Erstaunlich an der Corona Krise ist, dass sie viele Menschen des Mittelstandes betrifft, die bis dato gute Steuerzahler waren. Solo-Selbständige, kleine Betriebe, Veranstalter, selbst Piloten werden zukünftig vermehrt auf Jobsuche sein. Für die Unterschicht ändert sich dagegen relativ wenig. Zuhause bleiben und jeden Monat den letzten Cent zusammenkratzen, um zu überleben, dürfte für die 13,2 Millionen Menschen in Deutschland, die unterhalb der Armutsgrenze leben, nichts Neues sein. Die Party ist in Deutschland aber noch nicht vorbei, sie findet nur längst woanders statt.
Als Bundesfinanzminister Olaf Scholz kürzlich im ARD „Nachbericht aus Berlin“ gefragt wurde: „Wie reich sind Sie persönlich, Herr Finanzminister?“, da antwortete er ausweichend: „Ich verdiene ganz gut, als reich würde ich mich nicht empfinden.“ Schmunzelnd fügte er noch hinzu: „Auch in die obere Mittelschicht würde ich mich nicht einordnen.“ Dies war ein kleiner Seitenhieb auf den Christdemokraten Friedrich Merz, der vor zwei Jahren offengelegt hatte, rund eine Million Euro brutto zu verdienen, aber gleichzeitig angab, aufgrund seiner Werte wie Fleiß und Disziplin zur Mittelschicht, statt zur Oberschicht, zu gehören. Auch Olaf Scholz sieht sich nicht in der oberen Mittelschicht. Auf Nachfrage gab er an: „Nein, so viel Geld, wie derjenige, der das für sich qualifiziert hat, verdiene ich nicht und habe ich auch nicht als Vermögen.“ Einige Bürger sprachen Scholz daraufhin die Fähigkeit zum Kanzler ab, da er nicht einmal wisse, was die Menschen in Deutschland verdienen. Kurz danach ruderte Scholz auf Twitter zurück. Natürlich zähle er zu den Sehrgut-Gutverdienern des Landes. Vermutlich hatten ihn seine Berater darauf hingewiesen, dass er mit 15.000 Euro pro Monat (ohne Zuschläge) deutlich über dem Durchschnittsbruttoeinkommen der Deutschen von aktuell ca. 3.994 Euro liegt. Falls Ihnen dieses zu hoch vorkommt, so erklärt sich diese Summe auch durch Vorstands- und Managergehälter in der freien Wirtschaft, die im Millionenbereich liegen und den Schnitt kräftig nach oben treiben. Und weil ein Finanzminister in erster Linie mit solchen Leuten zu tun hat, sieht er sich selbst natürlich als kleines Licht, auch wenn er trotzdem noch fast vier Mal so viel wie ein Durchschnittsdeutscher verdient. Mangelndes Fingerspitzengefühl darf man auch Gesundheitsminister Jens Spahn attestieren, der seine Bürger im Zuge von Corona zur Enthaltsamkeit aufrief und sich gleichzeitig privat eine 4-Millionen-Villa in Berlins besten Lage zulegte. Ich kann mich als ziemlich neidfreien Menschen bezeichnen, denn es ändert nichts an meiner eigenen Situation, ob Herr Spahn in einer Luxusvilla im Berliner Villenviertel oder in einer Zweizimmerwohnung in Gelsenkirchen wohnt. Letzteres würde ich ihm aber mal wünschen, damit er die Dimension seiner Entscheidungen für eine Zeitlang am eigenen Leib spüren kann. Denn ich würde ihm und vielen seiner Kolleginnen und Kollegen mangelnde Empathie vorwerfen, was den Umgang mit den vielen wirtschaftlich gestrauchelten Leuten in Deutschland angeht. Das wird auch deutlich am geplanten Bau des neuen Kanzleramtes in Berlin. Obwohl bereits jetzt die größte Regierungszentrale der westlichen Welt, soll das Bundeskanzleramt durch einen Neubau auf der gegenüberliegenden Spreeseite bis 2028 auf 50.000 m² verdoppelt werden. In Zeiten, in denen man eher darüber sprechen sollte, die Mitgliederzahl unseres aufgeblähten Bundestages zu reduzieren, plant man eine Verdoppelung der Bürofläche für 395 Mitarbeiter/innen (Kosten pro m² 18.529 Euro). Um das alte Gebäude fußläufig mit dem Neubau zu verbinden, wird eine 176 Meter lange Brücke für 18,1 Mio. Euro über die Spree gebaut. Auf einem 23 Meter hohen Sockel soll auf einer kreisrunden Plattform ein zusätzlicher Hubschrauberlandeplatz für 10 Mio. Euro gebaut werden. Geplant ist zudem ein interner Kindergarten (266,5 m²) für 2,8 Mio. Euro. Für die Verglasungen, den Sonnenschutz und Befahranlagen zur Glasreinigung von neun Wintergärten werden über 14 Mio. Euro veranschlagt. Und natürlich soll auch das deutsche Staatsoberhaupt etwas abbekommen. Zwar gibt es im alten Kanzleramt bereits eine 200 m² große Kanzlerwohnung, nun soll aber eine neue entstehen (diesmal 250 m²). Allein die „rechnerischen Ausstattungskosten“ der Gemächer mit Sofas, Schrankwand und Lampen liege bei 225.000 Euro, schätzt der Rechnungshof. Das Innenministerium beziffert die gesamten Baukosten auf 600 Mio. Euro. Für den Rechnungshof scheint dies eine unhaltbare Untertreibung zu sein. Und während man in Berlin bei den Baukosten sicherlich nicht sparsam sein wird, ist in der Bevölkerung das Gejammer kaum acht Monate nach Ausbruch der Corona Pandemie immer noch ziemlich groß. Überall? Natürlich nicht, denn nicht alle wurden durch die Krise gebeutelt. Anfangs vielleicht, als die Börsenkurse im März in den Keller gepurzelt sind. Die Kurse haben sich zwischenzeitlich aber längst erholt und peilen schon wieder Höchststände an. In den USA erreichte der Dow Jones erstmals in seiner Geschichte mehr als 30.000 Punkte. Die Superreichen, die mit ihrem Geld an der Börse zocken, haben die Corona Krise also bestens überstanden. Ganz Clevere dürften dadurch sogar noch höhere Gewinne eingesackt haben. „Wir hier oben, ihr dort unten!“ Selten zuvor wurde dies so deutlich wie in der Corona Krise. Man kann nur hoffen, dass „die da oben“ auch zur Verfügung stehen, wenn es darum geht, diesen ganzen Schlammassel zu bezahlen.