüber sprach das Museumsteam nebst Architekt Jürgen Hamm bei einem Rundgang durch das dreigeschossige Gebäude. Saniert werden allerdings aus Kostengründen ausschließlich das Erdgeschoss und das Kellergeschoss, wo sich die Sanitärräume befanden und demnächst wieder befinden werden. Warum das so ist, erklärt Kosubek mit einem Blick auf den maroden Haushalt der Stadt. Da diese Modernisierungsmaßnahmen zu den sogenannten freiwilligen Leistungen gehören, hat sich der Stadtrat auf eine Deckelung der Gesamtausausgaben geeinigt. Die liegen immerhin noch bei satten 2.459.800 Euro. Hätte man sich dafür entschieden, auch die beiden Obergeschosse fit für die Zukunft zu machen, wären 3.222.250 Euro nötig gewesen. Doch aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Nach der Luther-Ausstellung hofft man auf Fördergelder des Landes, um die weiteren Stockwerke in Angriff zu nehmen. Bis dahin verbringt man die freigewordene Zeit damit, die Exponate des Museums zeitgemäß, sprich: digital, zu erfassen und dementsprechend zu katalogisieren. Eine mühevolle Kleinarbeit. Insgesamt gilt es, 30.000 Ausstellungsstücke aufzunehmen, derzeit hat man gerademal 1.900 erfasst. Wenn die Luther-Ausstellung am 31. Oktober 2021 ihr Ende findet, soll die bekannte Dauerausstellung in das Erdgeschoss ziehen. Da die bisherige Zeitreise von der Steinzeit bis hin zur Neuzeit dort natürlich nicht den ausreichenden Platz findet, wird man zukünftig die Dauerausstellung als ausgewählte Themenausstellungen präsentieren.

UNVORHERGESEHENE EREIGNISSE ERSCHWEREN DIE ARBEITEN

Während oben gezählt wird, wird im Erdgeschoss fleißig gegraben, gebohrt und gehämmert. Für Architekt Hamm und die Handwerker immer wieder ein spannender Arbeitsprozess, da man in dem 1000 Jahre alten Gemäuer ständig auf neue Herausforderungen stößt, die mit bisher nicht kalkulierten Kosten einher gehen. Ein Beispiel hierfür ist die Wiederherstellung des ursprünglichen Kreuzgangs. Äußerlich ist für den Laien kein Problem erkennbar, die Arbeiten scheinen weit fortgeschritten. Der ursprüngliche Zutritt zum Museum ist nun wieder komplett überdacht. Zukünftig dient dieser als barrierefreier Zugang, während der Haupteingang am Nordflügel zu der zugehörigen Andreaskirche positioniert wird. Zusätzlich erfüllt dieser Teil des Kreuzgangs die Funktion eines Lesesaals. Bei den Bauarbeiten stieß man auf 70 x 70 cm große Gräber, was die Archäologen des Denkmalschutzes auf den Plan rief und zu einer sechsmonatigen Verzögerung führte. Am Ende standen ungeplante Kosten von knapp 300.000 Euro und die Vorgaben, dass die neu errichtete Mauer nicht die Gräber berühren darf. Selbiges gilt für den neugeschaffenen Boden, der die historischen Steine darunter nicht beschädigen darf, weshalb die alten Fundamente sorgfältig abgedeckt wurden. Ein paar Meter weiter offenbarte sich ein weiteres Problem. In einem 1929 angelegten Bogengang auf der südlichen Seite des Kreuzgangs zeigte sich ein Riss mit Folgen für die Statik. Es wurde festgelegt, dass alle vier Bögen mit Trägern verstärkt werden mussten, um zukünftige Komplikationen zu vermeiden. Für die Planer bedeutet das immer wieder ein Jonglieren mit den vorhandenen Mitteln. Neben diesen architektonischen und archäologischen Überraschungen gilt es auch, alle Stromleitungen und Rohrleitungen zu ersetzen. Die wurden seit der Nutzung des Andreasstifts als Museum im Jahre 1930 nicht mehr erneuert. Hamm erklärt dann auch, dass die Hälfte des Etats, zu dem sich noch die Spendensumme von 1.5 Millionen Euro rechnet, für die Ertüchtigung der Technik benötigt wurde. Um für die Landesausstellung wichtige Exponate von anderen Museen zu bekommen, müssen zudem alle Scheiben einbruchsicher sein und über einen UV-Schutz verfügen, eine besondere Beleuchtung sowie Klimageräte installiert werden. Auch die Toiletten im Untergeschoss werden einer Komplettrenovierung unterzogen und eine Hebeanlage muss eingebaut werden. Ein kleiner Wermutstropfen ist allerdings der Umstand, dass es derzeit nicht möglich ist, das Untergeschoss barrierefrei zu gestalten. Die Behindertentoilette wird dementsprechend ebenerdig als mobile Lösung angeschafft werden.

VIEL GELD, ABER AUCH EINE GROSSE CHANCE

Natürlich ist es mit der Sanierung finanziell noch nicht getan. Schließlich gilt es auch, eine Ausstellung zu stemmen, die spannend genug ist, viele Menschen anzulocken. Für die notwendige Attraktivität sorgt die renommierte Berliner Agentur neo.studio, die für die räumliche Gestaltung verantwortlich ist, während ein wissenschaftlicher Beirat die Inhalte erarbeitet. Für die Stadt belaufen sich die Ausstellungskosten auf 1,5 Millionen Euro, die auf drei Jahre verteilt sind. Hinzu addieren sich Fördergelder der evangelischen Kirche Hessen-Nassau (100.000 Euro), vom Land (250.000 Euro) und beantragte Fördergelder vom Bund (200.000 Euro). Um den städtischen Zuschuss zu begrenzen, hofft man auch auf Sponsorengelder, Spenden und natürlich auf die Einnahmen aus der Ausstellung. Das ist viel Geld und natürlich werden sich viele Wormser fragen, ob es gerechtfertigt ist, so viel Geld, das man eigentlich nicht hat, in ein Museum zu investieren, das in den letzten Jahren massiv subventioniert werden musste. Allein in den Jahren 2017/2018 belief sich der Verlust auf knapp 1,7 Millionen Euro. Für Kosubek sind die Ausgaben notwendig, denn Worms will zeigen, dass es eine anspruchsvolle Ausstellung stemmen kann, die attraktiv genug ist, das touristische Profil ausreichend zu schärfen, sodass man auch in den kommenden Jahren finanziell profitieren kann. Befürchtungen sind indes berechtigt, wie das Beispiel Rheinland-Pfalz-Tag zeigt. Es darf bezweifelt werden, dass die horrenden Ausgaben für das Drei-Tages-Fest einen nachhaltigen Effekt für die Stadt hatten. Im Falle Luther könnte das jedoch anders sein. Beschäftigt man sich mit der Geschichte dieser Stadt, wird einem schnell bewusst, dass Worms einst prägend war für das Gesicht Deutschlands und zum Teil auch Europas. Egal, ob Karl, der Große, der immer wieder in Worms residierte und auch heiratete, Heinrich IV. und dessen Gang nach Canossa, das Wormser Konkordat, die Nibelungen oder die jüdische Vergangenheit – das Erbe ist kolossal, verpflichtet die Nachwelt und ist ein touristisches Pfund, um das uns andere Städte durchaus beneiden. Ganz zu schweigen von der begünstigten Wetterlage und dem Wein. Eine Schnäppchenausstellung im Jahr 2021 wäre sicherlich der falsche Weg, insofern heißt es, fest die Daumen drücken, dass wir neben einem Besucheransturm auch zukünftig ein Museum haben, das auch abseits von Luther Touristen lockt, um die immensen Verlustzahlen der vergangenen Jahre vergessen zu machen.