Mit dem neuen Führungstrio, dem künstlerischen Leiter Thomas Schadt, Intendant Nico Hofmann und Autor Albert Ostermaier, kam auch der unbedingte Wille, die Festspiele quasi neu zu erfinden. Wie wir mittlerweile wissen, ist das bei der Hauptinszenierung noch nicht so ganz gelungen. Mit dem Willen, die Festspiele neu auszurichten, folgte natürlich auch die Intention, das Rahmenprogramm einer Frischzellenkur zu unterziehen. Diesen Job übernahm der Autor Albert Ostermaier.
Mit dem gleichen Anspruch, mit der er sich bereits an das Stück machte, begegnete Ostermaier auch dem Rahmenprogramm. Fragen wollte er stellen, Menschen miteinander verbinden, ebenso wollte er die Festspiele näher an die Wormser ran bringen. Erster Schritt war hierbei die Lesung verschiedener Kapitel aus dem Nibelungenlied an verschiedenen Wormser Orten. So las z.B. Nibelungenhorden-Chefin Astrid Perl Haag in einem Linienbus, während Ostermaier in der Lobby des Prinz Carl Hotels rezitierte. Das war zwar nicht die alleinige Idee des Wahl-Münchners, deutete aber bereits die Marschrichtung des Programms an. Was das Rahmenprogramm von den Vorjahren ebenso unterschied, war die schiere Menge an Veranstaltungen. Alleine 13 Programmpunkte waren es an dem letzten, dem speziell von Ostermaier kuratierten Festspielwochenende (14.08 bis 16.08.). Bevor es soweit war, gab es auch Altbekanntes wie die jährliche Aufführung der Nibelungenhorde, die auch dieses Jahr begeisterte, sowie die Vorträge der Nibelungenlied Gesellschaft oder der Nibelungenfreunde. Alles andere präsentierte sich gänzlich neu. Lobenswert war das erstmalige Durchführen eines Poetry Slams. Den gab es sogar gleich zwei Mal. Einmal im Slam-erprobten Lincoln Theater für Teilnehmer unter 25, bei dem etliche junge Wormser dabei waren. Dieser war verbunden mit einem Workshop, bei dem die jungen Slammer noch einiges über die Kunst im Umgang mit dem Wort lernen konnten. Schließlich gab es noch einen am Hauptwochenende, der allerdings den Profis vorbehalten war. Hierbei zeigten sich erste Kritikpunkte, da sich das Kesselhaus als Location nur als bedingt geeignet herausstellte. Zwar war der eigentliche Dichterwettstreit unterhaltsam wie eh und je, allerdings war der Zuspruch deutlich geringer als erwartet. Als Wormser Urgewächs würde man jetzt sagen: „Des hätt‘ ich denne glei sa kenne!“ Nun ist das Kesselhaus zwar durchaus großräumig und der Slam wurde auch ordentlich beworben, aber wie so oft in unserer Stadt betritt der Wormser zumeist nur Örtlichkeiten, die ihm geläufig sind und „Slam und Kesselhaus“ war eine Kombi, die irgendwie nicht zusammengehören wollte. Der einzige Vorteil bestand darin, dass man anschließend noch zur großen Nibelungensause mit DJ Munk laden konnte, aber auch die wollte nicht so recht zünden. Letztlich war es mehr eine Veranstaltung, bei der man auf Tuchfühlung mit dem Team der Festspiele gehen konnte. Die beste Gelegenheit, mit „Kriemhild“ Judith Rosmair ein Tänzchen zu wagen oder sich mit den Festspieltänzern ein Dance-Battle zu liefern. Die Atmosphäre mit ihrem hallenden Klang, der auch einen DJ Munk vor eine große Herausforderung stellte, erinnerte mehr an einen Schulball als an einen ausgelassenen Rave.
Fazit: Idee gut, Umsetzung noch verbesserungswürdig. Das gleiche galt auch für das Abschlusskonzert mit Peter Licht, das deutlich mehr Zuschauer verdient hätte. Der Umstand, dass das Konzert an einem Sonntagabend um 21:30 Uhr im abseitigen Herrsheim stattfand, dürfte wahrscheinlich der Hauptgrund gewesen sein, dass die Remise im Chateau Schembs noch ausreichend Platz bot. Schade war auch, dass durch die räumliche Trennung ein letzter Besuch im Heylspark nicht mehr möglich war. Bis auf dem Slam im Kesselhaus, fanden übrigens alle Veranstaltungen an diesem Wochenende im Chateau des Winzers Arno Schembs statt. Was dazu gedacht war, dass Künstler und Denker besser miteinander kommunizieren können, quasi in einem abgeschotteten Raum, führte letztlich zu einem gewissen Gefühl des Fremdelns mit den Festspielen. Zu groß war die räumliche Trennung vom Dom. Zwar hat es das dortige Ambiente durchaus verdient, integriert zu werden, das Wetter zeigte sich zudem von seiner besten Seite, allerdings hatte der Ort gerade durch dieses Abschotten eine etwas elitäre Aura, die mit Bürgernähe nur wenig zu tun hatte. Inhaltlich war dieses Kompaktprogramm sehr anspruchsvoll und zumeist erstaunlich gut besucht, was aber auch der überschaubaren Örtlichkeit des Försterbaus geschuldet war. Auffallend war der personelle Aufwand, der in diesem Jahr betrieben wurde. Da marschierten im Minutentakt Schauspieler wie Thomas Thieme, der aktuell als Uli Hoeneß glänzte, Hannelore Elsner, Sybille Canonica oder Udo Samel auf, um kurz was zu lesen und anschließend auf höchstem Niveau mit Schriftstellern aus aller Welt zu reden. Inhaltlich waren alle durchaus spannend, jedoch war es ein Ding der Unmöglichkeit, allen Veranstaltungen die benötigte Aufmerksamkeit zu schenken. Nebenbei bemerkt wirkte die Bezeichnung der einzelnen Veranstaltungen mit Rede 1 bis 3, Modul 1 bis 3 ein wenig zu akademisch, schließlich wollte man ja keine Vorlesung besuchen. Wer übrigens alle 13 Programmpunkte besuchen wollte, musste zudem ordentlich in die Geldbörse greifen. 160 Euro hätten sie alle zusammen gekostet, was sicherlich okay ist, gemessen an den Ausgaben dieses Wochenendes.
Besonders negativ fiel auf, dass „Deutschlands schönstes Theaterfoyer“ gar nicht in das Rahmenprogramm mit einbezogen wurde. Einzig der gut besuchte Kindertag fand im märchenhaften Ambiente dieses einstigen Privatparks statt. Ein Umstand, der im nächsten Jahr dringend korrigiert werden muss. Es bleibt festzuhalten, dass vieles, was im diesjährigen Begleitprogramm zu sehen war, von der Idee her sehr gut war, allerdings an deren Umsetzung noch gefeilt werden muss. Besonders das Ostermaier Wochenende sollte bei einer Klausur aller Beteiligten noch einmal einem schärferen Blick unterzogen werden. Klare Favoriten des WO! Redakteurs waren das Projekt „Lust am Mythos“, organisiert und durchgeführt von Studenten verschiedener Kunstakademien, sowie die Präsentation des erstmals ausgelobten Autorenwettbewerbs, wobei gerade die szenische Lesung von der wunderbaren Atmosphäre des Heylsparks profitiert hätte.