Acht Jahre, das ist die magische Zahl, für die man in Rheinland-Pfalz das Amt des Oberbürgermeisters begleitet. Vier davon hat Adolf Kessel (CDU), der im Herbst 2018 in einer Stichwahl gegen den damaligen Amtsinhaber Michael Kissel (SPD) mit deutlichem Vorsprung gewann, bereits hinter sich. Der Rheindürkheimer machte dabei nie einen Hehl daraus, dass seine Lebensplanung eigentlich dieses Amt nicht vorsah. Vielleicht ist es genau diese Bescheidenheit, die eine Stadt braucht, die aktuell zerrissen ist von unzähligen Problemen. Die Herausforderungen sind insofern groß für die kommenden vier Jahre. Nicht minder groß war unsere Neugier, herauszufinden, wie Kessel mit selbigen umgeht und wie er selbst die vergangenen Jahre erlebte. Fragen und Antworten, die zu umfangreich für ein Heft waren, sodass wir das Gespräch auf zwei Ausgaben aufteilten.

WO! Zunächst ein Blick zurück. Wie haben Sie die vergangenen Jahre erlebt? Was würden Sie als Ihren wichtigsten Erfolg in den ersten vier Jahren benennen?

Was mir spontan einfällt, ist die Digitalisierung, die ich bisher gut voran- treiben konnte. Dazu gehört die Einstellung von Dr. Stefan Puderbach als Digitalisierungsbeauftragten. Er hat den Auftrag, neben der IT-Abteilung, die nach innen wirkt, den Prozess für die Bürger voranzutreiben. Mittlerweile gibt es eine Stabsstelle, die fünf Mitarbeiter umfasst. Wichtig war aus meiner Sicht der Umzug des Bürgerservice, damit dieser aus dem Adenauerring herauskommt. Da hat uns ein Stück weit die Kaufhof Ent- wicklung in die Hände gespielt, auch wenn der Eingangsbereich noch verbesserungswürdig ist. Aber da bin ich mit den Besitzern ehret + klein im Gespräch sowie Stephanie Lohr, die als zuständige Dezernentin sich um die Innengestaltung kümmert. In diesem Zusammenhang ist sie mit verschiedenen Künstlern im Gespräch. Ebenfalls als wichtigen Schritt sehe ich die Schaffung von vier Bürgerservices in den Stadtteilen. Ich möchte dabei betonen, dass der Stundenanteil der zuständigen Mitarbeiter größer ist als zuvor. Ebenso haben wir ein neues Personalentwicklungskonzept auf den Weg gebracht, das bis 2027 tragen soll. Dazu gehört auch die personelle Entwicklung der hauptamtlichen Feuerwehrleute, die bereits mein Vorgänger Michael Kissel und Bürgermeister Kosubek ebenfalls vorangetrieben haben. 2008 lag die Zahl noch bei 30, mittlerweile beschäftigen wir 100 hauptamtliche Feuerwehrleute, zuzüglich die Freiwilligen.

WO! Sie haben im Interview der WZ zur „Halbzeit“ erklärt, dass die Freude für das Amt nach wie vor vorhanden ist. Wie gelingt es Ihnen, in Anbetracht der vielen aktuellen Krisen den Optimismus für das Amt zu behalten?

Der Optimismus ist ein wenig der Eidesformel geschuldet, dort heißt es, „so wahr mir Gott helfe!“ Ich muss aber auch daran denken, dass, als ich im Kirchenvorstand in Rheindürkheim war, dort ein älterer Herr war, der neben seinem Ehrenamt und Beruf auch im Betriebsrat des Kaufhof war. Der sagte: „Wenn der liebe Gott mir nicht helfen würde, könnte ich all das nicht machen“. Das beziehe ich auch auf mich. Da schöpfe ich Kraft raus, dass ich nicht alleine bin. Zudem machen mir Herausforderungen Spaß. Je schwieriger die Aufgabe ist, desto größer die Zufriedenheit, wenn sie gelingt. Und es ist mir auch wichtig, dass die Menschen nach acht Jahren zurückschauen und sagen können, dass ich etwas bewegt habe.

WO! Der Stress eines solchen Amtes dürfte enorm sein. Wie halten Sie sich fit? Fahren Sie weiterhin regelmäßig mit dem Rad zur Arbeit oder fehlt mittlerweile die Zeit?

Ich habe im Keller ein Fitnessfahrrad stehen, auf dem ich regelmäßig trainiere. Ansonsten fahre ich mit dem E-Bike so viel wie möglich auf die Arbeit. Das ist zudem nicht nur für die Fitness gut, sondern auch für die Seele, wenn ich am Rhein entlang fahre und die Schiffe dabei beobachten kann.

WO! Haben Sie sich den Umfang dieses Amtes im Vorfeld so vorgestellt? Es ist natürlich im Vergleich zu meinen vorigen politischen Ämtern eine deutlich verantwortungsvollere Tätigkeit. So trage ich die finanzielle und personelle Verantwortung für die Stadt. Dazu kommen noch rund 30 Nebenämter, wie der Verwaltungsrat Rheinhessen-Sparkasse oder Aufsichtsrat EWR. Das fordert mich heraus und unterm Strich macht es mich zufrieden. Natürlich ist der Arbeitsaufwand sehr hoch. So kümmere ich mich abends zu Hause noch darum, alle Emails zu bearbeiten, zu beantworten und mich in wichtige Themen einzulesen. Das dauert in der Regel bis 23 Uhr. Um 6 Uhr morgens gehen schließlich die Rollläden wieder hoch, ich bin um 8:30 Uhr im Rathaus und fühle mich wohl dabei. Was mir sehr wichtig ist, ist, dass ich mittags von 12 bis 14 Uhr die Mittagszeit mit meiner Frau verbringe.

WO! Eine der drängendsten Probleme der Stadt Worms, wie eben angesprochen, ist der Haushalt. Wie wollen Sie in den nächsten vier Jahren Worms aus der Schuldenfalle führen?

Wir sind aktuell mittendrin in der Erarbeitung des Haushalts für das kommende Jahr. Nach Abfrage der Bereiche kamen wir auf ein Gesamt- volumen von rund 370 Millionen Euro. Im Moment bedeutet das im Ergebnishaushalt ein Defizit von 53 Millionen Euro und im Finanzhaus- halt 51 Millionen Euro. Deshalb wurde jeder Bereich von mir nun aufgefordert, 20 Prozent für 2024 einzusparen. Mir ist natürlich klar, dass das alles direkte Auswirkungen auf das Leben in Worms haben wird. Die Ausgabenkürzungen müssen insofern vertretbar sein. Das Ziel ist aber von der ADD ganz klar formuliert, dass wir einen ausgeglichenen Haus- halt vorlegen müssen. Ein großes Problem ist allerdings, dass die Gewerbesteuer nach wie vor rückläufig ist. Derzeit liegen wir bei 38 Millionen Euro Einnahmen. Vor der Pandemie lagen diese bei rund 60 Millionen Euro. Deshalb sehe ich eine Erhöhung der Gewerbesteuer kritisch. Anders sieht dies bei der Grundsteuer B aus. Bei Ausgabenkürzungen müssen wir schauen, was ist vertretbar und letztlich müssen sie von der Politik beschlossen werden. Eine für uns wichtige Entscheidung des Landtags war es dann auch, dass das Land etwa 117 Millionen Euro der Kassenkredite übernehmen möchte. Die liegen derzeit bei insgesamt 250 Millionen Euro. Der Kassenkredit ist ungefähr vergleichbar mit dem Überziehungskredit eines Girokontos, mit dem die Stadt die laufenden Geschäfte finanziert. Das entlastet schon ein stückweit den Haushalt.

WO! Sie sprachen bei Ihrem „Halbzeitgespräch“ im Rathaus davon, dass es in den kommenden Haushaltsgesprächen keine Tabus geben dürfte. Was bedeutet das genau?

In den Gesprächen mit der ADD wurde zum Beispiel geäußert, dass Worms sich keine Schwimmbäder mehr leisten könnte. Daraus leitet sich für die Haushaltsgespräche die Frage ab, ob wir zwei Schwimmbäder brauchen? Derzeit sind umfangreiche Sanierungsmaßnahmen im Gange, die durch Bundes- und Landesmittel finanziert werden, dennoch muss die Stadt aber auch einen Eigenanteil aufbringen. Im Paternusbad sind wir derzeit am ersten Bauabschnitt dran. Da sollen mit Hilfe von Fördergeldern die Umkleide- und Sanitärräume neu gemacht werden. Im zweiten Abschnitt müssten aber auch die ganze Technik und das Becken erneuert werden, was auch nochmal in den Bereich von 10 bis 12 Millionen gehen wird. Geld, das wir nicht haben. Da stellt sich die Frage, wir gehe ich jetzt mit dem Bad um? Lasse ich es als Ruine liegen oder sagen wir, wir renovieren es und gehen dann in Richtung eines Trägervereins wie in Gimbsheim, der dann für den Betrieb des Schwimm- bads zuständig ist. In Gimbsheim erhält dieser zusätzlich Unterstützung von der Verbandsgemeinde. Das könnte ich mir für Pfeddersheim vorstellen. Das würde allerdings voraussetzen, dass das Bad, bevor es übergeben wird, in Ordnung ist. Letztlich muss es mit meiner Stimme und den Stimmen des Stadtrats, unter Beteiligung der Freizeitbetriebe, entschieden werden.

WO! Zu den erwähnten Beteiligungsgesellschaften gehören auch die Nibelungen-Festspiele sowie die KVG. Diskutieren Sie hierbei auch über Kürzungen der städtischen Zuschüsse?

Aktuell liegt der Zuschuss der Nibelungen-Festspiele bei 1,5 Millionen Euro, plus einem Puffer von einer Million Euro. Im vergangenen Jahr wurden insofern 1,8 Millionen Euro angesetzt, benötigt wurden aber nur 1,3 Millionen. Bei der KVG liegen wir bei einem jährlichen Zuschuss von knapp vier Millionen Euro. Klar ist, dass wir auch hier schauen müssen, die Ausgaben zu senken. Hierzu gibt es auch den Aufsichtsrat der Stadtbeteiligungsgesellschaft, der die Aufgabe hat, darauf zu achten hat, wo noch Kosteneinsparungen möglich sind.

WO! Aktuell wurden die Haushalte um 30 Prozent gekürzt. Geschah dies auch bei den Beteiligungsgesellschaften?

Die sind derzeit nicht davon berührt, auch wenn sie natürlich aufgefordert sind, ebenfalls zu sparen. Die Mittelsperre gilt für alle Mittel, die in diesem Jahr in den städtischen Haushalt eingestellt sind. Das betrifft zum Beispiel auch die Büros der Ortsvorsteher sowie deren Budgets für die ebwo (Entsorgungsbetriebe Worms) im Zusammenhang mit Veranstaltungen. Wenn das Budget nicht reicht, müssen zusätzliche Mittel geprüft und durch mich freigegeben werden. Als ehemaliger Ortsvorsteher ist mir natürlich wichtig, dass die Ortsbeiräte handlungsfähig bleiben.

WO! Ein Ziel bei Ihrem Amtsantritt war es, die Bürokratie abzubauen und die Verwaltung den Bürgern näher zu bringen. Viele Gewerbe- treibende klagen wiederum darüber, dass die Stadt oftmals aus Ihrer Sicht überregulierend auftritt. Können Sie das nachvollziehen?

Grundsätzlich gibt es natürlich Gesetze und Verordnungen, aber auch einen Ermessensspielraum, der nicht uneingeschränkt ist. Aber ich kann auf jeden Fall diese Kritik verstehen, zumal das auch immer wieder Themen in den Bürgersprechstunden sind. Zunächst sollte man natürlich gemeinsam schauen, was geht, was nicht und ich glaube daran, dass sich immer eine Lösung finden lässt. Insofern meine herzliche Bitte: Alle, die Probleme haben, können sich gerne direkt an die zuständigen Dezernenten, Dezernentinnen oder an mich direkt wenden.

 

WO! Wir danken Ihnen für das Gespräch.

 

Das Gespräch wurde geführt von: Dennis Dirigo, Fotos: Andreas Stumpf

 

In der nächsten Ausgabe (September) können Sie den zweiten Teil des Gesprächs mit Oberbürgermeister Adolf Kessel nachlesen, in dem es unter anderem um das Mittelhahntal und die Hotelentwicklung in Worms gehen wird.