Autor: Bert Bims
Um der drohenden Herbstdepression vorzubeugen, erzähle ich zu dieser Jahreszeit ganz gerne in der Redaktion, dass ich heute Mittag „einen ganz dringenden Recherchetermin“ habe, etwas Näheres dürfte ich noch nicht dazu sagen. In Wirklichkeit setze ich mich dann in ein Cafe und trink mittags um halb vier schon mal ein erstes Herrengedeck. Wenn es früher dunkel wird, muss man halt auch früher anfangen, um den Kater des Vortages zu vertreiben, ehe ich dann am frühen Abend, also Punkt 18 Uhr, den Wormser Weihnachtsmarkt aufsuche, um schon mal einen Glühwein zu bechern. Nach dem dritten oder vierten, wenn der Blick schon etwas verklärt wird, gehe ich dann meiner Lieblingsbeschäftigung nach: Menschen beobachten. Ich höre Sie deshalb schon zu Tausenden fragen: „Sagen Sie mal Herr Bims, begegnen Sie als Society Reporter nicht permanent irgendwelchen merkwürdigen Gestalten?“
Auf jeden Fall!! Manchmal setze ich mich auch einfach nur auf den neu gestalteten Bahnhofsvorplatz und gucke mir Leute an. Da laufen schon merkwürdige Gestalten rum, man muss deswegen nicht extra nach Limburg fahren. Apropos: Als ich kürzlich den Fernseher angemacht habe, hab ich erst gedacht, dass eine Fortsetzung von „Herr der Ringe“ gedreht wird, weil gerade Gollum zu sehen war, aber – O Schreck, viel schlimmer – das war ja Tebartz-van Elst, der da durchs Bild gegrinst ist. Tebartz-van Elst, ein Name, den jetzt ganz Deutschland kennt als den eines Mannes mit einem nur gering ausgeprägten Schuldgefühl, was Verschwendungssucht angeht. Immerhin befindet er sich in einem Verein, der sich mit Prunksucht bestens auskennt: „Mir rutschte beim Frühstück fast der Kaviar in den Hermelinkragen, als ich von den heftigen Vorwürfen gegen meine Person erfahren musste“, erklärt Tebartz-van Elst in einem auf der Rückseite einer Rembrandt-Zeichnung verfassten offenen Brief. (Quelle: Der Postillon vom 09.10.13). Haha, da wird dieser Mann nur darauf reduziert, dass er sich zum Beispiel James-Bond-Glas in seinem Wohnzimmer hat installieren lassen. Ich dagegen werfe weiterhin meine Ersparnisse in den sonntäglichen Klingelbeutel, weil ich finde, dass der derzeit auf Anweisung des Papstes pausierende Bischof einfach nur Stil sowie einen exquisiten Einrichtungsgeschmack hat. Deshalb sehe ich den Bau seines Prunkpalastes genauso entspannt wie Dieter Nuhr: „Naja wenigstens hat er kein Kinderzimmer bauen lassen…“
Trotzdem ein merkwürdiger Typ. Genauso wie unser Chef, der übrigens ein neues Hobby hat: Sado-Maso. So richtig mit körperlichen Schmerzen, jammern, flehen, betteln, wild rumschreien, dabei den Frust der ganzen Woche rauslassen, auf den Knien nach Hause rutschen und abends heulend im Bett liegen. „An welchem noch prostitutionsmäßig unbefleckten Plätzchen in Worms hat denn dieser neue Sado-Maso-Puff aufgemacht?“, werden Sie sich jetzt bestimmt fragen. Nix da, unser Chef geht jedes Wochenende zur Wormatia. Eigentlich schon seit 30 Jahren, aber in diesem Jahr ist seine Lust – auf Schmerzen und sich selbst zu kasteien – schier ungebremst. Obwohl er schon vorher weiß, dass er nachher wieder leidet, lässt er es sich nicht nehmen, Woche für Woche irgendwo in die Walachei zu gurken oder wahlweise im Internet wortlos 90 Minuten lang irgendeinen langweiligen Liveticker zu verfolgen und dabei alle 2,73 Sekunden (handgestoppt!!) auf den „Ergebnis neu laden“-Button zu drücken. Dabei passiert lange Zeit nichts, bis er dann plötzlich mit der Faust auf irgendetwas draufhaut (jaaaa Schmerzen…) und anschließend seine Mitarbeiter so lange schikaniert, bis das Dilemma in der nächsten Woche von vorne losgeht. Also wenn Sie mich fragen, hat das für mich schon was mit Sucht zu tun, wenn jemand ständig etwas tut, um sich danach schlechter als vorher zu fühlen. Von solchen Suchtkrüppeln will ich auch gar nix wissen, schon gar nicht jetzt, mittags um halb vier, wenn ich schon längst im Cafe sitzen müsste, um Leute zu beobachten. Falls Sie eine dieser merkwürdigen Gestalten sind, die mal wieder in meinem optischen Visier landen, sprechen Sie mich ruhig an. Ich bin der mit dem Herrengedeck auf dem Tisch.
PS: „Die Neuzugänge haben bei der Wormatia versagt!“, brüllt unser Chef manchmal unkontrolliert im Büro herum. Als neuer Spieler hat man es bei der Wormatia aber auch nicht leicht, wie der folgende kleine Witz zum Abschluss offenbart.
„Der neue Trainer von Wormatia Worms, Hans-Jürgen Boysen, entdeckt in Kabul einen 17-jährigen afghanischen Fußballgott und überredet ihn, mit nach Deutschland zu Wormatia Worms zu kommen. Der neue Spieler übertrifft alle Erwartungen und schießt im letzten Spiel das entscheidende Tor zum Klassenerhalt. Überglücklich ruft er seine Mutter an: „Mama, was für ein herrlicher Tag! Wir bleiben dank meines Tores in der Regionalliga!“ – „Wunderbar, dass es dir so gut geht“, antwortet die Mutter sarkastisch, „lass dir erzählen, wie unser Tag aussah. Dein Vater wurde auf offener Straße angeschossen, ich wurde auf dem Heimweg überfallen, deine kleine Schwester in der Schule nach Heroin gefragt und dein 11-jähriger Bruder ist jetzt Mitglied einer Straßengang.“ „Wie entsetzlich!“, jammert der Fußballer, „Wie furchtbar! Das tut mir so leid!“. „Es tut dir leid!“, fährt die Mutter aufgebracht dazwischen, „es ist doch deine Schuld, dass wir von Kabul nach Worms gezogen sind!!“
In diesem Sinne: Humor, ist wenn man trotzdem lacht….
Ihr Bert Bims