Die Szenerie wirkt wie nach einer Party. Fünf Personen liegen, sichtlich angeschlagen, verteilt auf einer kleinen Bühne, die Katerstimmung ist förmlich spürbar. Mittendrin sitzt der Produzent Konstantin Trauer (Uwe Ochsenknecht) wie ein trauriger König auf einem Stuhl und erklärt den anderen: „Der Film ist tot!“ Das ist der Beginn einer der Szenen, die vorab der Presse gezeigt wurden und einen dezenten Einblick gewährten in das, was Autor Albert Ostermaier und Regisseur Nuran David Calis in diesem Sommer ab 15. Juli vor dem Dom auf die Bühne bringen wollen.

Wurde die Nibelungensage in den vergangenen Jahren von Dieter Wedel immer wieder klassisch erzählt, macht sich das Duo in diesem Jahr auf, die berühmte Sage komplett rund zu erneuern. Hierfür wählte man die Metaebene, den selbstreferenziellen Ansatz. Beide übertragen den mittelalterlichen Stoff in die Showbranche von heute und erzählen letztlich von dem, was sie am besten kennen. Was zunächst abstrakt und verwegen klingt, ist aber nicht unlogisch, denn tatsächlich beinhaltet der Nibelungenstoff sehr vieles, was man in jeder Soap Opera aber auch in vielen Unternehmen oder in der Politik wiederfinden kann. Neid, Missgunst, Eifersucht und die Konsequenzen daraus. So unbedeutend die eingangs beschriebene Szene erscheinen mag, sagt sie doch einiges aus über die Richtung, die das diesjährige Kreativteam einschlägt. Das wird vor allem beim Fortgang der Szene deutlich, wenn der Society Reporter Peter Scheumer (Domenic Raacke), der sich auch in dieser Runde befindet, Trauer und dessen Todesurteil widerspricht. Scheumer gibt sich kämpferisch, will sein „Baby“ retten, denn Scheumer scheint mehr zu sein, als nur ein nerviger Klatschkolumnist. Vielmehr scheint er eine moderne Variante von Hagen zu sein, der mit dem traurigen Trauer unter einer Decke steckt. Interessant ist an diesem Tag auch das Vorgehen des Regisseurs, der am Ende der Szene immer wieder interveniert und eine Wiederholung fordert, während ein Uwe Ochsenknecht schon leicht genervt wirkt. Wahrscheinlich ist es genau das, was der Regisseur erreichen will. Calis will Emotionen provozieren und will, dass sich die Situation der Nibelungen auf das Ensemble überträgt. Der Film, von dem die diesjährige Aufführung erzählt, scheint zu diesem Zeitpunkt schon längst im heillosen Chaos versunken, die Kräfte des Ensembles aufgezehrt. Das lässt sich auch in der zweiten Szene erkennen. Abwesend lehnt Regisseur Arsenji Kubik (Vladimir Burlakov) am Bühnenrand. Er trägt eine Sonnenbrille und eine blonde Langhaarperücke, in seiner Haltung liegt etwas groteskes, clowneskes. Der Reporter Scheumer nähert sich ihm, schaut ihn sich an, dreht sich um zu Trauer, um sichtlich angewidert zu erklären: „Der ist doch vollgepumpt mit Drogen!“ So ist das ehrgeizige Filmprojekt wahrscheinlich nicht zu retten, in Anbetracht eines drogenaffinen Regisseurs, einem überambitionierten Produzenten und einem Strippen ziehenden Reporter.

DAS BÜHNENDESIGN
Um den Blick in das Innere der Geschichte transparent zu machen, wählte man auch beim Bühnendesign einen interessanten Ansatz. Die Bühne ist unterteilt in drei Abschnitte. Links befindet sich, erhöht auf einem Bühnenpodest, eine aus Plexiglas gefertigte Garderobenanlage. Sechs Kabinen, individuell ausgestattet, drücken wohl die Charaktere ihrer Bewohner aus. Der Exzess wohnt in Garderobe eins, von rechts gezählt. Leere Schampus Flaschen, eine Wodka Flasche und ein Flachmann zeugen von einem ungesunden Lebenswandel, was der zusammengerollte 1000 Euro Schein und das verdächtige weiße Briefchen auf dem Kosmetiktisch noch unterstreichen. Apokalyptisch ist dann eher die Stimmung in der vorletzten Garderobe, wo bereits ein geknüpfter Strick auf seinen Bewohner wartet. In der Mitte des Bühnenaufbaus, in Höhe der Treppe, wo sich einst die Königinnen gestritten haben sollen, befinden sich ein Swimmingpool und eine Dschungellandschaft, während die rechte Seite von einer großen LED Leinwand dominiert wird. Unter ihr ist eine weitere Bühne, auf der sich die eingangs beschriebene Szene abspielen dürfte. Hinter ihr ist ein Container, beladen mit Requisiten und technischem Equipment. Irgendwo zwischen Big Brother und Abenteuerspielplatz verspricht das Setting schon jetzt ein ungewöhnliches Theatererlebnis, was man so mit Sicherheit noch nicht im Schatten des Doms erlebt hat. Man sollte allerdings in einer hoffentlich lauen Sommernacht für Experimente offen sein, denn eins ist jetzt schon klar, Calis und Ostermaier wollen ihr Publikum herausfordern. Wir vom WO! werden diese auf jeden Fall gerne annehmen. Mehr dazu in der August-Ausgabe.