Jahresrückblick Politik

Obwohl sich Politiker der AfD offen rassistisch äußern und gleich drei Landesverbände im Osten vom Verfassungsschutz als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft wurden, erzielte die Partei auch im Jahr 2023 einen beachtlichen Wählerzuwachs. Laut aktuellen Umfragen würden knapp 22 Prozent bei der nächsten Bundestagswahl ihr Kreuz bei der AfD machen. Dabei ist der Höhenflug der AfD in erster Linie auf die Schwäche der etablierten Parteien zurückzuführen.

Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kam kürzlich zu dem Ergebnis, dass die Hauptleidtragenden der AfD-Politik ihre eigenen Anhänger wären. Man kann dies gleich an mehreren Themen festmachen. So fordert die Partei ein höheres Renteneintrittsalter, was für einen Großteil ihrer älteren Wähler bedeuten würde, dass sie noch weit länger als bisher ar- beiten müssten. Auch hinsichtlich Kinderbetreuung oder Mieterinteressen schadet ein Kreuz bei der AfD vor allem einkommens- schwachen Familien. Und wer aus der Unterschicht kommt und glaubt, dass die AfD seine Probleme löst, würde zunächst mal eine Kürzung seines Bürgergeldes in Kauf nehmen müssen. Teile der AfD wollen das Bürgergeld sogar ganz abschaffen. Stattdessen sollen Arbeitslose mit Sachleistungen versorgt werden und pro Woche 15 Stunden „Bürgerarbeit“ leisten, damit sie sich an das frühe Aufstehen gewöhnen und nicht in der Hängematte ausruhen. Eine weitere Forderung der AfD lautet, dass Bezieher von Transferleistungen zukünftig zwischen der Auszahlung ihres Geldes oder ihrem Wahlrecht entscheiden müssen. Wer das Geld nimmt, darf halt nicht mehr wählen ge- hen. Damit würde man nahezu der kompletten Unterschicht verweigern, zukünftig noch an politischen Entscheidungsprozessen teilzu- nehmen. Demokratiefeindlicher geht es kaum noch. Und dann ist noch Björn Höckes Vision von einem Ausstieg Deutschlands aus der EU. Damit würde die AfD dem Wunsch derer ent- sprechen, die Deutschland nur noch als Melk- kuh Europas sehen. Klar dürfte dann aber auch sein: In einer Zeit, in der hierzulande immer mehr Firmen abwandern, könnte ein „Dexit“ dem Industriestandort Deutschland den endgültigen Todesstoß versetzen. Man kann sich durch seitenweise Parteiprogramme der AfD wühlen, aber man wird keine Forderungen fin- den, die tatsächlich den Leuten dienen, die überwiegend die AfD wählen. So bleibt als abschließendes Fazit des Parteiprogramms der AfD, dass die vermeintliche Protestpartei noch ein Stück weiter rechts ist, als es die CDU/CSU – selbst unter Franz-Josef Strauß – jemals sein konnte. Und um die Begrifflichkeit „rechts“ historisch einzuordnen: Früher standen rechts vom König die Adligen und Gutbetuchten, links durfte der Pöbel stehen.

WARUM TROTZDEM DIESER HÖHENFLUG?

Warum hat die AfD trotzdem auch im Jahr 2023 starken Zulauf aus nahezu allen Bevölkerungs- schichten erhalten? Vermutlich ist der Höhenflug die Folge einer tief gespaltenen Gesellschaft, in der sich weite Teile nicht mehr von der Regierung repräsentiert fühlen. Denn die anhaltende Schwäche der Regierung sorgt gleichzeitig für Rekordwerte bei der AfD. Dass die jeweils aktuelle Regierung gerne als die „realitätsfremden Spinner aus Berlin“ wahrgenommen wird, war auch schon in früheren Jahren der Fall. Wenn man jedoch aktuell die Kommentare in den Sozialen Medien über die Ampelregierung liest, könnte man den Ein- druck gewinnen, dass die „rot-grüne Pest“ von vielen Bürgern als existenzbedrohender Feind wahrgenommen wird, den es mit aller Macht zu bekämpfen gilt – notfalls eben mit einem Kreuz bei der AfD. Und wenn der Wähler erst mal abgewandert ist, dann ist es auch egal, ob der Protest von einem abgehängten Ost-Arbeitslosen oder einem frustrierten West- Selbstständigen stammt, der tagtäglich um seine Existenz kämpfen muss. Von daher verwundert es nicht, dass man auch im Bekanntenkreis immer wieder auf Leute stößt, die zwar keine AfD wählen, aber sich doch klamm- heimlich über deren Aufstieg freuen. Getreu dem Motto: „Hoffentlich wacht die Regierung jetzt endlich auf!“. Auch wenn die AfD nach wie vor für den Großteil der Wähler eine absolut unwählbare Alternative bleibt, wird sie mittlerweile immer mehr als einzige echte Opposition wahrgenommen. Abzuwarten bleibt, ob es der neuen Partei von Sarah Wagenknecht gelingen wird, ein paar Wähler vom „linken Rand“ der AfD abzuschöpfen.

POLITIK LEISTET AFD VORSCHUB

Als Bürger, der von dem ganzen Parteienproporz nichts wissen will, erwartet man von der Politik oder den Medien, dass man problematische Themen offen anspricht und ergebnisoffen darüber diskutiert, um die bestmögliche Lösung zu erzielen. In den letzten Jahren ist zu- nehmend der Eindruck entstanden, dass das in dieser Form nicht mehr stattfindet, weil sehr oft eine öffentliche Meinung vorgegeben wurde, der man sich bestenfalls anschließen sollte. Das begann mit den politischen Maßnahmen während der Corona Pandemie und endet mit der Diskussion um die milliardenschwere Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen. Hinzu kommt die mittlerweile fast schon inflationäre Verwendung des Begriffes „Nazi“ für Menschen mit einer vom Mainstream abweichenden Meinung. Auch wenn immer mehr Leute das öffentliche Meinungsbild dazu benutzen, um ganz offen ihre rassistische Ader ausleben zu können, ist nicht jeder, der seine Sorgen über eine gescheiterte Migrationspolitik äußert, ein Nazi. Wenn man aber als „Nazi“ bezeichnet wird, obwohl  man selbst diese Ideologie nicht teilt, verliert man irgendwann auch die Scheu, eine ultra-rechte Partei wie die AfD zu wählen.

TOTGESCHWIEGENE THEMEN

Da unsere Ampelregierung geschafft hat, es sich in kürzester Zeit mit nahezu allen Bevölkerungs- schichten zu verscherzen, muss die AfD nur die Unzufriedenen abschöpfen, in dem man hauptsächlich populistische Themen aufgreift, die die Bürger bewegen, die aber von den anderen Parteien bewusst totgeschweigen werden. Da dies ein Alleinstellungsmerkmal der AfD ist, sehen viele Wähler über die offen zur Schau gestellte menschenverachtende Grundhaltung der Partei hinweg. Wichtiger ist in diesem Moment, dass es eine Partei gibt, die ihre Probleme nicht ignoriert. Getreu dem Motto: „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“. Inflation, steigende Energiepreise, erhöhte Lebenshaltungskosten und zunehmende Firmeninsolvenzen spielen den Populisten zudem in die Karten. Dann ist da natürlich noch das Lieblingsthema der AfD, die massenhafte Zuwanderung in Deutschland. Man muss tatsächlich auf dem linken Auge blind sein, um nicht die Probleme zu sehen, die daraus re- sultieren. Was als Maßnahme zur Behebung des Fachkräftemangels angekündigt war, entpuppte sich als massenhafter Armutszuzug aus islamischen-orientalischen Staaten. Dazu kam die Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine, die jährliche Kosten in Milliardenhöhe verursachen. Die Kommunen ächzen unter der Aufgabe, Woche für Woche Dutzende von Flüchtlingen unterbringen zu müssen, was schon längst zu einer Wohnungsnot in den Städten geführt hat. Da immer mehr Bürger die Folgen der Migrationspolitik am eigenen Leib spüren, wenden sie sich der AfD zu, die sich zwar offen rassistisch äußert, aber offensichtlich als einzig möglicher Denkzettel für die Regierung übrigbleibt.

TAKTIK MISSLUNGEN

Sowohl die Politik als auch die Medien haben nun schon über mehrere Jahre hinweg versucht, die wachsende Popularität der AfD zu verhindern, indem man die Partei cancelt, aus politischen Entscheidungsprozessen aus- schließt oder deren Mitgliedern keine öffentliche Plattform im Fernsehen gibt. Aber man muss mittlerweile festhalten, dass diese Taktik offensichtlich nicht aufgegangen ist. Statt die Partei zu ignorieren, fand zunehmend eine Solidarisierung statt; speziell im Osten des Landes. Wie gerne posaunt man als Wessi in diesem Zusammenhang heraus, wie dumm doch die Menschen im Osten sind, weil sie auf die Bauernfänger von der AfD hereinfallen. Dabei blendet man bewusst die Tatsache aus, dass die Leute aus der ehemaligen DDR über vier Jahrzehnte hinweg vom Staat und den Medien manipuliert wurden und deshalb womöglich besonders kritisch gegenüber einseitiger Berichterstattung sind. Gleichzeitig machen sie sich dadurch zu einem beliebten Opfer für die AfD, die sich perfekt als Partei des kleinen Mannes inszeniert, obwohl ihr Wahlprogramm dies in keiner Weise hergibt.

LÖSUNGEN ANBIETEN, STATT CANCELN

Man kann der AfD nur argumentativ begegnen, indem man deren Parteiprogramm zerpflückt und in seine Einzelteile zerlegt. Dann wird man als potentieller AfD-Wähler schnell feststellen, dass das Thema Migration vermutlich als einzige Schnittstelle zu den eigenen Interessen übrigbleibt. Und wenn es nun mal das Thema Migration ist, das deren Wähler besonders bewegt, dürfen auch die anderen Parteien das Thema nicht länger totschweigen und müssen langfristige Lösungen anbieten, anstatt die Belange von fast einem Viertel der Wählerschaft einfach zu ignorieren. Gleichzeitig muss man aber auch gerade den Wählern aus unteren Schichten mit Argumenten deutlich klar- machen, dass sie sich mit einem Kreuz bei der AfD selbst keinen Gefallen tun.

Text: Frank Fischer