Ob Worms tatsächlich die älteste Stadt Deutschlands ist letztlich nebensächlich, denn es dürfte unumstritten sein, dass die Stadt auf eine bewegte Geschichte zurückblicken kann. Immer wieder wurden in Worms Entscheidungen getroffen, die das Gesicht von Deutschland und gar Europa veränderte.
Das Problem hierbei: Von der Geschichte ist nach zwei Stadtzerstörungen (1689 und 1945) optisch nicht viel übriggeblieben. Viele der stummen Zeitzeugen liegen aber auch unter der Erde vergraben und werden hin und wieder bei Bauarbeiten der Vergessenheit entrissen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass man bei Arbeiten am Remeyerhof auf einen Friedhof stieß, genauer gesagt, man stieß auf Gräber des Friedhofs St. Stephan. Bereits im Vorfeld hatte die Untere Denkmalschutzbehörde der Stadt den Bauherrn darauf hingewiesen, dass bei den geplanten Arbeiten archäologische Funde zu erwarten seien. So kam es dann auch. Bei Bodenarbeiten stieß die zuständige Baufirma auf den Friedhof St. Stephan, auch bekannt als „Pestfriedhof“. Angelegt wurde er wahrscheinlich aber schon im 4. Jahrhundert, also viele Jahrzehnte vor der großen Pestepidemie, die 1666/1667 Worms heimsuchte und die mehr als 1.000 Todesopfer forderte. Schriftlich erwähnt wurde der Friedhof erstmals im 12. Jahrhundert. Forschungsgeschichtlich sind viele Fragen offen. Welche Bevölkerungsgruppen zu welchen Zeiten auf welche Art und Weise dort bestattet wurden und ob es sich dabei tatsächlich um Pestopfer handelte. Auch über das Aussehen und die bauliche Gestaltung des Friedhofs ist aufgrund von vorhandenen Schuellriftquellen, alten Plänen und historischen Ansichten nur wenig bekannt. Bei den dreimonatigen Ausgrabungen im Remeyerhof legte man 20 Sarkophage frei, fand zahlreiche andere Grablegen, sowie wild durcheinander liegende Knochenreste und Beigaben. In einem Grab eines vermutlich jungen Mannes entdeckte man Speerspitzen, die darauf hindeuten, dass er etwa im frühen 7. Jahrhundert ein Jäger war. Dr. Marion Witteyer, Leiterin Landesarchäologie Mainz, erklärte bei einem Pressetermin vor Ort, dass man die Gegenstände zur weiteren wissenschaftlichen Untersuchung nach Mainz überführen werde und fügte hinzu, dass es wahrscheinlich Jahre dauere, bis man nähere Ergebnisse hat.
Wie viele Jahre vergehen können, zeigte die Präsentation römischer Artefakte Mitte September im Haus am Dom. Diese hat man in der Baugrube für das Haus am Dom 2015 in der Erde entdeckt und anschließend in Mainz ausgiebig untersucht. Landesarchäologin Dr. Marion Witteyer übergab einen Weihestein, eine Weihefigur und einen Krug nun an Dompropst Tobias Schäfer. Die Fundstücke aus römischer Zeit wurden restauriert und werden im Foyer des Hauses am Dom eine Heimat finden, wo sie von Interessierten unter die Lupe genommen werden können. Dort befinden sie sich in einer guten Umgebung, denn dort ist auch die frühchristliche Taufpiscina beheimatet, die man bei denselben Ausgrabungen freilegte. Die drei Relikte stammen wiederum aus dem 1. bis 2. Jahrhundret und haben unterschiedliche Bedeutungen. Der Weihestein wurde wahrscheinlich von dem Römer Lucius Vibulus in einem Tempel niedergelegt, um Gott Mercur zu ehren. Tatsächlich befand sich an dem Ort, an dem heute der Dom erhaben steht, eine römische Tempelanlage sowie eine Markbasilika. Die Weihefigur war wiederum ein Massenprodukt ihrer Zeit, das man günstig erwerben konnte. Heute hat es einen historischen Wert, den man in Zahlen nur schwer messen kann. Das gilt auch für den sehr gut erhaltenen Krug, der das historische Trio komplettiert. Besichtigt werden können die Zeitzeugen zu den Öffnungszeiten des Haus am Dom.
24 Stunden lang an sieben Tagen kann man sich dagegen an der neu eingerichteten Medienstation direkt neben dem Haupteingang auf der Südseite des Dom über geschichtliche Hintergründe informieren. Auf dem Touchscreen Bildschirm dieses unscheinbaren Kastens können sich Besucher durch die Ereignisse in und um Worms von 1250 bis 1750 klicken. Die Medienstation ist Teil der Landesausstellung „Die Kaiser und die Säulen ihrer Macht“ in Mainz, an der sich Worms als sogenannter Korrespondenzort beteiligt. Im Gegensatz zur Ausstellung, die zeitlich begrenzt ist, wird die Station allerdings Worms erhalten bleiben. Die Umsetzung des Projektes erfolgte durch den Wormser Künstler Eichfelder und kostete 35.000 Euro.