Worms will einen Wechsel an der Stadtspitze. Das wurde bei der OB-Wahl im ersten Wahlgang am 04.11.18 genauso deutlich wie in der Stichwahl am 18. November. Der langjährige Amtsinhaber Michael Kissel musste hierbei zwei deftige Niederlagen einstecken und muss sein Amt im Juni 2019 an Adolf Kessel (CDU) abtreten. Gewinner der Herzen wurde der parteilose Peter Englert, der aus dem Stand 20,5% der Wählerstimmen abstaubte und Kissel bereits im ersten Wahlgang ins Schwitzen gebracht hatte.

Der erste Wahlgang
Für drei Kandidaten war die OB-Wahl am 4. November ein denkwürdiger Tag: Den aktuellen Amtsinhaber, den neuen Oberbürgermeister und einen Politikneuling. Aber der Reihe nach. Der seit fünfzehn Jahren amtierende Oberbürgermeister MICHAEL KISSEL, der kurz zuvor in der WZ noch selbstbewusst erklärt hatte, dass er den Wahlhelfern gerne eine Stichwahl ersparen würde, erlebte ein Waterloo, das mit „Denkzettel“ deutlich zu milde umschrieben wäre. Kissel verlor gegenüber der letzten OB-Wahl im Jahr 2011 mal eben 9.000 Wähler und landete nur noch bei 21,9 %. Damit der Favorit wenigstens in der Stichwahl landete, musste sich Kissel am Wahlabend lange Zeit ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem parteilosen PETER ENGLERT liefern. Der unabhängige Kandidat landete mit 20,5 % der Wählerstimmen eine echte Überraschung. Mit einem modernen, frischen Wahlkampf, der einen Bruchteil des Werbeetats der etablierten Parteien verschlang, konnte der Schauspieler und Sänger fast 6.000 Wormser/innen für sich begeistern. Zur Sensation hat es nicht ganz gereicht, zu Kissel fehlten Englert aber gerade mal 421 Stimmen. Und so war klar, dass es doch zu der erwarteten Stichwahl Kissel gegen Kessel kommen würde. Denn ADOLF KESSEL, der zuvor einen unaufgeregten Wahlkampf geführt hatte, war er im Laufe des Abends an beiden Kandidaten vorbei gezogen und landete auf dem ersten Platz mit 30,7%. Während dem amtierenden Oberbürgermeister Kissel vor allem im eigenen Lager etliche Stimmen weg gebrochen waren, hatte Kessel die christdemokratische Stammklientel hinter sich vereinigen können. Der CDU-Kandidat erhielt knapp 2.500 Stimmen mehr als Kissel und gewann den ersten Wahlgang somit deutlich. Das war allerdings nur ein erstes Stimmungsbarometer, aber noch keine Vorentscheidung im Hinblick auf die Stichwahl zwei Wochen später. Während nach der Wahl vor allem über die erdrutschartigen Verluste Kissels und den Achtungserfolg Englerts gesprochen wurde, ging derweil der Stimmenzuwachs des grünen OB-Kandidaten RICHARD GRÜNEWALD ein wenig unter. Grünewald, der einen sehr engagierten und ideenreichen Wahlkampf geführt hatte, konnte gegenüber der letzten OB-Wahl (Kandidat war Michael Mahla) fast zehn Prozent zulegen und hat mit 18,9% so viele Stimmen wie noch kein anderer grüner OB-Kandidat vor ihm erhalten. Beflügelt durch eine bundesweite grüne Euphorie, die der Ökopartei in Hessen und Bayern Stimmenzuwächse bescherte, hatte sich der Winzer im Vorfeld der OB-Wahl als Favorit auf eine Stichwahl mit Amtsinhaber Kissel gesehen und dies auch offensiv propagiert. Letztendlich verpasste Grünewald aber nicht nur die Stichwahl, sondern musste auch noch dem politischen Nobody Englert den Vortritt lassen. Von daher fühlte sich der vierte Platz für Grünewald an diesem Abend eher wie eine Niederlage an. RICARDA ARTELT (FDP) erzielte achtbare 6,6%, GEORG GRÄFF (Die Linke) etwas enttäuschende 1,3%. Trotz großer Bemühungen, die Wormser für einen OB-Wahlkampf zu begeistern, haben am 4. November nur 28.964 Wähler/ innen einen gültigen Stimmzettel abgegeben (Wahlbeteiligung: 45,6%). Das ist das ernüchternde Ergebnis der OB-Wahl vom 4. November. Die beiden Kandidaten, die zwei Wochen später eine Stichwahl bestreiten, heißen Kissel und Kessel. Das war das zweite (erwartete) ernüchternde Ergebnis der OB-Wahl. Allerdings unter geänderten Voraussetzungen: Jetzt war Kessel der Favorit und Kissel der Herausforderer.

Die Stichwahl
Bei der Stichwahl fanden noch weniger Wähler/innen den Weg zur Wahlurne, am 18. November wurden 25.609 gültige Stimmen abgegeben (Wahlbeteiligung: 40,8%). Und das, obwohl speziell Amtsinhaber Kissel nach der Schlappe im ersten Wahlgang noch einmal eine gewaltige Marketingmaschinerie angeworfen hatte. Auch seine Partei, die er zuvor verschmäht hatte, wurde eingespannt und rührte noch einmal kräftig die Werbetrommel. Auf der Suche nach neuen Wählern warb Kissel in türkischsprachigen Flyern um Unterstützung, in den Briefkästen landete ein persönlicher Brief Kissels an die Wähler, flankiert von großformatigen Anzeigen in Tageszeitung und Anzeigenblättern. Genützt hat es (fast) nichts. Im Vergleich zum ersten Wahlgang konnte Kissel von den Wählern der ausgeschiedenen Kandidaten in der Stichwahl nur knapp 500 neue Wähler dazu gewinnen, Kessel dagegen fast 10.000. Nach der Auszählung aller 76 Wahlbezirke landete Kessel bei 73,1%, Kissel bei 26,9%. Um den Unterschied in Stimmen zu verdeutlichen: Kessel hatte fast drei Mal so viele Wähler (18.716) wie Kissel (6.893). Bezeichnenderweise hat Kissel in der Stichwahl in keinem einzigen Wahlkreis gewonnen, nicht einmal in den einstigen SPD-Hochburgen Wormser Norden, Karl-Marx-Siedlung oder Neuhausen. Am Abend des 18. November 2018 hatte Worms seinen langjährigen Oberbürgermeister Kissel endgültig abgewählt. Herzlichen Glückwunsch an Adolf Kessel, der ab Juni 2019 die Amtsgeschäfte der Stadt Worms führen wird.