Im Rahmen des Bundesförderprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ mit Fördergeldern in Höhe von insgesamt 2,6 Millionen Euro bis 31.08.2025 bedacht wird, hat man sich in Worms zum Ziel gesetzt, für mehr Aufenthaltsqualität, neue Angebote und eine lebendigere Innenstadt zu sorgen. Daran arbeitet das „Worms wird WOW“ Team, bestehend aus Stadt Worms, IHK Rheinhessen und Stadtmarketing Worms. Ganz ohne Kritik der Bürger wird die Arbeit des Projektteams allerdings nicht aufgenommen.
Es ist ein Kampf gegen die sich immer heftiger drehenden Windmühlen. Der Onlinehandel setzt dem stationären Handel zu und daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts mehr ändern. Dass Deutschlands Innenstädte leiden, ist kein spezifisches Wormser Problem. Erschwerend kommen aber in Worms noch spezielle Probleme dazu, schließlich wird die Attraktivität einer Innenstadt in erster Linie durch ihr Einkaufsangebot geprägt. Da aber die Stadt Worms aus vielerlei Gründen uninteressant für bestimmte Ketten ist, angefangen bei der mangelnden Frequenz in der Innenstadt und endend bei dem schmalen Geldbeutel ihrer Einwohner, ist es ein schier hoffnungsloses Unterfangen, überhaupt noch ansiedlungswillige Gewerbetreibende zu finden, die bereit sind, die hohen Mieten zu zahlen – abgesehen von den üblichen Nagelstudios, Dönerladen und Bäckerei- en. Auch dass sich der Konsum nach der Schließung des Kaufhof zunehmend auf die Geschäfte in der Kaiserpassage konzentrieren würde, ist eine Entwicklung, die bereits beim Bau der Einkaufspassage im Jahr 2004 absehbar war. Mit den Fördergeldern aus Berlin hat man nun auch in Worms der aussterbenden Innenstadt den Kampf angesagt. Die neue Innenstadt- Zentrale bildet der City Hub Worms als ausführendes Projektbüro des Zusammenschlusses aus Stadt Worms, IHK Rheinhessen und Stadtmarketing Worms. Mit JESSICA KÖCHLING und JONAS VOLZ wurden hierfür zwei Mitarbeiter engagiert, die sich mit einem eigenen Standort in der Innenstadt um den bestehenden Leerstand kümmern sollen. Neben der Belegung von Leerständen oder der Schaffung von neuen Angeboten im Bereich Kunst, Kultur und Einzelhandel, sollen im weiteren Verlauf ebenso die Chancen der Digitalisierung, des gastronomischen Angebots und der Förderung von jungen Unternehmern im innerstädtischen Bereich sinnvoll genutzt werden. Zur Begleitung der umfangreichen Marketingkampagne des Projektteams im Bereich Kommunikation und Imageförderung wurde eine Werbeagentur aus Trier beauftragt, die alleine schon einen sechsstelligen Betrag der Fördersumme erhalten wird. Die Agentur „Markenmut“ soll für eine offene, zielgruppenorientierte Kommunikation sorgen und wird die Kampagne medial begleiten. Und damit auch die Wormser wissen, was ihre Stadt bald werden soll, wurden erstmal jede Menge Plakate gedruckt und in der Innenstadt aufgehängt. Aber je öfters man an einem „Worms wird WOW“ Plakat vorbeiläuft, fragt man sich, wann den Worten nun endlich Taten folgen.
Kleine Attraktionen für die Innenstadt
Zu Beginn stand eine Umfrage, an der sich die Wormser mit eigenen Ideen beteiligen konnten. Anfang September fand schließlich ein Workshop statt, basierend auf den Umfrageergebnissen. Ansonsten verweist das Projektteam darauf, dass viele Maßnahmen zur nachhaltigen Stadtentwicklung vorangetrieben werden und einige größere Projekte bereits weit fortgeschritten seien, aber tatsächlich sind bisher nur kleinere Maßnahmen umgesetzt worden, getreu dem Motto: „Es sind die kleinen Dinge, die eine Stadt attraktiver machen“. So wurden in der Innenstadt am Parmaplatz und vor dem City Hub Büro Stelen aufgestellt, auf denen die Bürger Anregungen für ihre Stadt eintragen können. Für Radfahrer, die sich einen Platten geholt haben, steht nun am Marktplatz eine Fahrradstation mit Utensilien, um das eigene Gefährt wieder fit machen zu können. Als Werbemaßnahme für den Sommer hat man sich überlegt, mit grünen Oasen, ein paar Dutzend neuen Liegestühlen mit knackigen Botschaften wie „Setz dich hie“ oder „Gammi to go“ sowie Sonnenschirmen den Innenstadtbesuch angenehmer zu gestalten. Im Übrigen sei darauf hingewiesen, dass auch kleine Dinge viel Geld verschlingen können. Während ein Liegestuhl mit aufgedruckter Werbebotschaft knapp 80 Euro kostet, schlagen die drei „Grünen Zimmer“ und drei Solarstationen, die knapp ein halbes Jahr in der Innenstadt standen, mit knapp 150.000 Euro zu Buche. Die aus einem EU-Forschungsprojekt erwachsenen Pflanzenwände mit Sitzgelegenheit werden von der Kornwestheimer Firma Helix vertrieben und gepflegt. Für diese temporäre Maßnahme fiel also schon die nächste sechsstellige Summe der Fördergelder an. Dass es auch anders geht, bewies man in Landau, wo auf Wunsch der Bürger 26 neue Sitzmöglichkeiten (43.000 Euro), ergänzt durch elf insektenfreundlich bepflanzte Blumensäulen (9.000 Euro Miete inklusive Pflegeservice für 6 Monate), angeschafft wurden. Im Vergleich zu den fest installierten Bänken in Landau kosteten die nur temporär eingesetzten „Grünen Zimmer“ sowie die Solarpanelen in Worms das Dreifache.
Ein Fotoautomat und ein Worms Schild
Seit Mitte August ist die Stadt um eine weitere Attraktion reicher, denn nun ziert ein Fotoautomat die Wilhelm-Leuschner-Straße. Für fünf Euro erhält man dort zwei ausgedruckte Fotostreifen und die Möglichkeit, das Meisterwerk per QR-Code jederzeit erneut herunterzuladen. Zugegeben: Nach dem neuesten heißen Scheiß klingt das nun wirklich nicht, denn was in den Achtzigern noch funktioniert hat, darf in Zeiten von Smartphones zumindest angezweifelt werden. Dementsprechend sorgte die Meldung, dass Worms nun einen Fotoautomaten erhält, in den Sozialen Medien eher für Belustigung. Auf der WO! Facebook Seite liefen die Kommentare im Minutentakt ein, die größtenteils ins selbe Horn bliesen: „Des koschd nur Geld“, „Deswegen kommt doch keiner nach Worms“ oder „Wow, ist das zum Fremdschämen“. Ein Leser kommentierte: „Dieser Schriftzug, sowie der kostenlose Fotoautomat, helfen dem Einzelhandel in der Stadt wie genau? Inwiefern wird die Innenstadt dadurch attraktiver? Inwieweit soll dies das Einkaufsverhalten der Wormser ändern bzw. ankurbeln?“ Als wolle man den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, wurde knapp zwei Wochen später eine Erfolgsmeldung des City Hub Teams veröffentlicht, dass bereits 120 Nutzer des Fotoautomaten zu verzeichnen gewesen seien. Zudem sei der Fotoautomat dank der „sehr guten Netzwerkarbeit der neuen Citymanagerin Jessica Köchling“ vollkommen kostenfrei gewesen, da ein Projektpartner als Unterstützung des neuen Citymanagements für die Installation des neu- en Automaten gesorgt hätte. Mitte September gesellte sich nun eine weitere „Touristenattraktion“ hinzu. Platziert mit Blickachse zur Martinskirche steht nun ein großes, mobiles „WORMS“-Schild auf dem Ludwigsplatz. Damit hat sich das Projektteam von „Worms wird WOW“ einer Idee ermächtigt, die auch in anderen Städten bereits um- gesetzt wurde. Jonas Volz vom Projektteam argumentiert: „Schriftzüge dieser Art sind weltweit beliebte Touristenmagnete und häufiges Motiv für Fotos in sozialen Netzwerken, wie Instagram und Facebook. Jedes Foto wirbt für Worms und lockt neue Gäste in die Innenstadt.“ Immerhin wurde das WORMS-Schild mit großen goldenen Buchstaben, das zukünftig verschiedene Plätze in der Stadt schmücken soll, von einem Wormser Unternehmen, der Firma Quehl, angefertigt. Die 64.000 Euro für den neuen Hingucker sind also wenigstens in Worms geblieben….
Wie gehen andere Städte mit den Födergeldern um?
Der Projektaufruf „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ sieht vor allem die Förderung konzeptioneller Maßnahmen vor, ()…mit denen die aktuellen Problemlagen nicht nur baulich-adhoc, sondern mit langfristiger Perspektive angegangen werden. In Rheinland-Pfalz werden 17 Städte durch den Bund gefördert, darunter auch Alzey, Bad Kreuznach, Kaiserslautern, Neuwied, Landau in der Pfalz, Ludwigshafen, Trier und eben Worms. Zugegeben: Wenn man sich die Konzepte anderer Städte zur Innenstadtbelebung durchliest, stößt man auf nicht besonders viele neue Ideen. Gerade in den größeren Städten stehen Leerstandsmanagement, Kulturevents oder Pop-up- Stores ganz oben auf der Liste. In kleineren Städten wie Alzey wirbt man mit dem Slogan „Zukunftsstadt Alzey“ und will das Zentrum zu einem Wohlfühlort machen. In Neuwied heißt das Motto „REstart Neuwied“ und sieht in erster Linie ein Konzept zur Anpassung an den Klimawandel vor. Für öffentliche Flächen und Gebäude soll ein Entsiegelungs- und Begrünungskonzept mit Maßnahmenvorschlägen und ein Potenzialkataster für Dach- und Fassadenbegrünung aller Gebäude in der Innenstadt er- stellt werden. Das Ziel ist die Förderung einer klimagerechten und -angepassten Innenstadt. Gleichzeitig soll mit dem zusätzlichen Grün und den entsiegelten Flächen auch die Aufenthaltsqualität in der Innenstadt Neuwieds gestärkt werden.
Welche Erfolge gibt es in Worms zu verzeichnen?
Kaum hatte das Projektteam von „Worms wird WOW“ seine Arbeit aufgenommen, da konnte man auch schon den ersten Erfolg vermelden. Eine Beratungsstelle der „Deutschen Glasfaser“ mietete sich in der Kämmererstraße ein, allerdings nur temporär. Nach knapp einem halben Jahr war das Unternehmen schon wieder draußen, nun ist dort ein Laden für E-Zigaretten. Ab Ende Mai fand erstmals das Format „Musik am Gammi“ statt. Vier Wochen lang spielten regionale Musiker samstags zentral vorm Gammi und lockten die Besucher an. Das war sicherlich ein guter Ansatz, der weiterverfolgt werden soll- te. Ende Juni wurde ein Leerstand in der Hafergasse mit einem Kunstladen gefüllt. Alle Werke im „kunst.lokal“ stammen von Künstlern aus Worms und der Umgebung und sollen der lokalen Kunstszene mehr Sichtbarkeit verschaffen. Hierfür wurde allerdings kein zahlungswilliger Mieter gefunden, denn finanziert werden die Ausstellungsräume mit den Fördergeldern von „Worms wird WOW!“ sowie durch die städtische Kulturkoordination. Heißt also, dass sich der Kunstladen nach dem Auslaufen der Fördergelder selbst tragen muss, was aufgrund der hohen Miete einen erneuten Leerstand befürchten lässt. Eine tolle Idee, um die Stadt attraktiver zu machen, ist das von dem Graffiti-Artist Daniel Ferino gestaltete Hagen-Bild, das nun die Fassade des Dom Hotels ziert. Das „Hagen Mural“ wird die Blickachse zwischen Kämmererstraße und Obermarkt visuell aufwerten und ist tatsächlich ein echter Hingucker. Außerdem sind die Angebote von Wormser Geschäften nun auch mit einem eigenen Shop bei e-bay zu finden. Wie Jonas Volz vom City Hub kürzlich berichtete, gebe es bereits 100 registrierte Nutzer. Auch da ist sicherlich noch etwas Luft nach oben.
Engagement der Bürger
Zudem hat das Projektteam den Wettbewerb „Win a shop @ Sprungbrett Worms“ initiiert, mit dem man einen ehemaligen Leerstand in der Wilhelm-Leuschner-Straße 2 füllt. Hierbei werden kreative Einfälle, Dienstleistungen, neue Konzepte oder Produkte aus allen Branchen für eine dreimonatige, kostenfreie Verkaufsfläche gesucht. Die Gewinner erhalten neben der freien Miete auch Unterstützung beim Aufbau ihres Shops, der Definierung ihrer Marke, beim Einstieg in Social Media, ein kurzes Image-Video sowie eine professionelle Gründerberatung der IHK und eine individuell angepasste Businessberatung vom Digital Hub Worms. Man darf auf die Resonanz gespannt sein. Denn auch das gehört zur Wahrheit in Worms, dass hier zwar gerne gemeckert wird, aber wirklich produktive Vorschläge zur Belebung der Innenstadt kommen, zumindest in den Sozialen Medien, nur selten. Stattdessen wird gerne mantraartig wiederholt, dass die Innenstadt „mehr Sicherheit und weniger Dreck“ vertragen könne, ohne zu verstehen, dass ein Projektteam nicht mal eben ein paar neue Polizisten einstellen kann, die das Sicherheitsgefühl der Wormser verstärken. Diese Probleme müssen von politischer Seite gelöst werden. Aber eine Stadt lebt nun mal auch vom Engagement ihrer Bürger. Dazu gehört es auch, sich mit eigenen Ideen produktiv einzubringen, statt immer nur zu meckern, was alles schlecht läuft.
Text: Frank Fischer
Lesen Sie hierzu auch den Kommentar: https://wo-magazin.de/es-fehlt-der-ganz-grosse-plan-ein-kommentar-zu-worms-wird-wow/