Eigentlich hatte sich der ehemalige Polizist und Landtagsabgeordnete auf seinen Ruhestand gefreut, doch dann wurde er von seiner Partei (CDU) gefragt, ob er als Oberbürgermeisterkandidat gegen den Amtsinhaber Michael Kissel (SPD) antreten würde. Nach einer Stichwahl am 18. November 2018 war klar, dass der Ruhestand noch acht Jahre warten muss, denn Adolf Kessel wurde mit überwältigender Mehrheit zum neuen Oberbürgermeister gewählt.

Am 1. Juli 2019 übernahm er schließlich die Amtsgeschäfte im Wormser Rathaus und versprach in seiner Antrittsrede, sich nicht ändern zu wollen und unterstrich dabei seine Heimatverbundenheit. Gemeinhin gilt Kessel als Familienmensch, dessen Politikstil sich durch seine ruhige Art auszeichnet. Der ehemalige Polizist möchte Wogen glätten, die im Laufe der Amtszeit seines Vorgängers entstanden sind. Das wurde auch in seinem 10-Punkte-Plan deutlich, den er an diesem Tag vorstellte und verkündete eine Politik der Transparenz und der offenen Türen („Ich will nicht nur führen, sondern auch zusammenführen“). Nicht minder große Bedeutung hat für seine Amtszeit das Erreichen der schwarzen Null bis spätestens 2026. Diesem Ziel ist er derzeit näher als bei seiner Antrittsrede geglaubt, zugleich ist es auch die erste Bewährungsprobe, die er in den vergangenen Monaten zu bewältigen hatte.

Ursprünglich sollte der Wormser Haushalt mit einem Defizit von rund 12 Millionen Euro verabschiedet werden. Kurz nach der Vorstellung schrumpfte das Finanzloch dank sprudelnder Gewerbesteuern auf 6,7 Millionen Euro. Dennoch mahnte der Rechnungshof den Haushalt als rechtswidrig an und forderte, die Grundsteuer B anzuheben (wir berichteten). Obwohl dies zuvor mit großer Mehrheit abgelehnt wurde, stimmte man in einer weiteren Stadtratssitzung Anfang Dezember erneut ab. Dieses Mal mit mehr Erfolg für Kessel, der bereits die Monate zuvor für die Erhöhung warb. Während die FWG Bürgerforum Worms die Stadtratssitzung als Zeichen des Protests geschlossen verließ, wurde der erneute Antrag, die Gewerbesteuer um 30 Punkte zu erhöhen, mehrheitlich angenommen. Am Konflikt mit dem Rechnungshof änderte das allerdings wenig. Zwar verkündete Kessel in der strittigen Sitzung, dass dank der Mehreinnahmen von rund einer Million Euro und weiterer Maßnahmen das Defizit sogar auf zwei Millionen Euro geschrumpft sei, dennoch meldete sich der Rechnungshof erneut und erklärte, dass das ausgewiesene neue Defizit „ebenso offensichtlich rechtswidrig“ wie das „geplante ursprüngliche Defizit“ sei. Nun kämpferisch, entschied Kessel kurz vor seinem Urlaubsantritt, den vorliegenden defizitären Haushaltsplan der Kommunalaufsicht zur Genehmigung vorzulegen. Die Stadt Worms sei „nicht die einzige Kommune in Rheinland-Pfalz, die der Kommunalaufsicht einen nicht ausgeglichenen Haushalt“ vorlege und verwies einmal mehr auf die chronische Unterfinanzierung der Kommunen durch Bund und Länder.

Bereits kurz nach seinem Amtsantritt geriet Kessel mit dem Rechnungshof aneinander, als dieser den Oberbürgermeister bat, die Ernennung der ehrenamtlichen Beigeordneten (Petra Graen, CDU) zu überdenken, um ein Signal für den Sparwillen der Stadt zu setzen. Kessels Entschluss stand und die Mehrheit im Stadtrat auch, womit Graen in ihrem Amt bestätigt wurde. Ob dies der Beginn eines dauerhaften Konflikts mit der Landesbehörde war, wird die Zeit zeigen und ob es dem OB in den Folgejahren gelingt, den Wormser Haushalt in den Griff zu bekommen. Was er indes schon umgesetzt hat, ist die Politik der offenen Türen. Tatsächlich hört man von seinen Ratskollegen über die Parteigrenzen hinweg nur Lob ob seiner sachlich-ruhigen Art, mit der er durch die Ausschüsse und Sitzungen führt. Lob gibt es auch von unserer Seite. Auch wenn wir als Wähler und Wormser nicht jede Entscheidung der vergangenen Monate uneingeschränkt teilen, müssen wir Adolf Kessel attestieren, es mit den offenen Türen ernst zu meinen; etwas, was unter seinem Vorgänger oftmals nicht zutraf.