Es war eine Mail mit delikatem Inhalt, die am letzten Sonntag im Postfach unseres Magazins und dem weiterer Medien einging. Dr. Josef Eberhardt, der frühere Vorsitzende des Bürgervereins Domumfeld e.V., übermittelte zwei Stadtratsdokumente, die er wiederum von einem unbekannten Absender erhalten hatte. Die Dokumente beinhalten die Tagesordnung des nicht öffentlichen Teils der Stadtratssitzung am kommenden Mittwoch, sowie die Beschlussvorlage zu dem Tagesordnungspunkt 53. Dieser lautet auf den zunächst unauffällig klingenden Titel „Gewährung eines Zuschusses zur Erweiterung und Sanierung der Kita St. Lioba“. Im Text offenbart sich schließlich der brisante Inhalt. Darin wird der Stadtrat von der Verwaltung aufgefordert, eine Bezuschussung in Höhe von 831.301,26 Euro zu bewilligen. Die Summe soll 2022 zur Verfügung gestellt werden. Einschränkend wird erwähnt, dass die Förderung unter dem Vorbehalt der zur Verfügung zu stehenden Mittel und der haushaltrechtlichen Genehmigungen stehe.
Keine Erweiterung auf Kosten der Kirche
Ursprünglich hatte der Stadtrat, damals in einer öffentlichen Sitzung, im Februar 2020 einen Zuschuss in Höhe von 412.000 Euro genehmigt. Die Gesamtkosten wurden mit 1,3 Millionen Euro kalkuliert. Konkret umfasst das Vorhaben die Erweiterung der Kita um zwei Gruppen mit insgesamt 30 Plätzen sowie die Sanierung des Gebäudes und der Einrichtung. Die Domgemeinde und das Bistum Mainz sollten die restliche Summe hinzusteuern, sowie einen Landeszuschuss beantragten. Während der Stadtrat den städtischen Teil genehmigte, erfolgte jedoch aus Mainz einige Monate später eine Absage. Der Grund: Sparmaßnahmen. Laut Dompropst Tobias Schäfer bedeute das aber nicht, dass die Kirche kein Geld für die Baumaßnahmen beisteuere, nur eben nicht für die Erweiterung. Insgesamt würde die Kirche 250.000 Euro in die Kita investieren. Kurzum, während Verwaltung und Stadtrat die Sanierung und Erweiterung als einen Prozess bewerteten, sieht das die Kirche mittlerweile anders. In einer Presseerklärung (Link siehe unten) schreibt Klaus Berg, stellvertretender Vorsitzender des Verwaltungsrates der Domgemeinde: „Die Kita-Betreuung ist eine gesetzlich verankerte Grundaufgabe der Kommune. Deshalb kann eine Erweiterung der Kita-Plätze hier auch nicht auf Kosten der Kirche geschehen“. Weiter erklärt das Bistum Mainz, dass in einer Zeit notwendiger Sparmaßnahmen man an anderen Orten sogar über die Abgabe der Trägerschaft von Kitas nachdenke. Das sei in Worms jedoch nicht der Fall. Erweiterungen seien grundsätzlich aber nur ausnahmsweise möglich und nur dann, wenn für die Kirche keine zusätzlichen Kosten entstünden. Deshalb habe man trotz des schon besprochenen Finanzierungsplanes hier die Notbremse ziehen müssen und die Stadt bereits im Sommer des vergangenen Jahres informiert.
Darf die Presse Dokumente eines Anonymous veröffentlichen?
Im Rennen, der erste Nachrichtenüberbringer zu sein, veröffentlichte der Nibelungen Kurier am frühen Sonntagabend bei Facebook die kostspielige Nachricht und sorgte damit für viel Diskussionsstoff. Während sich viele Nutzer darüber empörten, dass die Gemeinde nun eine Komplettfinanzierung durch die Stadt möchte, kritisierten auch einige wenige den Umstand, dass der Nibelungen Kurier Papiere aus einer nicht öffentlichen Sitzung veröffentliche und stellten die Frage, ob das rechtens sei? Es ist nicht das erste Mal, dass interne Dokumente an die Presse weitergereicht werden. Zuletzt geschah dies in Worms im Februar, als ein Anonymous ebenfalls Ratsunterlagen an die Presse weiterreichte. Damals ging es um die Anmietung eines Teilgebäudes des früheren Kaufhof. Während die Stadt Anzeige gegen den Anonymous erstattete, gibt es aus rechtlicher Sicht keinen Grund für die Presse, Dokumente, die als authentisch belegt sind, nicht zu veröffentlichen. Das gilt auch in diesem Fall. Selbstverständlich gebietet es die Sorgfaltspflicht, weitere Recherchen anzustellen, da die Beschlussvorlage alleine nicht sehr aussagekräftig ist. Ungeschickt war es in diesem Zusammenhang, auch eine Personalangelegenheit, die auf dem Dokument stand, zu veröffentlichen. Dieser Fehler wurde später korrigiert. Vielmehr sollte bei beiden Vorgängen allerdings die Frage im Mittelpunkt stehen, warum diese nicht im öffentlichen Teil behandelt werden oder wurden?
Wer entscheidet nicht öffentlich oder öffentlich?
Die Gemeindeordnung gibt nur wenige Punkte vor, die eine öffentliche Debatte ausschließen. Hierzu gehören Personalangelegenheiten einzelner Mitarbeiter der Gemeinde, Abgabensachen einzelner Abgabenpflichtiger, persönliche Angelegenheiten der Einwohner und die Zustimmung zur Festsetzung eines Ordnungsgeldes. Ferner wird empfohlen, bei Rechtsstreitigkeiten, an denen die Gemeinde beteiligt ist, Grundstücksangelegenheiten, Angelegenheiten, die im Interesse der Landesverteidigung sind, sowie die Vergabe von Aufträgen ebenfalls nicht öffentlich zu beraten und zu entscheiden. Angefragt von unserem Magazin, warum nun plötzlich das Thema St. Lioba in einer nicht öffentlichen Sitzung besprochen wird, nachdem dieses 2020 sowohl im Haupt- und Finanzausschuss als auch im Stadtrat öffentlich war, erklärt Hans Brecht, Pressesprecher der Stadt Worms, dass man dem politischen Meinungs- und Entscheidungsprozess nicht vorweggreifen wolle. Das ist wohl gründlich danebengegangen, nachdem das Thema unfreiwillig veröffentlicht wurde. Zudem ginge es um die Vorbereitung vertraglicher Inhalte, weswegen man sich gemäß Gemeindeordnung wissentlich für die Beratung im nicht-öffentlichen Teil entschieden hätte. Getroffen wird diese Entscheidung vom zuständigen Fachbereich, in dem Fall dem Bereich 5 Soziales, Jugend und Wohnen. Im Verlauf einer Sitzung können die Ratsmitglieder beantragen, einen Beratungsgegenstand – entgegen der Tagesordnung – in öffentlicher Sitzung zu behandeln. Dazu ist die Zustimmung von zwei Drittel der anwesenden Ratsmitglieder erforderlich. Im Haupt- und Finanzausschuss wurde wohl genau über diesen Punkt debattiert. Letztlich entschied man, das Thema nicht öffentlich zu behandeln. Das ist verwunderlich, da man bei der ursprünglichen Debatte im vergangenen Jahr augenscheinlich keine Gründe sah, diese vertraglichen Inhalte öffentlich zu besprechen.
Mehr Transparenz wäre wünschenswert
Oberbürgermeister Adolf Kessel erklärte bei seiner Antrittsrede vor knapp zwei Jahren, dass er eine Politik der Transparenz und eine Politik der offenen Türen betreiben möchte. Dazu gehört es auch, unbequeme Themen, die das Geld der Bürger betreffen, auch transparent zu behandeln. Insofern sind sowohl der Fall Kaufhof als auch die aktuelle Debatte um die Kita St. Lioba eine vertane Chance, genau diese Transparenz zu leben. Es drängt sich der Verdacht auf, dass die Stadt nicht zu viel Aufmerksamkeit für diese delikate Finanzfrage wollte, schließlich ist St. Lioba nicht die einzige Kindertagesstätte, die von einem externen Träger betrieben wird. Der Schaden ist nun da. Dennoch hält man daran fest, das Thema in der Sitzung am Mittwoch weiterhin nicht öffentlich zu behandeln. Pressesprecher Brecht erklärt unserem Magazin gegenüber, dass man zumindest am Folgetag über die wesentlichen Ergebnisse informieren werde. Man braucht natürlich kein Hellseher zu sein, um zu erahnen, dass der Stadtrat den neuen Zuschuss gewähren wird. Denn wie bekannt ist, fehlen Worms in den nächsten Jahren rund 900 Kita-Plätze – da ist jeder Platz willkommen.
Text und Foto: Dennis Dirigo
Hier finden Sie den Link zur gemeinsamen Presseerklärung des Bistum Mainz und der Domgemeinde Worms