SUMMERTIME SADNESS

Liebe Leser,

man darf sich auf den Sommer freuen. Hitze, Badespaß, Grillen, Freunde und Kultur. Was will das Herz denn eigentlich mehr nach 1 ½ Jahren menschlicher Isolation?

Geht man raus in die Straßen, müsste man doch jetzt eigentlich glückliche Menschen sehen, die gar nicht mehr wissen wohin mit ihren Glückshormonen voller Freiheit. Aber von irgendwo kommen sie dann doch: Die Zweifler, die Meckerer, die Verschwörer, die – egal was passiert – laut rufen: „Vor Corona war das aber anders!“ oder „Dieser Sommer mit seinen Events MUSS gut werden, weil wir alles nachholen müssen“. Besonders die zweite Aussage erinnert dann immer ein wenig an Silvesterpartys. Der Druck ist riesig, dass es unbedingt die beste Party des Jahres werden muss und am Ende ist es meist die schlechteste.

Wie wäre es denn, wenn wir uns einfach freuen, dass es ein „Backfischfest light“ gibt (okay, was immer das auch sein wird), die Kneipen aufhaben, ein kleines Jazz and Joy stattfindet und selbst Theater findet statt. Gut, bei den Festspielen gehen die Meinungen dieses Jahr wohl sehr auseinander. Aber auch das gehört zu Kunst und zu Theater. Manchmal geht es auch einfach mal schief. Dieses Risiko muss man eingehen. Lustig fand ich hierbei einen Post eines geschätzten Stadtratskollegen, der am Premierentag bereits um 22:00 Uhr sich per Facebook meldete und die Inszenierung lobte. Als erprobter Festspielgänger müsste eigentlich bekannt sein, dass gegen 10 nicht mal Pause ist. Nun gut…

Ein wahrer Schock im letzten Monat waren die schlimmen Bilder der Flutkatastrophe in Rheinland-Pfalz und NRW. Auch Freunde von mir waren vor Ort und berichteten von Situationen, die einem nur beim Hören sehr nahe gehen. Was mich aber wirklich wieder an die Menschen glauben lässt, ist diese unglaubliche Solidarität, die vielerorts stattfindet. Auch wenn es erst ein tragisches Ereignis benötigt, so ist es für mich bewegend zu erleben was passiert, wenn Leute sich nicht fallen lassen. Hilfe wird gebraucht und es wird einfach geholfen. Großartig!

Gar nicht großartig empfand ich die sofort aufkeimende Diskussion pro und contra Klimawandel und dessen Folgen, die nicht mal Stunden später begann und ihren Einzug in die Netzwerke und Medien fand.

Da werden Menschen vermisst, verletzt, zum Teil durch Freiwillige tot geborgen und im Internet werden erstmal die Messer der verschiedenen Ideologien gewetzt. Das ist pietätlos. Ich meine damit ausdrücklich nicht die Notwendigkeit, über die Anpassungen an den Klimawandel zu sprechen, sondern lediglich den Zeitpunkt. Stellt euch vor, eure Familie wäre mit einem Flugzeug vom Radar verschwunden und wird vermisst. Da hilft euch als erste Reaktion bestimmt nicht, dass in Zukunft noch mehr Flugzeuge vom Radar verschwinden werden. Von Autos mit vermeintlichen „F*ck you Greta“ Aufklebern, Diesel vs. Elektro Memes, lachenden Kanzlerkandidaten und Reporterinnen, die sich mit Schlamm einschmieren, fange ich an dieser Stelle gar nicht erst an, sonst werde ich noch sauer.

Tja, was bleibt denn bisher?
Sommer. Freude, Leid und viel Regen.

Bis nächsten Monat.
Jim Walker jr.

PS: Ich musste feststellen, dass Kolumnist im WO! zu sein zu einer kleinen Berühmtheit führt. Zumindest wenn es nach der Gruppe „Worms. Meine Stadt“ geht. Da gab es dann gleich einen ganzen Beitrag über mich. Danke für die Blumen.

PPS: Jemand Lust auf eine Kneipentour mit Dr. Bims und mir? Anmeldungen über die Redaktion.