Einer breiten Öffentlichkeit wurde der 1967 geborene Schauspieler vor allem in der Rolle des alleinerziehenden Kriminalhauptkommissars Felix Stark im ARD Dauerbrenner „Tatort“ bekannt. Dort ermittelte er gemeinsam mit Dominic Raacke, der 2016 bei den Nibelungen-Festspiele mitspielte, in Berlin. Aljinovic stand aber auch für zahlreiche weitere TV- und Kinoproduktionen vor der Kamera. In Worms gibt er sein Open Air Theaterdebüt. In dem diesjährigen Stück „Überwältigung“ übernimmt er die Rolle des Königsbruders Gernot.
WO! Hatten Sie sich bisher mit dem Nibelungenlied intensiver beschäftigt?
Ich bin zwei Mal in der Oper gewesen!
WO! Die Nibelungen sind durchaus schwere Kost und haben auch den Anspruch, einen deutschen Mythos begründen zu wollen. Sie selbst sagten wiederum vor vielen Jahren, dass Sie Angst vor einem starken Deutschland haben. Hat sich diese Angst begründet?
Nein, überhaupt nicht. Als ich das empfand, kam ich gerade aus England und die Mauer fiel. Ich hatte ein gewisses historisches Misstrauen im Gepäck. Dann gab es Gerhard Schröders „Nein“ zum Irak-Krieg, Deutschland hatte eine Fußball Party und ich hatte diese Angst vergessen. Was hat das heute mit dem Mythos der Nibelungen zu tun? Keine Ahnung. Dass am Ende der Geschichte möglicherweise alle blutig da liegen, wenn die Spielregeln sich der Kontrolle der Vernunft entziehen und Populisten Märchen von Drachen erzählen.
WO! Ist es nicht merkwürdig, dass so ein fatalistischer Stoff als deutscher Mythos gilt. Was sind wir für ein Volk, wenn Hass, Blut und Tod am Ende siegen?
Ich kenne mich ganz gut mit den Isländischen Sagen aus. Die sind auch blutig, aber sehr unterhaltsam, witzig geradezu, während „Das Nibelungenlied“ und später auch Wagners Interpretation an biblischem Ernst leidet. Wobei das schon auch seine unfreiwillige Komik hat. Sie haben Recht, aber ich glaube, es ist einzig der Ton des heiligen Ernstes, der den Fatalismus erzeugt. Es ist also auch genau das Ziel der diesjährigen Inszenierung, die Leichtigkeit zu suchen, die in dem Drama steckt. Die Klarheit. Thomas Melle, unser Autor, schreibt ganz ernste Nibelungenfiguren, aber die staunen bei ihm zum ersten Mal selbst darüber, was sie da anstellen. Das wird spannend.
WO! Das Nibelungenlied ist rund 1000 Jahre alt und gerade wenn man sich das Szenario rund um den Brexit anschaut, kann man sagen, wir haben nicht besonders viel dazu gelernt. Auch dort werden das Verhalten und das Schicksal eines Volkes von Egoismus, Macht und Missgunst geprägt. Warum tun wir Menschen uns so schwer, aus diesen Geschichten zu lernen?
Nach eintausend Jahren Europa doch wieder nur Brexit? Wegen einiger Egoisten und Täuscher scheint es angemessen, Drachen zu töten. Tolle Tiere. Oder Tintenfisch essen, warum essen wir nicht lieber unseren Hund, der als dümmer gilt. Warum lernen wir nicht, dass Rauchen auch CO2 verursacht und Kapitalismus Armut. Unser König im Stück braucht einen Nachfahren, so wie jeder Bürger Konsum braucht … und schon beginnt die Fahrt in die Katastrophe … mit nur einer ersten Lüge.
WO! Was bewegte Sie dazu, eine Rolle in dieser Geschichte, die immer wieder tragisch endet, zu übernehmen?
Weder Rolle noch Tragik interessierten mich übermäßig, als ich Thomas Text las und Lilja Rupprecht, unsere Regisseurin, danach traf. Ich traf auf Künstler, die mich begeisterten, mit denen ich lachte, mit denen ich Lust hatte, sofort zu arbeiten. Vielleicht finden wir für das Stück ein blutiges Finale, oder ein bitteres, ein bittersüßes, oder ein verstecktes Happy End, oder all es zusammen. Ich freue mich jedenfalls.
WO! Ist es nicht immer wieder eine große Kunst, den Spagat zwischen Anspruch und Unterhaltung zu finden?
Wo fängt Quatsch an, wo endet Aufklärung, wo beginnt schlechte Kunst? Wer weiß das schon. Gute Kunst schafft eine Verbindung zwischen Sinnenwelt und Sachwelt, sozusagen Kommunikation zwischen Gefühl und Verstand und ist damit wichtig für uns, weil das die Vermittlungsaufgabe ist, die Kultur heißt – und ohne Kultur werden Probleme nicht lösbarer.
WO! Wird Ihr Gernot auch eher eine leichte Persönlichkeit auf der Bühne werden?
Das kann ich im Moment noch nicht wissen. Das wird sich in der Arbeit entwickeln.
WO! Ist Freilufttheater eine ganz besondere Herausforderung für einen Schauspieler?
Es ist zwar meine erste Freiluftbühne, auf der ich spiele, aber ich denke mir, Theater ist wie Auto. Ein Auto bleibt auch ohne Dach ein Auto. Schon in der Antike klappte Theater ohne Dach. Der Regenstatistik nach braucht Worms auch kein Verdeck. Zudem bin ich Segler, wettergeprüft und nicht wasserlöslich (lacht). Ich freue mich total, dass die Natur mitspielt.