Spätestens seit den letzten Wahlkämpfen hat die Politik auch in Worms ihr Herz für den Fahrradfahrer entdeckt. Während es zum Selbstverständnis der Grünen gehört, bessere Verkehrsbedingungen für den Fahrradverkehr zu fordern, überraschte es ein wenig, dass auch die CDU und die SPD ihr Herz für den jahrelang vernachlässigten Radfahrer entdeckten. Im Worms-Plan findet sich gleich zu Beginn des Kapitels Mobilität/Verkehr das Ziel, das Radwegenetz Worms, insbesondere in Anbindung an den überregionalen Verkehr, fit zu machen.

Das wurde aber auch höchste Zeit, da Fahrradfahren in Worms mitunter eine spannende Angelegenheit sein kann. Wie spannend, das zeigte eine Reihe von Unfällen in den vergangenen Wochen, die mit dem Tod eines Radfahrers auf der ehemaligen B47 zwischen Pfeddersheim und Pfiffligheim einen traurigen Höhepunkt fand. Dass Worms nicht unbedingt ein El Dorado für Radfahrer ist, das ist schon länger bekannt. Dementsprechend fiel der Fahrradklimatest 2018, der jährlich vom ADFC durchgeführt wird, eher mäßig aus. Im Vergleich mit 106 weiteren Städten belegt die Stadt mit einer Schulnote von 4,1 einen schlappen 70. Platz. Kritisiert wurde von den befragten Teilnehmern vor allem der Umstand, dass vorhandene Radwege häufig von Autos zugestellt werden, eine befestigte Strecke zwischen Pfeddersheim und Pfiffligheim fehlt, viele Straßen einfach zu eng für ein entspanntes Miteinander sind und dass die Kreisel zu eng konzipiert sind, sodass es auch hier immer wieder zu brenzligen Situationen kommt. In Zeiten, in denen das Fahrrad zunehmend an Bedeutung gewinnt und vor allem als gesundes und klimafreundliches Fortbewegungsmittel gilt, ist das ein desaströses Zeugnis. Das hat auch der Stadtrat erkannt und ein Stadtentwicklungskonzept Mobilität bestellt, das im Frühjahr veröffentlicht wurde. Ein Ziel darin lautet, bis 2030 den Anteil der Radfahrer im Verkehrsmix auf 25 Prozent zu erhöhen. Derzeit liegt die Quote bei ca. 12 Prozent. Das kostet Geld und nicht zu knapp. Das Ingenieursbüro Habermehl und Follmann, das das Konzept erstellte, rechnet vor, dass hierfür jährlich rund 12 Millionen Euro im Haushalt bereitgestellt werden müssten. Insgesamt also 120 Millionen Euro!

Davon ist man nach der jüngsten Haushaltsdebatte im Haupt- und Finanzausschuss weit entfernt. Insgesamt sind für 2020 eine Million Euro vorgesehen. In einer Pressemitteilung rühmten sich CDU und SPD damit, Wort gehalten und in ersten Schritten den Worms-Plan auf den Weg gebracht zu haben. Die Wahrheit ist indes, dass die Stadtverwaltung bereits bei der Planung der Etats 600.000 Euro sowie 100.000 Euro für die Planung neuer Radwege eingeplant hat. Geplant ist derzeit der Ausbau eines Teilstücks des Zellertalradwegs. Außerdem soll die Speyerer Straße zu einer Fahrradstraße umgewandelt werden, also zu einer Straße, in der zwar Autos als Anlieger fahren dürfen, aber das Rad Priorität hat. Angedacht ist auch der längst überfällige Ausbau der Strecke zwischen Pfeddersheim und dem Stadtteil Pfiffligheim. Jens Guth (SPD), MdL, signalisiert zusätzlich, dass die Stadt mit Fördermitteln rechnen könnte. Bei Projekten mit einem Volumen von maximal 500.000 Euro würden 75 Prozent durch das Land gefördert werden. Doch die Sache hat einen Haken. Das Projekt muss im kommenden Jahr dann auch zustande kommen und bevor überhaupt der erste Meter gebaut wird, muss die Stadt einen Antrag stellen, in dem sie auch nachweist, dass es durch die geplante Maßnahme zu einer Abnahme des Autoverkehrs kommt. Kurzum, es ist noch viel zu tun. Möglicherweise zu viel, wenn man sich die derzeitige Situation beim Bauamt, der Ebwo oder der Abteilung Infrastruktur- und Mobilität anschaut. Dort stapeln sich nämlich seit längerem die Bauaufträge, ohne dass man diese entsprechend umsetzen kann. Hauptproblem ist das fehlende Personal. Im Bauausschuss Mitte Oktober erklärte dann auch Annett Böttner, Leiterin Infrastruktur- und Mobilität, dass der Stadtrat derzeit beschließen kann, was er will, die Kapazitäten aber einfach nicht vorhanden seien, um dies umzusetzen. Es drängt sich der Gedanke auf, dass die Kommunalpolitik sich irgendwie immer noch im Wahlkampfmodus befindet, betrachtet man derzeit das Tempo, mit dem man einzelne Projekte verabschiedet. Allerdings ist das Thema Verkehr zu wichtig, um leichtfertig Projekte anzukurbeln, mit deren Nicht-Realisierung man letzten Endes den Bürger enttäuscht.

Oberbürgermeister Adolf Kessel hat das Problem längst erkannt und räumt im Gespräch mit WO! ein, dass Verwaltung und Stadtrat besser miteinander kommunizieren müssen. Ebenso gilt es, das Mobilitätskonzept nochmals auf Machbarkeiten zu überprüfen. Es ist unwahrscheinlich, dass Worms mit seinem Haushaltsdefizit die empfohlenen Maßnahmen jemals umsetzen kann, von denen nicht wenige, wie die angedachte Verengung der Von-Steuben-Straße, um künstlich Staus zu provozieren, sehr fragwürdig sind. Klar ist indes, dass etwas passieren muss, wenn Worms nicht an seinem eigenen Autoverkehr ersticken will und an Attraktivität gewinnen möchte.