Wir haben dem Bundestagsabgeordneten Jan Metzler (CDU), dem Landtagsabgeordneten und Stadtratsmitglied Jens Guth (SPD), Stadtrat Christian Engelke (Die Grünen), Kulturkoordinator Dr. David Maier und Gastronom Igor Starin (The Burger Kitchen) Fragen gestellt, wie sie die Corona-Krise erleben und was sie kritisieren.
Wie hat Corona Ihren aktuellen Alltag verändert?
METZLER: Vieles, was meine Arbeit ist, Sprechstunden, Ausschüsse, findet derzeit über den digitalen Weg statt. Das ist für mich schon ein großer Einschnitt, da ich ein Mensch bin, dem das Zwischenmenschliche wichtig ist. Das bezieht sich dann auch auf meine repräsentativen Termine. Auch hat sich die Art der Gespräche verändert, da es ein Unterschied ist, ob ich direkt mit Menschen rede oder über den digitalen Weg.
GUTH: Mich belastet die derzeitige Situation schwer. Es ist weniger die eigene Situation – aber die der vielen Leute, deren Arbeitsplatz oder gar berufliche Existenz gefährdet ist, geht an mir nicht spurlos vorbei.
ENGELKE: Corona hat mein Leben komplett durcheinander gewirbelt. Während in der Natur der Frühling Einzug hält, sind wir in unserer Bewegungsfreiheit eingeschränkt.
MAIER: Wie das Leben von vielen, wurde auch meins von jetzt auf gleich auf den Kopf gestellt. Mein beruflicher Alltag ist komplexer geworden, da wir in Bezug auf Veranstaltungen viele Szenarien durchspielen müssen, sich die Kommunikation intensiviert hat und meine Arbeitswoche derzeit sieben Tage hat. Wichtig ist mir, für alle Wormser Kulturschaffenden als Ansprechpartner da zu sein.
STARIN: Ich muss im Grunde mein Geschäft komplett umdenken und sehe mich derzeit unter einem enormen finanziellen Druck. Die Kommunikation mit Email und Telefon ist für mich umständlicher. Wenigstens bin ich in der Lage, einen Lieferdienst anzubieten und muss mein Geschäft nicht komplett schließen.
Hat die Politik richtig gehandelt bzw. was würden Sie kritisieren?
METZLER: Ich teile und stütze den Weg, den die Regierung bisher gewählt hat, auch den Shutdown. Aber ich sehe auch, dass der Weg aus dem Shutdown der schwierigere ist. Hierbei kritisiere ich, dass es nicht gelungen ist, ein einheitliches Bild zu vermitteln. Es ist nicht nachvollziehbar, warum in dem einen Bundesland das Möbelgeschäft öffnen darf und im anderen nicht. Das gilt auch für die 800 Quadratmeter Regelung, die mir willkürlich erscheint.
GUTH: Zu den Maßnahmen und Einschränkungen gab es aus meiner Sicht keine Alternative, wenn wir nicht in die gleiche Situation wie Italien, Frankreich oder Spanien kommen wollten. Aber auch in unserem Gesundheitssystem gilt es, einiges zu verbessern. Angefangen von der Anzahl von Haus- und Fachärzten bis zur Pflegesituation in Krankenhäusern! Und ganz aktuell brauchen wir dringend eine Lösung für Kitas und Schulen – denn viele Eltern sind am Ende ihrer Möglichkeiten, Urlaub oder Freizeit zu nehmen.
MAIER: Ich glaube, die Politik hat besonnen gehandelt, was viele schlimme Dinge verhindert hat. Letztlich haben wir alle eine solche Situation noch nie erlebt.
ENGELKE: Es ist einfach, wenn man keine Verantwortung hat, laut polternd Kritik zu üben. Ich glaube, dass die Maßnahmen richtig waren/sind. Ich finde auch, dass zur Unterstützung der Wirtschaft die Politik viel auf den Weg gebracht hat.
STARIN: Ich glaube, dass man verschiedene Maßnahmen deutlich früher hätte ergreifen müssen, dann hätte man verschiedene Konsequenzen vermeiden können. Die Soforthilfe und die Senkung der MwSt sind prinzipiell gut gemeint, aber nicht zu Ende gedacht. Die Soforthilfe kann die finanziellen Probleme von Unternehmern nicht wirklich auffangen, sollten die Maßnahmen noch länger gehen.
Wird die Welt nach Corona zu einer besseren Welt oder zu einer Welt der Abschottung?
METZLER: Ich setze auf die Lernfähigkeit der Menschen, denn in jeder Krise gibt es positive Tendenzen. Ich habe festgestellt, dass die meisten Menschen sich sehr solidarisch verhalten und hoffe, dass sie das in die Zeit nach Corona mitnehmen. Auch hat uns die Krise gezeigt, was alles möglich ist, wie z.B. der digitale Arbeitsplatz. Ich sehe aber auch die Gefahr einer Renationalisierung.
GUTH: Ich hoffe, dass wir unsere freiheitliche Welt erhalten können. Ich wünsche mir aber, dass wir wegkommen von der Mentalität „Immer mehr, schneller, weiter…“ Gerade in Krisenzeiten muss man überlegen, was wirklich wichtig ist im Leben und wie man miteinander und mit Natur und Umwelt umgeht!
MAIER: Ich hoffe, dass wir zukünftig über die Wertigkeit und Wichtigkeit von Kultur anders diskutieren werden, weil uns in dieser Zeit die Bedeutung bewusst geworden ist.
ENGELKE: Wir werden sicherlich eine andere Normalität vorfinden. Das ist derzeit eine große Chance, bestehende Systeme zu hinterfragen. Auch sollte man über systemrelevante Berufe diskutieren, die in der Regel schlecht bezahlt werden. In der Krise wurde uns aber verdeutlicht, wie wichtig diese sind.
Ein Impfstoff gibt es flächendeckend wahrscheinlich erst im Laufe des kommenden Jahres. Wie kann es weitergehen?
METZLER: Alle Maßnahmen derzeit zielen ja darauf ab, dies zu vermeiden. Ich denke nicht, dass ein zweiter Shutdown wirtschaftlich und gesellschaftlich möglich ist. Deswegen kommt es jetzt auf die Disziplin jedes Einzelnen an, da wir mit dem Virus leben müssen.
GUTH: Es bleibt auf absehbare Zeit wichtig, die Ausbreitung des Virus einzudämmen. Wir werden nicht verhindern können, dass Leute weiterhin erkranken – aber eine „zweite Welle“ mit den gleichen Folgen wäre fatal!
MAIER: Wichtig ist, dass wir den zahlreichen Kulturschaffenden, die derzeit unter dieser Krise schwer leiden, eine Perspektive bieten. Es müssen Wege gefunden werden, wie diese wieder Geld verdienen können. Natürlich muss die Politik aber auch der restlichen Gesellschaft eine Perspektive bieten.
STARIN: Als Gastronom rechne ich damit, dass ich irgendwann unter schweren Auflagen wieder öffnen darf. Dennoch muss ich mit der Unsicherheit leben, meine monatlichen Kosten decken zu können. Sollte sich ein Angestellter infizieren, ist mein Betrieb zu.
Welche sinnvollen Maßnahmen kann die Politik ergreifen, um einer Rezession entgegen zu wirken?
METZLER: Ich glaube, dass man bereits gute Maßnahmen eingeleitet hat. So hat sich die Kurzarbeit bereits in der Finanzkrise bewährt. Der Bund hat mehrere 100 Milliarden Euro bereitgestellt, mit denen er sowohl kleinen als auch großen Unternehmen hilft. Entscheidend ist aber, dass Wirtschaft wieder stattfinden kann und die bereitgestellten Gelder richtig eingesetzt werden.
GUTH: Wir haben auf Antrag von SPD und CDU einen „Wormser Hilfsfonds“ mit 2,2 Mio Euro beschlossen, Geld, das uns das Land zur Bewältigung der Corona-Krise zur Verfügung gestellt hat. Hier können wir echte Unterstützung leisten! Zum Beispiel wo uns droht, dass wichtige Strukturen kaputt gehen, wie bei betreuenden Grundschulen. Aber auch z.B. unsere Kulturszene und Gastronomie, die sich in den letzten Jahren gut entwickelt hat, verdient Unterstützung.
ENGELKE: Wir als Kommune leiden an einer chronischen Unterfinanzierung , insofern ist unser Handlungsspielraum sehr eingeschränkt. Hier müsste sich was ändern.
WO! Wir bedanken uns für das Gespräch!