Wir sind verloren!“, müssen die Bürger der Wormser Innenstadt am Morgen des 22. Februar 1945 gedacht haben, als sie sich ein Herz fassten und ins Freie traten: Von der Innenstadt war so gut wie nichts mehr übrig außer Schutt und Asche. Am Vorabend, dem 21. Februar, hatte ein halbstündiger Luftangriff eines alliierten Bomberverbands der Royal-Air-Force die Stadt fast vollständig vernichtet. In dem unvorstellbaren Inferno von 1.100 Sprengbomben und weit mehr als 100.000 Brandbomben und Kanistern mit Phosphor war die Nibelungenstadt in Schutt und Asche gelegt worden. Ein zweiter Angriff amerikanischer Verbände am 18. März desselben Jahres besiegelte die Vernichtung der Stadt.
Auf dem Wormser Hauptfriedhof gedachte Oberbürgermeister Michael Kissel nun, 74 Jahre später, der Opfer der Bombenangriffe. In dem Inferno des 21. Februar 1945 verloren 239 Kinder, Frauen und Männer ihr Leben, am 18. März waren es weitere 141 Zivilisten, die dem Bombenhagel zum Opfer fielen. „Wir teilen heute die Trauer der Familien, die in diesen beiden schrecklichen Nächten Angehörige verloren haben“, so der Stadtchef. Bereits zuvor seien die Wormser kaum eine Nacht vom Fliegeralarm verschont geblieben, immer wieder seien Tote und Verletzte zu beklagen gewesen. „Die beiden großen Angriffe jedoch haben unsere Stadt und nachhaltig auch das Gesicht unserer Stadt zerstört“, so OB Kissel.
Wie es den Menschen damals wirklich erging, die vor den Trümmern ihrer Existenz standen, die noch dazu Verwandte, Freunde oder Bekannte verloren hatten, entzieht sich unserer Vorstellungskraft. OB Kissel gedachte deshalb auch der Gruppe um Pfarrer Johann Wilhelm Weil, die damals die Toten aus den Schuttbergen barg. Die musikalische Begleitung der Gedenkfeier auf dem Hauptfriedhof durch die Lucie-Kölsch-Musikschule griff die tiefen Emotionen auf, die mit den Ereignissen des Jahres 1945 verbunden sind.
Die Geschehnisse des 21. Februar 1945 beschreibt der Wormser Journalist Willi Ruppert in seinem Buch „…und Worms lebt dennoch!“: „Die Verbände im Anflug auf den Raum Worms…, tönt es unheilvoll aus dem Lautsprecher. Längst ist Vollalarm. Die Menschen sind mit ihren Bündeln in die Keller geeilt, wie so oft in diesen letzten Monaten. Ausgestorben liegen die dunklen Straßen, als in der Ferne Scheinwerfer zu spielen beginnen.
Dumpf und drohend rollen die Formationen heran, näher und näher. Am Südrand der Stadt blitzt das erste Richtungszeichen auf, gleich danach ein zweites. Zischend prasseln die Brandbomben und Kanister auf das Gebiet zwischen Horchheim und der Vorstadt. Unheimlich schnell wälzt sich die Feuerwelle auf die Stadtmitte zu.“ Was bleibt, sind Leid, Elend und Zerstörung. 25.000 Wohnungen und bedeutende historische Monumente, Bauwerke und Sehenswürdigkeiten, darunter auch die Dreifaltigkeitskirche, nach der Stadtzerstörung von 1689 im Pfälzischen Erbfolgekrieg erbaut, sinken 1945 in Trümmer.
Noch heute sind das Gesicht und die Baukultur der Stadt geprägt von den Verlusten des Krieges. Besonders die zerstörten historischen Bauten der Innenstadt haben eine schmerzliche Lücke hinterlassen. „Die Erinnerungskultur ist ein unabdingbares Element, um uns ins Bewusstsein zu rücken, woher wir kommen und warum unsere Stadt heute so ist, wie sie ist“, unterstrich der Stadtchef in seiner Gedenkansprache.
„Unsere Gedanken sind bei den 512 zivilen Opfern der Luftangriffe, bei deren Angehörigen, und bei allen Opfern dieses schrecklichen Krieges. Und wir wollen uns auch weiterhin für ein starkes und friedliches Europa einsetzen.“
Im Anschluss an die Gedenkfeier legte der Oberbürgermeister an der Begräbnisstätte für die Opfer der Bombenangriffe einen Kranz nieder.